Industrie 4.0: Überwachung statt Revolution

Seite 2: Ständige Erreichbarkeit durch Smartphone

Ein betriebliches Beispiel verdeutlicht, wie schnell technische Neuerungen Nachteile für Arbeitnehmer haben können: Statt wie bisher der Außendienst- und Verwaltungsbereich wurden Arbeiter in der Werkshalle mit Smartphones auf Firmenkosten ausgestattet. Die Begeisterung der Beschäftigten war groß, nachdem der Werksleiter verkündete, diese Geräte könnten auch privat genutzt werden

Als dann die Meister diese jedoch öfters am Wochenende oder im Urlaub für betriebliche Kommunikation mit Arbeitern ihres Teams nutzten und verkündet wurde, die Arbeiter könnten jetzt über "Whatsapp-Gruppen" die Vertretung für Wochenendschichten untereinander "freiwillig" nutzen, wurden die Probleme sichtbar. Der Betriebsrat griff in diesem Fall regelnd ein. Das Beispiel zeigt aber, dass Probleme der ständigen Erreichbarkeit zukünftig nicht auf den Dienstleistungsbereich begrenzt bleiben. Auch im Industriebereich wird es zum Handlungsfeld für Betriebsräte.

Aktuell sind gravierende Veränderungen direkt im Industriebereich feststellbar. Ein Forschungsauftrag des Bundesforschungsministeriums fordert - im Sinne einer Industrie 4.0 - "Selbstorganisierte Kapazitätsflexibilität in Cyber-Physical Systems". Unter dem Motto "Smartphone statt Stechuhr" führt das Fraunhofer-IAO das Projekt "Kapaflexcy" durch. Als Ziel benennen die Wissenschaftler: "Starre Anwesenheitszeiten von 7-16 Uhr sind Relikte der Vergangenheit. Zukünftig stimmen Arbeitsgruppen ihre Einsatzzeiten per Smartphone ab.

Eigenverantwortlich, kurzfristig, flexibel. Gearbeitet wird nach Bedarf - genau dann, wenn der Kunde ordert. Das Forschungsprojekt »Kapaflexcy« löst die übliche »pauschale« Personalflexibilität ab. Als Beitrag zum Zukunftsprojekt "Industrie 4.0" der Bundesregierung entwickeln wir vorausschauende Strategien und smarte Assistenten für die flexible Produktionsarbeit der Zukunft".

Wachsender Arbeitsdruck: Psychische Belastungen nehmen zu

Wer sich die Situation in den Betrieben der Metallindustrie - der Kernbranche der Industrie 4.0 - vor Augen führt, erkennt, wie massiv diese Forderungen sind. Durch Arbeitszeitkonten, Überstunden und Schichtarbeit sind die Beschäftigten bereits heute belastet. Der Arbeitsdruck soll noch schärfer werden - unter dem Vorwand der Sachzwänge. Durch die Digitalisierung haben sich psychische Belastungen" "in den Betrieben zum Dauerbrenner entwickelt, bemängelt die IG Metall.

Die Gewerkschaft verweist auf das Projekt "Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt", das von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin initiiert wurde. Die Forschungsergebnisse zeigen das "wachsende Ausmaß und die Regelungsbedürftigkeit psychischer Arbeitsbelastungen", die im Zuge der Digitalisierung "weiter an Bedeutung gewinnen, wenn nicht gegengesteuert wird".

Zur Ermittlung der Belastungen hat die IG Metall ein Stressbarometer als Onlinetool entwickelt, um die Risiken im Betrieb ermitteln zu können.

Gefordert sei jedoch die Politik, so die IG Metall. Ihr Vorschlag für eine Anti-Stress-Verordnung wurde von der Bundesregierung bis heute nicht umgesetzt.

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