Industriestrompreis: Rettungsanker oder Milliardengrab für Steuerzahler?

Bundeskanzler gegen seine eigene Partei. Während die SPD den Industriestrompreis als Rettungsanker sieht, bleibt Scholz skeptisch. Wer setzt sich durch?

Am Dienstag und Mittwoch wird die Bundesregierung in Meseberg beraten, wie sie weiterhin arbeiten möchte. Der Druck, der auf ihr lastet, ist groß und die Probleme sind zahlreich. Die deutsche Wirtschaft schwächelt und es gibt keinen einfachen Weg, ihr wieder Schwung zu verleihen.

Die Probleme der Unternehmen sind vielfältig. Sie klagen über zu hohe Steuern und Abgaben, zu viel Bürokratie und zu hohe Energiekosten. Und Vertreter aus Wirtschaft, Gewerkschaften und Parteien fordern deshalb einen sogenannten Industriestrompreis, mit dem zumindest die Stromkosten für Unternehmen gesenkt werden sollen.

Am Wochenende sprach sich etwa die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) für diese Form der Subventionen aus. "Wir brauchen einen befristeten Industriestrompreis", sagte sie. Nur so könne das Versprechen eingehalten werden, dass die Energiewende nicht zu einer Deindustrialisierung Deutschlands führe.

Nach Ansicht von Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin, Manuela Schwesig (SPD), greift es allerdings zu kurz, nur für bestimmte Unternehmen die Energiepreise zu senken. Sie seien eine Hauptsorge in fast allen Wirtschaftsbereichen, erklärte sie laut Deutscher Presse-Agentur (dpa) am Sonntag.

Sie schlug vor, den Strompreis vom Gaspreis zu entkoppeln. Das derzeit geltende Merit-Order-Prinzip führe dazu, dass der Preis für Ökostrom in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen sei, obwohl die Produktion von grünem Strom nicht teurer geworden sei.

Das Merit-Order-Prinzip bezeichnet die Reihenfolge, mit denen Kraftwerke an der Strombörse zum Zuge kommen. Die, die billig produzieren, werden zuerst herangezogen, um die Nachfrage zu decken. Den Preis bestimmen aber teuersten Kraftwerke, die für die Versorgung herangezogen werden müssen. Momentan sind das die Gaskraftwerke.

Mit ihrer Forderung bleibt Schwesig allerdings die einsame Ruferin in der Wüste. Die SPD-Bundestagsfraktion hat sich offenbar auf den Industriestrompreis versteift. Am Donnerstag hatte der geschäftsführende Vorstand ein entsprechendes Konzept beschlossen. Demnach soll der Strompreis für Unternehmen bei fünf Cent je Kilowattstunde (kWh) gedeckelt werden.

Am Montag sollte die gesamte Fraktion über das Konzept abstimmen. Bis zum Erscheinen des Artikels war allerdings unklar, ob sich die Fraktion gegen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) stellen wird. Dieser sah den subventionierten Strompreis bislang mit Skepsis.

"Uns eint das Ziel, dass die Strompreise runter müssen", sagte er kürzlich den Zeitungen der Mediengruppe Bayern. Um den Strompreis dauerhaft zu subventionieren, fehle nicht nur das Geld, auch die europäischen Beihilferegeln könnten dem entgegenstehen. Stattdessen will sich Scholz für einen schnelleren Ausbau von Windkraft und Solarenergie einsetzen.

Das Bundeswirtschaftsministerium unter Robert Habeck (Grüne) propagiert die Idee eines Industriestrompreises bereits seit Monaten. Auf sechs Cent je kWh solle er sich demnach belaufen, was die Steuerzahler bis 2030 rund 30 Milliarden Euro kosten könnte. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) war mit einem Preis von vier Cent je kWh nach vorn geprescht. Die Kosten dafür könnten sich auf bis zu 50 Milliarden Euro summieren.

Wie das finanziert werden soll, ist bislang ungeklärt. Die Schuldenbremse, auf deren Einhaltung Finanzminister Christian Lindner (FDP) pocht, dürfte die Finanzierung nicht erleichtern. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hat sich in dieser Frage nun im Handelsblatt klar positioniert.

Er schlägt vor, dass die notwendigen Mittel aus dem Abwehrschirm gegen die Energiekrise (WSF) oder aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) des Bundes genommen werden sollten. Eine Finanzierung über den WSF schließt die FDP allerdings aus und der KTF ist laut Handelsblatt schon jetzt überbucht.

Für Weil ist letzteres aber kein Grund, die Subventionen über diesen Fonds zu finanzieren. Er sagte:

Allein die beiden Chipunternehmen Intel und TSMC werden aus dem KTF mit einem zweistelligen Milliardenbetrag unterstützt. Da werden wir aus dem Fonds doch sicher auch etwas Geld für die deutsche Industrie mobilisieren können.

Der Industrie dürfte es letztlich egal sein, woher sie das Geld bekommt und an welchen Stellen dafür eventuell gespart werden muss. Was aber, wenn die Energiewende weiterhin nur schleppend umgesetzt wird und die Energiepreise dauerhaft hoch bleiben?

Mit dem Industriestrompreis geht die Bundesregierung auf Kosten der Steuerzahler eine Wette ein, ob es ihr gelingt, den industriellen Kern Deutschlands über 2030 hinaus zu erhalten. Der Aufsichtsrat des Industriegasekonzerns Messer, Stefan Messer, sieht das aber skeptisch.

Im Interview mit dem Handelsblatt erklärte er, der deutschen Wirtschaft ginge es etwa deshalb nicht gut, weil "viele Politiker mit wenig Erfahrung an der Macht" seien. Es sei "eine Praxisferne zur Wirtschaft und zu deren Wirkmechanismen" zu beobachten. Er glaube nicht, dass energieintensive Unternehmen in Deutschland noch eine große Zukunft hätten.

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