Inflation: Die Zahl der Bedürftigen bei den Tafeln wächst
Auf die steigenden Kosten reagieren viele Menschen mit Verzicht. Immer mehr strömen zu den Tafeln, in der Hoffnung auf Lebensmittel. Warum die Zahl der bedürftigen Rentner steigen könnte.
Die Inflation hat in Deutschland an Fahrt gewonnen: Im September dieses Jahres wird sie voraussichtlich bei zehn Prozent liegen, teilte das Statistische Bundesamt am Donnerstag mit. Im August hatte sie dagegen nur bei 7,9 Prozent gelegen.
Angetrieben wird sie von steigenden Energie- und Lebensmittelpreisen. Im Vergleich zum Vorjahr lagen die Preise für Energie um 43,9 Prozent, die für Lebensmittel um 18,7 Prozent.
Für viele Menschen bedeutet das: Verzicht. Viele Menschen schränken sich bereits beim Einkaufen ein, wie aus einer aktuellen Umfrage des Handelsverbands Deutschland (HDE) hervorgeht:
60 Prozent geben an, beim Lebensmittelkauf verstärkt Sonderangebote zu nutzen, 46 Prozent verzichten auf den Kauf bestimmter Produkte und knapp ein Drittel kauft insgesamt geringere Mengen. Generell sagen 60 Prozent, sie müssten sich aktuell beim Einkauf einschränken, um mit ihrem Geld auszukommen.
Handelsverband Deutschland
In den nächsten Monaten wollen sich noch mehr Menschen einschränken: 76 Prozent der Befragten gab an, angesichts der Preisentwicklungen sparsamer einkaufen zu wollen. Besonders auf arme Menschen trifft das zu.
"Viele Haushalte sind momentan gezwungen, deutlich mehr Geld für Energie auszugeben beziehungsweise für deutlich höhere Heizkostenabrechnungen zurückzulegen", erläuterte Rolf Bürkl, Experte des Nürnberger Konsumforschers GfK jüngst. Entsprechend müssten sie andere Ausgaben reduzieren, was das Konsumklima im Land auf ein neues Rekordtief fallen lasse.
Aber nicht nur hieran sieht man, dass die Menschen weniger Geld haben – sondern auch an den Schlangen vor den Tafeln, die immer größer werden. In Brandenburg ist der wachsende Andrang schon seit März zu spüren.
In Potsdam sagten viele, ohne die Lebensmittel von den Tafeln kämen sie gar nicht über die Runden, erklärte die Chefin der Potsdamer Tafeln, Imke Georgiew, letzte Woche gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Inzwischen versorgt die Einrichtung 1.700 Menschen und musste mittlerweile einen Aufnahmestopp verhängen.
Wie in Brandenburg – so auch in Thüringen: Immer mehr Menschen müssen mit immer weniger Lebensmittelspenden versorgt werden. In Thüringen hat das nun dazu geführt, dass mehrere Tafeln Anträge auf einen Zuschuss bei der Landesregierung stellen mussten, damit sie Lebensmittel für die Bedürftigen beschaffen können.
Pro Tafel sind es allerdings nur 3.000 Euro, die die Landesregierung als Mitteln der Staatslotterie zur Verfügung stellen möchte. Ein Tropfen auf den heißen Stein.
Im Jahr 2020 waren in Deutschland etwa 1,1 Millionen Menschen auf die Lebensmittel der Tafeln angewiesen. Das hatte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) kürzlich bekannt gegeben. Der Dachverband Tafel Deutschland geht inzwischen von mehr als zwei Millionen "Kunden" aus.
Der Anstieg ist auch den vielen Flüchtlingen aus der Ukraine geschuldet – angesichts der rasant steigenden Preise dürften demnächst auch viel mehr Rentner den Weg zur Tafel suchen. Denn mehr als jeder vierte Rentner (27,8 Prozent) in der Bundesrepublik bezieht eine Rente von unter 1.000 Euro im Monat. Insgesamt sind das 4,9 Millionen Menschen.
Von ihnen waren im letzten Jahr rund 589.000 Menschen auf Grundsicherung im Alter angewiesen. "Eine wachsende Zahl", hob das Statistische Bundesamt hervor.
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