Inflation frisst Ersparnisse
Banker schwadronieren vom Reichtum der Deutschen, dabei erwartet jeden dritten Beschäftigten nur eine mickrige Rente. Und die Inflation enteignet Menschen zusätzlich
Die Deutschen sind reich. Ihr Geld geben sie nicht aus, sondern bunkern es lieber auf ihrem Girokonto. So liest sich jedenfalls ein aktueller Bericht der DZ Bank. Ihr Geldvermögen hätten demnach viele Menschen in der Bundesrepublik im zurückliegenden Jahr vermehrt – so sehr, dass die privaten Haushalte nun in Summe "so reich wie nie" seien. Sie verfügen demnach über einen Rekordwert von fast 7,7 Billionen Euro.
"Hauptantriebsmotor für den Vermögensaufbau war die zwar leicht gesunkene, im historischen Vergleich aber erneut extrem hohe Ersparnis", erklärte DZ-Bank-Ökonom Michael Stappel. Von 100 Euro verfügbarem Einkommen hätten die privaten Haushalte etwa 15 Euro auf die hohe Kante gelegt.
Sparen als Corona-Effekt
Der Grund für diesen Drang zum Sparen ist trivial: Bis zum Sommer 2021 ließen die Corona-Einschränkungen es kaum zu, auf Shopping-Tour zu gehen oder zu verreisen. Als die Einschränkungen dann fielen, sank demnach auch die Sparquote wieder. Das Statistische Bundesamt hatte sie für das dritte Quartal 2021 auf 10,7 Prozent beziffert – und damit kam sie wieder an das Vorkrisen-Niveau heran.
Doch, soll man den Bankern des Geldhauses Metzler glauben, dann haben die Deutschen nicht lange etwas von ihrem angehäuften Reichtum – die Inflation wird in den nächsten Jahren einen Teil davon auffressen. Emmerich Müller, Chef des Bankhauses Metzler, hat kürzlich dem Handelsblatt zu diesem Thema ein interessantes Interview gegeben.
Die Regierungen hätten bei der Bekämpfung der Pandemie einen riesigen Schuldenberg aufgetürmt, den sie nun vor sich herschöben. Sie hätten jetzt im Prinzip nur drei Möglichkeiten, ihn wieder abzubauen: Sparen, Steuern erhöhen oder die Inflation wirken lassen. Mit einer "Austeritätspolitik" ließen sich keine Wahlen gewinnen, bekannte Müller, und höhere Steuern könnten das Wirtschaftswachstum ausbremsen. Als bleibt nur die Inflation.
Das bequemste Mittel ist die finanzielle Repression. Deshalb glaube ich, dass uns die negativen Realzinsen noch sehr lange begleiten werden. Wenn die Staaten für ihre Schulden kaum Zinsen zahlen müssen und die Schulden bei Teuerungsraten von zwei bis drei Prozent zum Teil weginflationiert werden, dann ist das für die Finanzminister in Europa und anderer Länder doch ein angenehmer Nebeneffekt.
Emmerich Müller, Chef des Bankhauses Metzler
Was für die Regierungen angenehm ist, trifft die Bürger. Müller spricht hier von einer schleichenden Enteignung der Sparer. Er sieht das Problem darin, dass die Deutschen den größten Teil des Ersparten auf Bankkonten horten oder in Lebensversicherungen stecken. Das einzige, was das Vermögen der Deutschen retten könnte, sei, möglichst viel von ihrem Geld in Aktien anzulegen.
Für Menschen mit wenig Vermögen und Einkommen muss diese ganze Diskussion der blanke Hohn sein. Das Anwachsen des Geldvermögens zeigt, dass die soziale Spaltung im Land immer gravierender wird. Denn während manche in der Pandemie nicht wussten, wohin mit ihrem Geld, stieg die Armutsquote in der Bundesrepublik auf einen neuen Rekord.
Und während Banker mit Tipps hausieren gehen, man solle mehr Geld in Aktien investieren, haben viele zu tun, überhaupt mit ihrem Einkommen über die Runden zu kommen. Die Tafeln rechnen jedenfalls schon mit einem starken Zulauf in diesem Jahr.
Mini-Renten für Millionen
Die Aussichten für die Zukunft stehen auch nicht sonderlich rosig, wie aus einer Antwort des Bundessozialministeriums auf eine Anfrage der Fraktion Die Linke im Bundestag hervorgeht. Jeden dritten Beschäftigten in Deutschland erwartet im Alter eine mickrige Rente von weniger als 1.300 Euro im Monat. Nach Abzug der Kranken- und Pflegeversicherung bleiben dann nur noch 1.160 Euro. Und wieder einmal sind die Menschen in Ostdeutschland besonders betroffen: Hier muss sich jeder Zweite mit solch einer Rente begnügen.
Die Summe der Geldvermögen sagt kaum etwas über den Wohlstand in der Gesellschaft aus, denn wer morgen nur eine Klecker-Rente bekommt, der hat heute auch nur ein Einkommen, dass gerade zum Leben reicht. Bei dem aktuellen Rentenniveau müssten Beschäftigte mindestens 2.800 Euro im Monat vor Abgaben und Steuern verdienen, um nach 45 Arbeitsjahren eine gesetzliche Rente von 1.300 Euro brutto zu bekommen. Wer im Alter auf 1.500 Euro kommen wolle, der müsse mindestens 3.200 Euro brutto verdienen.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.