Inflation ist nicht gleich Inflation

Nachrichten aus dem bundesdeutschen Kapitalismus (Teil 1)

In der Miniserie unserer Partnerzeitschrift GegenStandpunkt widmen wir uns in drei Teilen in Tagesfolge der den Themen Inflation, Mietendeckel und Mindestlohn in häuslicher Pflege.

Die Inflation gehört zur Marktwirtschaft. Das ist jedermann bekannt. Ebenso, was das für all jene heißt, die sich einen Lohn verdienen müssen, mit dem sie ihre Lebenshaltungskosten tragen, indem sie die verlangten Verbraucherpreise begleichen, und dessen Kaufkraft das allgemeine Phänomen der allgemeinen Teuerung kontinuierlich schwinden lässt: Diese Leute werden immer ärmer – ein allseits abgehakter marktwirtschaftlicher Automatismus, sozusagen im Preis mit drin.

Daneben – das ist vielleicht nicht jedermann bekannt und muss es auch nicht, dem wirtschaftlichen Sachverstand aber schon, und auf den kommt es ja an – hat die Inflation eine ganz andere, viel größere Bedeutung. Sie ist ein Datum.

Flucht in reale Vermögenswerte

Denn,

  • wenn, wie man hört, gerade eben die Inflationsdynamik wieder Fahrt aufnimmt, sich also die Frage stellt, ob diese Entwicklung sich als vorübergehendes Phänomen erweist, wogegen spricht, dass insbesondere die Rohstoffpreise stark steigen und internationale Lieferketten Unterbrechungen zu gewärtigen haben, oder ob die Inflation gerade deshalb langfristig außer Kontrolle gerät, auch wenn dieser Befürchtung global betrachtet die dann doch ansehnlichen Produktionskapazitäten der gesamten Weltwirtschaft entgegenstehen;
  • wenn im Zuge dessen unklar ist, wie die Währungshüter reagieren, wenn ihre jeweilige Zielinflation übertroffen wird - bleibt es bei der lockeren Geldpolitik und den Anleiheaufkaufprogrammen oder steigen die Zinsen und verschlechtern sich so die Finanzierungsmöglichkeiten von Unternehmen, was die Stimmung auf dem Aktienparkett naturgemäß trüben würde, von der Aussicht auf drohende Firmenpleiten ganz zu schweigen?
  • wenn sich schon jetzt Markttendenzen abzeichnen, denen zufolge Marktteilnehmer in vorweggenommener Reaktion auf drohende Inflationsauswüchse oder auch nur auf ihre höchstpersönlichen Inflationsängste oder die möglichen ihrer Kollegen in grundsolide reale Vermögenswerte wie Immobilien, Infrastruktur, Kunst, Ackerbau und Viehzucht gehen;
  • wenn bei alledem fraglich bleibt, welcher Zusammenhang genau zwischen Impfquote, Höhe des Bruttoinlandprodukts und der Inflationsgefahr besteht ...

... dann ist all dies ohne jeden Zweifel zu bedenken, abzuwägen und in ihr praktisches Kalkül einzustellen von denjenigen, die Geld nicht zum Einkaufen, sondern zum Investieren verwenden, die von daher notorisch auf der Suche nach Anhaltspunkten sind, die sie zum Kaufen, Halten oder Verkaufen all der schönen, an den Börsen dieser Welt gehandelten verbrieften Verwertungsansprüche motivieren, von denjenigen also, die durch die Praxis ihrer Spekulation den real existierenden fiktiven kapitalistischen Reichtum erschaffen und vernichten, von dem bekanntermaßen so vieles, wenn nicht alles abhängt.

Dass die wirklich relevante, also eigentliche Bedeutung der Inflation mit deren Inflationssorgen in eins fällt, geht von daher marktwirtschaftlich schwer in Ordnung, genauso wie das publizistische Bedürfnis gewisser Kreise, diese Sorgen auf den einschlägigen Seiten der seriösen Presse und vor der Tagesschau auch einem breiteren Publikum zur Anteilnahme vorzulegen.

Und ebenso geht in diesem Kontext schwer in Ordnung, dass denen, die banalerweise an der Kasse immer mehr hinlegen müssen, als aufaddierbarer Konsum am Ende auch noch der ehrenwerte Status des Datums zuteilwird.

Peter Decker ist Redakteur der politischen Vierteljahreszeitschrift GegenStandpunkt. Dieser Artikel ist eine Vorabveröffentlichung aus der nächsten Ausgabe, die am 17.9. erscheint.

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