Information als Rohstoff der Polizeiarbeit

BKA-Tagung will internationale polizeiliche Zusammenarbeit verbessern; Datenschützer warnen vor ungezügelter Integration.

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"Kriminalitätsbekämpfung im zusammenwachsenden Europa": Unter diesem Motto stand die diesjährige Herbsttagung des Bundeskriminalamtes (BKA), die diese Woche in Wiesbaden stattfand. Während Bundeskriminalamt-Chef Ulrich Kersten vor einem rasanten Wachstum der Kriminalität im Internet warnte, zeigte sich, dass nicht nur bei Kriminellen, sondern auch bei der Polizei der Austausch von Informationen an erster Stelle steht.

"Information ist der Rohstoff der polizeilichen Arbeit", so Jürgen Storbeck. Der Europol-Chef will polizeiliche Daten "schnell und in hoher Qualität" den europäischen Ermittlern zur Verfügung stellen. Storbeck arbeitet derzeit an einem neuen Europol-Informationssystem, das es Polizeibeamten in Europa erlaubt, dezentral Daten einzuspeichern und abzufragen. Installiert werden soll es im Jahr 2001, ab 2002 soll es in Betrieb gehen. Ermittlungsdaten und teilweise historische Daten sollen die Koordination von Operationen und Ermittlungen erleichtern.

Die Koordination ist nötig, wie sich bei der Ausarbeitung des Europol-Berichts zur organisierten Kriminalität rausstellte. So liefen gegen eine kriminelle Bande allein in Europa 18 Ermittlungen. Mit Hilfe von Europol konnten die einzelnen Ermittlungsverfahren der französischen Gendarmerie, des britischen Zolls und der schwedischen Polizei koordiniert werden. Das ist aber nicht der alleinige Vorteil, der durch einen gemeinsamen Datenpool entsteht. Dieser ermöglicht auch strategische Analysen und die Entwicklung von Risiko- und Bedrohungsanalysen.

Noch funktioniert die Zusammenarbeit von Europol mit den einzelnen Staaten nicht durchgängig gut. Bei der Erstellung des Berichts zur organisierten Kriminalität gab es große Probleme, da die Berichte der Mitgliedsstaaten große Qualitätsunterschiede aufwiesen, sich teilweise widersprachen und nicht ergänzten. Inzwischen ist der Bericht trotzdem fertig, aber er kann noch nicht veröffentlicht werden. In dem einen Staat muß er erst dem Minister vorgelegt werden, in dem anderen erst dem Parlament.

Verbessert werden kann der gegenwärtige Zustand, so Storbeck, nur durch aktives Handeln: Europol dürfe nicht mehr auf die Anfrage oder die Informationen der Mitgliedsstaaten warten, sondern müsse sie selbst einfordern. Die Beschlüsse von Tampere unterstützen Storbeck bei seinen Plänen: Sie sehen vor, dass Europol künftig bei grenzüberschreitenden operativen Ermittlungen die Steuerung übernimmt.

Nur Spezialisten sollen Aufklärungsarbeit im Stil von Geheimdiensten machen

Dass der Informationsaustausch zwischen den Staaten oft nicht funktioniert, ist auch ein altes Lied von Interpol-Chef Raymond Kendall. Aus einem falschen Sicherheitsdenken heraus würden viele wichtige Informationen nicht weitergegeben, beklagt der Brite, der seit 1971 bei Interpol arbeitet und dort seit 1985 Generalsekretär ist. Doch nur "Vertrauen unter den Fahndern" sei die Voraussetzung für eine erfolgreiche Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität. Wer Informationen über Verbrecherkartelle zurückhalte, verliere. "Wir müssen die Denkweise ändern, wenn wir im nächsten Jahrhundert überleben wollen", appellierte Kendall. (siehe auch Bericht von der Interpol-Tagung in Seoul)

Er schlägt vor, bei der Ermittlungs- und Aufklärungsarbeit jeweils Spezialisten zu nehmen. "Es hat keinen Sinn, Polizeibeamte in die Aufklärungsarbeit einzuführen, wenn Intelligence-Analysten in diesem Bereich qualifizierter und erfolgreicher arbeiten." Kendall hat das britische Modell im Kopf, wenn er die Aufklärungsarbeit den Spezialisten überlassen will. Dort nämlich gibt es keine klare Trennung zwischen den Abhörmaßnahmen, die von den Polizei- und Zollbehörden einerseits und den Geheimdiensten andererseits durchgeführt werden. Die Geheimdienste unterstützen teilweise die Strafverfolger auch bei strafrechtlichen Ermittlungen.

Aufgrund dieser mangelnden Aufgabenteilung will Großbritannien übrigens auch nicht dem Europäischen Rechtshilfeabkommen zustimmen, das vorsieht, dass der überwachende Mitgliedsstaat den anderen betroffenen Mitgliedsstaat unterrichtet. Aus Gründen der "nationalen Sicherheit" will Großbritannien davon absehen.

Europol soll internationale Abkommen schließen können

Unbestritten ist gleichwohl unter allen Experten, dass eine intelligente Kriminalitätsbekämpfung nur dann stattfinden kann, wenn ein systematischer Informationsaustausch zwischen internationalen Strafverfolgungsbehörden, sowie ein Austausch kriminalpolizeilicher Intelligence und Analyse stattfindet. Ebenso unbestritten ist, dass aufgrund des raschen Anstiegs grenzüberschreitender organisierter Kriminalität die strategische Koordinierung zwischen zahlreichen internationalen Gruppierungen wie den Vereinten Nationen, den G-8-Staaten, der Europäischen Union und Interpol stattfinden wird. Charles Elsen, Generaldirektor des Europäischen Rates für Inneres und Justiz, kündigte an, dass der Rat am 2. Dezember Europol ermächtigen werde, mit Drittstaaten und anderen Institutionen Abkommen abzuschließen. Ein Abkommen zwischen Europol und Interpol stünde dabei an erster Stelle.

Auswirkungen des Schengen-Abkommens unüberblickbar

Für "unbestritten notwendig" halten auch die Datenschützer die europäische Zusammenarbeit. Der schleswig-holsteinische Landesdatenschützer Helmut Bäumler bezweifelt jedoch, dass überhaupt noch jemand einen Überblick darüber habe, was beispielsweise das Schengen-Abkommen im Amsterdamer-Vertrag in der Praxis bedeute. Er warnte davor, die Integration in der Polizeiarbeit "rücksichtslos voranzutreiben", ohne dabei auf die Transparenz des eigenen Handelns zu achten. "Der Skandal um die Enfopol-Papiere ist nur ein Beispiel dafür, dass den Handelnden mehr Transparenz gutstände", so Bäumler. Er forderte, die Bürgerrechte parallel weiterzuentwickeln: "Alles andere ist nicht akzeptabel".