"Informationskrieg": Ukraine wirft Leiter von Ria Novosti Ukraine "Landesverrat" vor
Gestern wurden die Redaktionsbüros durchsucht und Kirill Wyschinski festgenommen, nachdem man die "Aktivitäten eines Netzwerks von Medienstrukturen unter russischer Kontrolle" aufgedeckt habe
Schon seit den Maidan-Protesten wird Russland ein "Informationskrieg" gegen die Ukraine vorgeworfen, weswegen russische Sender geschlossen und immer einmal wieder Journalisten nicht ins Land gelassen werden. Dazu wurden Aktivitäten zur Gegenpropaganda (Freiwillige an die Informationsfront) mit der Einrichtung eines "Informationsministeriums" institutionalisiert (Ukraine hat ein neues Ministerium für Informationspolitik).
Gestern hat der ukrainische Geheimdienst SBU mit der Staatsanwaltschaft der Krim nach einer Mitteilung angeblich die "Aktivitäten eines Netzwerks von Medienstrukturen unter russischer Kontrolle" aufgedeckt. Die Ermittler hätten bestätigt, dass dies das "Aggressor-Land im Rahmen des hybriden Informationskriegs gegen die Ukraine" eingesetzt habe. Die Ermittlungen seien im Gange. Die Ukraine wird damit womöglich Vorreiter für eine Repressionspolitik, mit der ausländische Medien sich nicht nur als "ausländische Agenten" registrieren müssen, wie das die USA und Russland vorgeführt haben, sondern strafrechtlich verfolgt werden.
Mit den seltsamen Worten wird beschrieben, dass die ukrainischen Sicherheitsbehörden die Redaktionsräume der russischen Nachrichtenagentur Ria Novosti Ukraine in Kiew durchsucht haben. Wenig später berichtete die SBU-Sprecherin Olena Gitlianska, dass Kirill Wyschinski (Vyshynsky), der Leiter von RIA Novosti Ukraine, festgenommen worden sei. Mehr wollte sie nicht verraten und vertröstete anfragende Journalisten auf später. Offenbar wurden seine Wohnung und sein Büro durchsucht, ihn nahm man auf der Straße fest. Auch die Wohnung der Korrespondentin Ludmila Lysenko war durchsucht worden, sie selbst aber nicht verhaftet worden.
Die Chefredakteurin von RT, Margarita Simonyan, führte das Vorgehen gegen Ria Novosti als Reaktion auf die gestrige Eröffnung der Brücke auf die Krim zurück: "Kiew nimmt Rache wegen der Krim-Brücke. Sie sind in unser Büro eingebrochen, es gibt keinen Kontakt mit den Angestellten, die Website wird nicht aktualisiert, die Telefone sind blockiert", schrieb sie gestern Vormittag auf Twitter.
Der Vize-SBU-Chef Viktor Kosonenko ließ dann am Nachmittag mitteilen, dass inländische und russische Journalisten "subversive Informationsaktivitäten" gegen die Ukraine durchgeführt hätten. 2014 sei von RT der Russe Wyschinski zum Leiter von RIA Novosti Ukraine ernannt worden. Zu der "Struktur" würden mehrere Rechtspersonen, darunter "Interselekt" gehören, die für RIA Novosti Ukraina arbeitet. Angeblich sollte mit dieser "Konstruktion" die russische Finanzierung verschleiert werden., die aber eigentlich auf der Hand liegt.
Möglicherweise wird damit darauf hingewiesen, dass die Nachrichtenagentur Ria Novosti 2013 offiziell geschlossen wurde, um zusammen mit dem Auslandsrundfunksender "Stimme Russlands" dann zu der neuen Nachrichtenagentur Rossija Sewodnja ("Russland heute", nicht zu verwechseln mit RT) zusammengeschlossen wurde, die 2014 eröffnet wurde. Die internationalen Nachrichtenportale heißen seit Ende 2015 Sputnik, die russische Version tritt weiterhin unter Ria Novosti auf.
Der ukrainische Generalstaatsanwalt Juri Luzenko spricht von Landesverrat. Die Anklage folgte kurz darauf. Man sei mit dem Vorgehen gegen Ria Novosti Ukraine in die "aktiven Phase der Bekämpfung der antiukrainischen Tätigkeit der russischen Medienstruktur" eingetreten. Man habe Beweise für diese von Ria Novosti Ukraine "gut bezahlten antiukrainischen Attacken, für die Beteiligung der Staatsbürger der Ukraine, die zugleich die russische Staatsbürgerschaft erhielten, an diesem Desinformations-Krieg".
Wyschinski soll nach der SBU im Frühjahr 2014 in die Krim gereist sein und dort im Auftrag von "Russland heute" an "Propagandakampagnen zur Unterstützung der Annexion und der Verbindung der Halbinsel mit der Russischen Föderation teilgenommen" haben. Dafür habe er auch eine Medaille "Für Verdienste um das Vaterland" erhalten, Zurück in Kiew habe er Journalisten angeleitet, Propaganda für die "Terroristenorganisationen" im Donbass zu produzieren: "Viele glauben, dass anti-ukrainische Propaganda nur in Russland oder in zeitweilig besetzten Gebieten geschaffen wird. Aber wie wir sehen, wird eine große Menge an Propagandainhalt in der Ukraine selbst veröffentlicht."
"Russland heute" habe zwischen Interselekt und einem serbischen Unternehmen einen Kooperationsvertrag zu diesem Zweck abgeschlossen. An dieses Unternehmen sei Geld von Russland überwiesen worden und dann aus Serbien auf die von Wyschninski verwalteten Konten gezahlt worden. Monatlich seien dies mindestens 53.000 Euro, vermutlich aber mehr als 100.000 Euro für "subversive Tätigkeiten" gewesen.
Kolonko erklärte weiter: "Während die Ukrainer auf den Straßen unserer Städte und Dörfer den toten ukrainischen Soldaten die Ehre erwiesen, produzierten sie mitten in Kiew Materialien, in denen sie behauptetet, dass die ukrainischen Streitkräfte angeblich Zivilisten in Donbass bombardiert und andere illegale Taten begangen hätten. Herr Wyschinski wurde regelmäßig dafür bezahlt."
Subversiv meint hier etwa verzerrte Informationen über die Ukraine oder auf "Aufrufe zur Untergrabung der Souveränität, territorialen Integrität und Unverletzlichkeit der Ukraine, des Staats und der Informationssicherheit" hin. Angeblich wurden dafür bei den Razzien viele Beweise gefunden, auch für die "illegale Tätigkeit" ukrainischer Bürger. Die Rede ist auch von einer "groß angelegten Informationsspionage in den sozialen Netzen", so der Direktor der Abteilung für Kommunikation des Ministeriums für Innere Angelegenheiten Artyom Shevchenko. So werden dann "Beeinflussungsoperationen" zu einem "Informationskrieg" und zu "Landesverrat" und "Spionage".
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