Infrastrukturgesellschaft: "Damit wird der Bundestag ein weiteres Mal entmachtet"
Interview mit dem SPD-Bundespolitiker Marco Bülow über einen Gesetzesentwurf, der die Privatisierung der Autobahnen ermöglicht
Der SPD-Bundespolitiker Marco Bülow kritisiert im Interview mit Telepolis scharf einen am Donnerstag im Bundestag beschlossenen Gesetzesentwurf, der den Weg frei macht zu einer Privatisierung der Autobahn durch die Hintertür.
Der Gesetzesentwurf, der die Schaffung einer "Infrastrukturgesellschaft" ermöglicht, hat weitreichende Folgen: Die Infrastrukturgesellschaft könne "ohne parlamentarische Kontrolle öffentlich-private Partnerschaften eingehen", so Bülow. Der direkt gewählte Abgeordnete aus Dortmund erklärt: "Kontrollrechte sind damit im Privatrecht ausgehebelt, selbst wenn der Bund Gesellschafter bleibt. Privatfirmen könnten dann Straßen bauen und die Maut kassieren."
Herr Bülow, Sie sprechen sich gegen eine Privatisierung der Autobahn aus. Warum?
Marco Bülow: Ich halte das für einen großen Fehler. Die Schaffung einer Gesellschaft privaten Rechts widerspricht meinem Grundsatz, dass die Bereitstellung öffentlicher Güter, wie der öffentlichen Verkehrsinfrastruktur, in die öffentliche Hand gehört. Auf der Ebene einzelner ÖPP-Projekte (Öffentlich-Privaten Partnerschaften) können nun Privatisierungen in großem Umfang umgesetzt werden - unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
Welche Probleme sehen Sie noch?
Marco Bülow: Mit diesem Gesetz haben erneut einzelne Lobbyinteressen den Vorzug vor dem Allgemeinwohl erhalten. Damit wird der Bundestag ein weiteres Mal entmachtet. Dies setzt den schon länger bestehenden Prozess der schleichenden Entmachtung der gewählten Volksvertreterinnen und Volksvertreter fort, bei dem immer mehr Befugnisse auf andere Ebenen übertragen werden.
Darüber hinaus wird erstmals geradezu dazu aufgerufen, dass die Sanierung und der Bau von Schulen durch ÖPP-Vorhaben umgesetzt werden. Das darf so nicht sein. Die Bereitstellung von Bildungsinfrastruktur ist elementare Aufgabe des Staates.
Nun hat der Bundestag am Donnerstag über die Schaffung einer Infrastrukturgesellschaft abgestimmt. Was ist damit gemeint?
Marco Bülow: Diese neue Gesellschaft kann ohne parlamentarische Kontrolle öffentlich-private Partnerschaften eingehen. Kontrollrechte sind damit im Privatrecht ausgehebelt, selbst wenn der Bund Gesellschafter bleibt. Privatfirmen könnten dann Straßen bauen und die Maut kassieren.
Auf der Ebene einzelner ÖPP-Projekte können nun Privatisierungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit umgesetzt werden
Also wird der Weg für eine Privatisierung der Autobahn durch die Hintertür eingeführt?
Marco Bülow:: Ja, so ist es. Diese Rechtskonstruktion bedeute bereits eine folgenschwere Privatisierung. Der Staats- und Verwaltungsrechtler Christoph Degenhart hat das in seiner Analyse noch einmal deutlich gemacht. Auf der Ebene einzelner ÖPP-Projekte können nun Privatisierungen in großem Umfang umgesetzt werden - unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Zudem ist der Begriff "wesentliche Teile" zu unkonkret, als dass damit ein wirklicher Ausschluss Privater garantiert ist. Da zudem für eine erneute Änderung eine 2/3 Mehrheit nötig ist, wird diese Entscheidung so gut wie nicht mehr umkehrbar sein.
: Sie sagen, dass durch die Entscheidung "einzelne Lobbyinteressen den Vorzug vor dem Allgemeinwohl erhalten", außerdem sprechen Sie von einem "länger bestehenden Prozess der schleichenden Entmachtung der gewählten Volksvertreterinnen und Volksvertreter ..., bei dem immer mehr Befugnisse auf andere Ebenen übertragen werden." Ist die Lage so ernst?
Marco Bülow:: Ja, ist sie. Deshalb werde ich mich weiterhin gegen die Entmachtung des Parlamentes und gegen den Ausverkauf von originären Staatsaufgaben zugunsten von Einzelinteressen zur Wehr setzen.
: Was bedeutet denn die aktuelle Weichenstellung im Hinblick auf die Maut?
Marco Bülow: Die Union wollte von Anfang an eine echte Privatisierung der Autobahnen und wird das auch weiterhin vorantreiben. Die SPD muss das unbedingt verhindern.
Die Diskussion zur Abstimmung wurde in Ihrer Partei kontrovers geführt. Warum hat sich die SPD entschieden, so abzustimmen? Was geht in Ihrer Partei vor?
Marco Bülow: Es ist gut, dass meine Fraktionskollegen lange verhandelt haben, um möglichst viele Privatisierungsschranken einzubauen. Trotzdem haben aber ca. 30 SPD-Abgeordnete gegen dieses Gesetz gestimmt, da eine Privatisierung immer noch möglich ist. Ich glaube, wir müssen auch in der SPD noch stärker darüber diskutieren, welche Auswirkungen diese Gesetze wirklich haben.