Innenansicht eines Geheimdienstes
Einst hat er für die CIA gearbeitet, jetzt ärgert sich Robert Baer nur noch über sie
Nach den Terroranschlägen des 11. September war schnell vom Versagen der CIA die Rede. Denn die Agentur hatte zwar, wie andere Geheimdienste auch, einige Hinweise auf drohende Gefahren, war aber nicht in der Lage, diese rechtzeitig zu einem entsprechenden Bild zusammenzusetzen (Geheimdienste und der Anschlag vom 11. September). Gründe dafür wurden inzwischen zahlreiche genannt. Unter dem Titel "See no evil. The true story of a ground soldier in the CIA's war against terrorism" erzählt Robert Baer, ein ehemaliger Offizier der CIA, seine Sicht der Dinge.
Tadschikistan nach dem Verfall der Sowjetunion, der Irak nach dem zweiten Golfkrieg, Bosnien, Syrien, Libanon oder Syrien: In den zwanzig Jahren, die Robert Baer für die CIA unterwegs war, war er in allen Brennpunkten des Nahen und Mittleren Ostens tätig. Vor allem aber ein Ereignis prägte die Arbeit des CIA-Agenten: Der Anschlag auf die US-amerikanische Botschaft in Beirut im April 1983, bei dem 63 Menschen, darunter 17 Amerikaner getötet wurden. Noch lange nachdem die CIA die Nachforschungen ergebnislos eingestellt hatte, versuchte Baer, Informationen darüber zu sammeln. Doch als er einen Täter ausfindig machen konnte und seiner Meinung nach handfeste Belege für dessen Tatbeteiligung lieferte, reagierte die CIA mit Desinteresse. Einer der ersten Ablehnungen, die Baer von seinem Arbeitgeber erhielt.
Der hatte sich in Baers Augen geändert, war nicht mehr wie zu den Zeiten seiner Anfänge von Männern geleitet, die selbst Erfahrungen an der Front des Kalten Krieges gesammelt hatten. Die CIA wurde zunehmend dominiert von Bürokraten, die ihre Karriere vor allem in Washington machten. Und statt der mühsamen Arbeit vor Ort, dem Rekrutieren von Agenten, dem Einschleichen in feindliche Strukturen setzte die Agentur nun vor allem auf Technik und war in ihrer Arbeit vor allem auf eine seriöse Außendarstellung bedacht. Als Baer in Nordirak einen Aufstand von Offizieren gegen Saddam Hussein mitbegleitete, musste er den Militärs die versprochene Unterstützung der USA im allerletzten Moment absagen. Ein Nervenversagen, wie Baer den Verantwortlichen bescheinigte, allen voran Anthony Lake, zu der Zeit National Security Advisor. Niemand in Washington und in Langley, Virginia, dem Sitz der Agentur, wollte sich nach Baers Überzeugung die Finger schmutzig machen. Damit aber verlor, so der ehemalige Offizier, der Geheimdienst die eigenen Kernkompetenz. Denn nachrichtendienstliche Tätigkeit bewege sich doch vor allem in Grauzonen. Lässt sich ein Geheimdienst darauf nicht mehr ein, wird er blind: "See no evil".
Für den Niedergang der CIA, wie ihn Baer vor allem aus einer Innenperspektive beschreibt, gibt es eine Reihe von äußeren Gründen. Mit dem Ende des Kalten Krieges und dem Untergang der Sowjetunion fehlten nicht nur der CIA, sondern allen westlichen Geheimdiensten, plötzlich die Existenzberechtigung. Hinzu kam, dass die CIA, vor allem in Südamerika, an einigen Aktionen beteiligt war, die weder von ihrer Aufgabenstellung noch durch politische Ziele gedeckt waren. Sie ließ sich, wie in der Iran-Contra-Affäre, auf zwielichtige Gestalten ein, die ihr eigenes Spiel mit der Agentur spielten und sie deshalb in Verruf brachten. Und sie schuf sich, wie nicht zu letzt im Falle der Mudschaheddin, die zukünftigen Feinde der USA.
Die CIA stand und steht zu Recht in der Kritik, doch für diese Außendimension seiner Arbeit hat Baer in seinem Buch keinerlei Sensorium. Dafür gibt er Einblick in die Arbeit und Ausbildung des Geheimdienstes. Natürlich zensiert, denn wie bei allen Veröffentlichungen ehemaliger Mitarbeiter musste auch Baer sein Buch der CIA vorlegen. Die entsprechenden Stellen wurden geschwärzt in den Druck aufgenommen, wohl als Beleg für die Authentizität der eigenen Aussagen, wobei Baer lange Zeiten der eigenen Tätigkeit im Zuge einer eigenen Vorzensur selbst unter den Tisch fallen ließ.
So wurde, was dem Autor zum Vorteil geraten hätte können (die profunde Innenperspektive), schnell zum Nachteil. Baer sieht sich vor allem als "Cowboy", folglich artet sein Buch über lange Strecken zum Abenteuerroman aus. Die Figur des Helden ist bekannt: der einsame Kämpfer für die Gerechtigkeit in der Welt, vor allem aber die der USA. Am Ende, das belegt sein hohes moralisches Wesen, für das ihn leider kaum jemand ehrt, muss er sich sogar gegen die eigenen Institutionen wenden. Denn der Feind steht in den eigenen Reihen, dieses klärt Baer sehr schnell und ohne größere Zweifel. Wenn wundert es da, dass Stephen Soderbergh ein Auge auf den Stoff geworfen haben soll und Baers Buch angeblich verfilmen will, mit George Clooney in der Hauptrolle.
Robert Baer. See no evil. The true story of a ground soldier in the CIA's war against terrorism. Crown Publishers), New York, NY.