Innenausschuss berät über direkte Demokratie auf Bundesebene

Nach der Äußerung Seehofers zugunsten "fakultativer Volksabstimmungen" könnte Bewegung in die vorher festgefahrene Debatte kommen

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Heute findet im Innenausschuss des Bundestages eine Debatte über mehrere Gesetzentwürfe zur Einführung von Elementen direkter Demokratie auf Bundesebene statt. Die Anträge stammen aus den Reihen der Oppositionsparteien FDP, Grüne und Linke – ein Szenario, bei dem der Ausgang einer Debatte im Allgemeinen bereits vorher feststeht. Weil sich jedoch der neue CSU-Chef Seehofer Anfang Januar deutlich offener für direktdemokratische Elemente zeigte als sein Vorgänger, könnten dieses Mal Überraschungen nicht ganz ausgeschlossen sein. Hinzu kommt, dass die Nachbesetzung des Wirtschaftsministeriums mit dem Juristen Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg einen "Schwesternkrieg" zwischen CDU und CSU auslöste, der bei den CSU-Abgeordneten den Willen zum Einnehmen einer eigenen Position verstärken könnte.

Die deutlichsten Worte der Ablehnung von Volksbegehren und -entscheiden auf Bundesebene kamen bisher aus der CDU. Komplizierter ist die Lage bei der SPD. Sie lehnt Volksentscheide auf Bundesebene zwar nicht kategorisch ab, hält dafür aber eine Klarstellung im Grundgesetz für notwendig, obwohl Artikel 20 bereits regelt, dass das Volk die Staatsgewalt nicht nur in Wahlen, sondern auch in Abstimmungen ausübt. Diese Haltung führte 2002 dazu, dass die Partei im Bundestag zusammen mit den Grünen einen Antrag für eine solche Verfassungsergänzung einbrachte, der jedoch aufgrund der dafür notwendigen Zweidrittelmehrheitsanforderung vorhersehbar an den Abgeordneten der Union scheiterte.

Nachdem die Wahlen von 2005 die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag zu ihren Ungunsten änderten, brachten die Grünen den Gesetzentwurf in leicht veränderter Form erneut zur Abstimmung, in der er erwartungsgemäß wieder scheiterte. Ebenso erging es einem 2006 vorgelegten Entwurf der Linken, der sich relativ nahe am Vorschlag der Bürgerinitiative Mehr Demokratie bewegte. Die beurteilte ihn entsprechend wohlwollend, während sie einen dritten Vorstoß der FDP als "etwas umständlicheres und restriktiveres Verfahren" kritisierte.

Von den insgesamt 13 Unionsabgeordneten im Innenausschuss gehören derzeit drei der CSU an: Hans-Peter Uhl, Alois Karl und Stephan Mayer. Wie sie sich heute positionieren werden, gilt auch als Signal für oder gegen Seehofer. Sprechen sie sich – wenn auch nur vorsichtig - für mehr direkte Demokratie aus, dann dürfte dies als Loyalitätsbekenntnis für den Parteichef gelten. Stimmen sie dagegen mit den CDU-Abgeordneten in den Chor der Ablehnung ein, dann kann dies auch deshalb als Kritik am Vorsitzenden gewertet werden, weil es gerade CDU-Abgeordnete waren, die in den letzten Tagen teilweise sehr scharfe Kritik an Seehofer und Guttenberg äußerten.

So meinte beispielsweise Otto Bernhardt, der finanzpolitische Sprecher der Union im Bundestag, gegenüber der Bildzeitung, die Ernennung Guttenbergs zeige, "dass es um die Wirtschaftskompetenz der Union schlecht bestellt" sei: "Uns fehlen", so Bernhardt, "die jungen Politiker mit wirtschaftspolitischer Ausstrahlung, wie sie ein Friedrich Merz hat". Der CDU-Abgeordnete Andreas Lämmel kritisierte nicht nur, dass sich Guttenberg bisher vor allem mit Außenpolitik beschäftigte, sondern sprach auch von einer durch den "unwürdigen" Abgang des alten Wirtschaftsministers hervorgerufenen "Beschädigung" Seehofers.