Intelligentes Minennetzwerk
Für die Forschungsabteilung des Pentagon wird ein sich selbst wiederherstellendes Minenfeld entwickelt
Seit jeher war die überbordende militärische Fantasie ein wesentlicher Motor des technischen Fortschritts. Das natürlich auch deswegen, weil in Sicherheit und Überlegenheit in aller Regel viel Geld fließt. Auch mit dem ausgerufenen Krieg gegen den Terrorismus werden in den USA, die auch in Zeiten des asymmetrischen Krieges sich von keiner anderen Macht überholen lassen wollen, eine Menge an mehr oder weniger unsinnigen und/oder bedenklichen Projekten wie das Total Information Awareness System (Weltweites Schnüffelsystem), die Entwicklung eines selbstbewussten KI-Systems (Denn sie sollen wissen, was sie tun) oder zahlreichen Robotertypen (Wird Bagdad von Robotern erobert?) und künftigen Kampfsystemen (Minen-Bienen und Rettungs-Ratten) entwickelt. Darunter auch ein "sich selbst wiederherstellendes Minenfeld".
Das geplante Netzwerk mit dem schönen Namen Self-Healing Minefield ist für Panzerabwehrminen gedacht. Es wird denn auch von der DARPA besonders betont, dass es nicht um Antipersonenminen (AP-Minen) handelt, die nach dem Ottawa-Abkommen verpönt sind. Zwar haben die USA das Abkommen nicht unterzeichnet, aber auch Antifahrzeugminen müssen für Menschen natürlich nicht viel harmloser sein. Anstatt wie bislang oft üblich ein Panzerabwehr-Minenfeld zusätzlich durch AP-Minen zu sichern, soll das neue System intelligente und bewegliche Minen verwenden, die sich gegen jedes Vorgehen der Feinde, gleich ob mit Fahrzeugen oder nicht, automatisch zur Wehr setzen können.
Schon nächstes Frühjahr sollen auf einem Hektar mindestens 50 Minen vorführen, zu was sie in der Lage sind, um ein bislang statisches Hindernis im Raum, zu einem dynamischen und intelligenten Hindernis zu machen, das sich nach jeder Störung selbst wieder neu organisiert. Die Minen als intelligente Knoten müssen dabei als eine Art Roboter fungieren. Sie sollen autonom einen Angriff erkennen und innerhalb von 10 Sekunden auf Veränderungen im gesamten Netzwerk reagieren. Daher müssen sie ein Kommunikationsnetz bilden, das ohne Rückgriff auf das GPS sich schnell selbst und alle Knoten mit einer Genauigkeit von einem Meter lokalisieren kann - und natürlich Ausfälle von Knoten toleriert.
Werden vom Feind Minen entfernt oder gehen sie hoch, so ist die Idee, dass das Netzwerk die entstehenden Löcher bemerkt und durch Verlagerung von Minen die Lücken wieder auffüllt. Neben der kompakten Kommunikation sollen die Minen möglichst unter allen Umwelt- und Bodenbedingungen sich bewegen können, wenn dies auch für Panzer möglich ist. Gedacht ist der Einsatz auch in urbanen Umgebungen, dem nach allen strategischen Konzepten künftig noch wichtiger werdenden Kriegsschauplatz. Dazu sollen die Minen sich hüpfend in einem "kompakten multi-hopping System" in einer oder zwei Richtungen fortbewegen. Gelungen ist offenbar bereits, dass sich Minen bis zu 10 Meter in einem komplexen Gelände zielgerichtet nach einer Störung zu einem neuen Muster gruppiert haben.
Das sich selbst wiederherstellende Minenfeldsystem soll auch wiederholten Angriffen Widerstand leisten. Feinde sollen so wesentlich mehr Zeit aufbringen müssen, um das Minenfeld zu räumen, oder seien gezwungen, das Feld weiträumig zu umgehen. In beiden Fällen wäre der abgebremste Feind dem Beschuss stärker ausgesetzt.
Schön wäre natürlich auch, wenn solche Minenfelder nicht nur ausgelegt werden und sich dann selbst umgruppieren, sondern wenn sie sich nach dem Einsatz auf Befehl auch entschärfen und einsammeln lassen könnten - oder gar selbst auf einen Haufen hopsen. Aber eine solche Entschärfungsoption von Waffen interessiert Militärs eher nicht - und der Rüstungsindustrie ist es wohl auch lieber, nicht wiederverwertbare Minen herzustellen, dafür aber gleichzeitig neben den Minen auch extra noch Mittel wie Roboter für die Beseitigung ihrer gefährlichen Produkte liefern zu können. Damit verdient man dann drei Mal ... Intelligent wären die Minenfelder womöglich aber erst dann, wenn sie auch im Einsatz bewaffnete Feinde von Zivilisten unterscheiden könnten.
Auch wenn durch das Verbot von Antipersonen-Landminen wahrscheinlich die Zahl der jährlich getöteten Menschen von einst durchschnittlich 26.000 auf 15.000 bis 20.000 zurückgegangen ist und Mitgliedsstaaten des Abkommen AP-Landminen zerstören, so sind noch immer 90 Länder der Erde mehr oder minder stark minenverseucht. Nach dem letzten Bericht der International Campagin to Ban Landmines (ICBL) haben Indien und Pakistan im Zuge ihres Konflikts seit Dezember 2001 wieder in einer der wohl weltweit größten Aktion zahlreiche Antipersonenminen entlang der gemeinsamen Grenze ausgelegt. Die meisten Opfer durch Landminen gab es in Afghanistan, Tschetschenien, Kambodscha, Angola, Indien und Nordirak. In mindesten 14 Ländern wurden Antipersonenminen auch von Oppositionsgruppen gelegt. Und auch wenn Antipanzerminen nicht mit AP-Minen gesichert werden, so können sie militärische Fahrzeuge nicht von zivilen unterscheiden und bleiben, solange sie ausgelegt sind, schlicht eine gefährliche Barriere auf lange Zeit.