Wird Bagdad von Robotern erobert?

Das Future Combat System

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Saddam und seine Freunde können sich bei Newsweek über The Future of War schlau machen. Jetzt, wo es dem Endkampf zugeht, soll noch einmal gezeigt werden, was sich die US Militärs in ihren Schmieden ausgedacht haben, nämlich ferngesteuerte Automaten mit einem gewissen Maß an eigener (artifizieller) Intelligenz.

Die Idee, dass George W.Bush und Saddam Hussein den amerikanisch-irakischen Feldzug im Zweikampf ausmachen, bleibt ein Traum. Weil die Gegend etwas Biblisches hat, stellt sich die Frage "Steht Goliath gegen David?" Im Irak wird der Feind der übermächtigen Kriegsmaschinerie List und Tücke entgegensetzen, und im Bewusstsein um den heiligen Krieg hat er genügend Motive, um das selbstvernichtende suizidale Element auszuspielen. "800-900 tote US-Soldaten täglich allein im Straßenkampf von Bagdad," prophezeite Senator Kennedy. Folglich werden die US Militärs zwischen dem die Zivilbevölkerung verachtenden Bombenteppich a la Dresden und dem Risiko verlustreicher Einzelkämpfe auf jeder noch so kleinen Straße wählen müssen. Warum fürchten die Generäle keine Parallelen zu den russischen Verlusten in Tschetschenien? Die Amerikaner verlassen sich unbeirrt auf ihr technisches Gerät, vielleicht auch, weil dessen Fähigkeit im Feld erst noch bewiesen werden muss.

Die Plattform ist ein All Terrain Vehicle, bedarfsweise mit Allradantrieb, hier übermütig schwungvoll.

Die "Robotics" sind weder menschenähnlich, noch können sie menschliche Fähigkeiten ersetzen. Auf den Punkt gebracht handelt es sich um Fahrzeuge, die ferngesteuert werden. "Das Future Combat System (FCS)," so beschreibt es ein Experte, "muss der Armee geben was die Luftwaffe schon besitzt, nämlich zusätzliche Mobilität." Kraftvoll, wirksam und zukunftsträchtig soll das möglichst multifunktionelle Werkzeug sein.

Das "Tank-automotive and Armaments Command" (TACOM) in Warren, Mich. nennt es einen "Robotic Follower", frei übersetzt Spürhund, der den bemannten Kräften folgt und die unangenehmen und gefährlichen Aufgaben übernimmt, oder auch bloß nach hinten sichert. "Der Robotik Follower ist semi-autonom: er bekommt das Ziel übermittelt und folgt danach seiner Route. Allerdings erkennt er unpassierbare Wege und sucht selbstätig nach dem gangbaren Umweg. Er besieht das Gelände mittels Laser-Radar und benutzt das Global Positioning System für die eigene Standortbestimmung," erklärt Curt Adams, einer der Direktoren am Vetronics Lab von TACOM, wobei Vetronics die Kurzform für vehicular electronics ist.

Der Spürhund bleibt an der elektronischen Leine, weil Soldaten zu Fuß oder auf den üblichen Fahrzeugen die globale Übersicht behalten. Im vergangenen Jahr demonstrierte TACOM, dass der Soldat die aktuelle Generation der Follower bis zu einer Entfernung von 500 Metern dirigieren kann. Auf festen Straßen schafft das Vehikel bis zu 30 km/h, und im Gelände noch 15 km/h. Höhenunterschiede bis zu 2 Metern werden überwunden, und Löcher bis zu einem Meter Tiefe durchquert. Für off-road geübte Amerikaner und Kanadier eher unterer Standard, weil das Basisfahrzeug zur Lebensfreude gehört: ATV, All Terrain Vehicles, heißen die in der Grundversion bis zu 10.000 Dollar teueren Freizeitmobile, die u.a. von Suzuki, Yamaha, Honda, oder Bombardier gebaut werden. Bemannt sind sie im zivilen Leben wahre Flitzer und schwer zu bändigen. Wegen der Unfallträchtigkeit haben sie bereits die Innenpolitiker auf den Plan gerufen. Ferngesteuert, so lässt das Bild aus einem Movie erkennen, braucht es mitunter des starken Mannes, um das gestrauchelte Gefährt wieder auf seine Räder zu wuchten.

Da fällt es um, weil eine Bodenwelle nach dem Hügel den schwungvollen Anlauf aus der Bahn gebracht hat

Das Bild vom GI auf dem Pferd mit dem Laptop im Sattel kam symbolträchtig aus Afghanistan als Zeichen für die Verquickung von Tradition und Moderne. Die Entfernung von der Front und die Kollegen in der Luft machten diesen Aufzug möglich. Ganz anders die feindliche Wüste. Dort bliebe die Zielscheibe nicht lange unangetastet. So ist der Follower im Irak die große Hoffnung: vollgespickt mit Elektronik, ist er nicht nur Leitstand für Bombenabwürfe. Der Follower kann vorgeschickt werden, um Giftgas aufzuspüren oder Minen zu orten und fern zu zünden. Selbst als Chassis für zwei Mann bleibt er unter der Höhe eines Jeeps. Die "zukünftige" Kriegsführung setzt letztlich auf ein uraltes Prinzip, nämlich zahlreiche, lose miteinander verbundene und höchst mobile Gruppen. Im Unterschied zu den Reitervölkern oder Rommels Panzern "sind die modernen Krieger ausgestattet mit indirekten Sichtgeräten, Spracherkennung, 3D-Audio, dem speziellen Interface und einem Helm mit eingebautem Panorama-Monitor. Mit dieser Technik können sie sogar weitere Follower zum Ziel bringen," schwärmt Curt Adams. Der Erfolg ist millionenfach bewährt, so sehen es die US Militärs. Sie setzen nicht auf innovative Neuentwicklungen, sondern intelligent zusammengestellte Ensembles bewährter Konsumindustrie. Die Grafikkarte GeoForce 4 von nVidia gehört dazu sowie die XBox, die mit militärischer Logik aufgefüllt ist.

Der Drache für den Wüsteneinsatz: flach und zäh am Boden klebend

Andere Chassis krabbeln auf Walzen oder 6-8 Rädern durchs Gelände. Größer, stabiler, schneller und mit noch mehr Technik. Im besten Fall sitzt der Brigadegeneral auf acht unabhängigen Einzelbordcomputern, die durch Router miteinander verbunden sind und sich wegen ihrer unterschiedlichen Sprachen (reines Unix, Linux und Windows) zusammenraufen dürfen. "Die Multiprozessor Einheit ist ein vollständiges Tactical Operations Center," betont Chris Marzilli, ein Ingenieur von General Dynamics Land Systems in Muskegon, Mich. voller Stolz. "Im Hummer hat es sich bewährt, in Hubschraubern und auf See." Erschütterungen, heiße Sonne und kalte Nächte scheinen den Geräten nichts auszumachen, ebensowenig die Probleme jedes Laptopers, nämlich die autarke Stromversorgung.

Leitsystem und Kontrolle am Computerschirm, solange die Technik funktioniert.

Klein und leicht sind die Robotics, weil ohne Panzer. Dennoch sei die Verwundbarkeit gering. Das elektronische Schutzsystem erkennt gar handgefeuerte Raketen und leitet Gegenmaßnahmen ein. Die sind entweder "soft", weil sie elektronische Störvorgänge in Gang setzen, oder "hard", wenn irgendwoher eine Gegenrakete herbeigezaubert wird. Hoffentlich verwenden die Piloten in der Luft kein hitzegesteuertes Leitsystem für ihre Raketen; denn im zivilen Leben werden sie "heiß", die Motoren in den All Terrain Vehicles, und das gäbe womöglich viele kleine "friendly fire".

Ob die Amerikaner von den Irakis gelernt haben? Es ist nicht lange her, dass die US Militärs auf Saddam Hussein neidisch waren, weil er die ersten 4000 elektronische Spielkonsolen von Sony erfolgreich in sein Land schmuggeln konnte. "Die Auflösung der Grafikkarten in unseren Computern kommt an die Schärfe dieser Geräte nicht heran," kam damals aus berufenen Munde. Die New York Times wusste kürzlich zu berichten, dass flugabwehrerprobte Serben nach der Schlacht um Jugoslawien reich an praktischen Erfahrungen in den Irak abgewandert sind. So steht zu vermuten, dass der Feind nicht unvorbereitet ist. Im Unterschied zu den offenherzigen US Bürgern stellt der allerdings die Bilder seiner Armada nicht ins Web.

Auch lösen weder Elektronik noch Robotics das Problem der Scharfschützen in Bagdad und auch nicht das der Suizidbomber. Die Überzeugung "wir haben die bessere Technik," setzt auf die Materialüberlegenheit und übersieht zweierlei: das Unvorhersehbare, weil Not erfinderisch macht, und das Unwägbare, das in der Persönlichkeit der Kombatanten liegt. Das wurde in biblischer Zeit dem Goliath zum Verhängnis. Seitdem gibt es in der Weltgeschichte eine lange Kette von ähnlichen Ereignissen. Nur eines ist sicher: Leid tragen die Versuchspersonen und ihre Familien.

(Abbildungen von Sandia Corporation, eine Lockheed Martin Company, für das United States Department of Energy unter Kontrakt DE-AC04-94AL85000)