Internationalisierung des katalanischen Konflikts

Bürgermeister, auf die sich der Prozess nun stützen muss. Foto: Ralf Streck

Die Reise von Puigdemont und Regierungsmitgliedern nach Belgien und die Zwangswahlen am 21. Dezember stehen mit dem "Konstituierenden Prozess" nun im Vordergrund

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Ist die katalanische Regierung nach Belgien geflohen, wie allseits berichtet wird? Wird es am 21. Dezember aus Spanien diktierte Wahlen in Katalonien geben (können)? Wie wird der Unabhängigkeitsprozess weitergehen und wie wird "Konstituierende Prozess" zum Aufbau der Republik nun vorangehen? All das sind Fragen, die sich derzeit auch viele Katalanen stellen, die für die Unabhängigkeit sind und die Verkündung der katalanischen Republik am vergangenen Freitag gefeiert haben.

Der katalanische Vizepräsident Oriol Junqueras hatte es schon am Wochenende angekündigt, dass eine schwierige Zeit bevorstehe. Es könne zu Momenten "des Zweifelns, der Ungewissheit und der Widersprüche zwischen dem kommen, was wir wollen und dem Weg, den wir auswählen". Er fügte in dem Beitrag für die Zeitung El Punt Avui auch an: "In den nächsten Tagen werden wir Entscheidungen treffen müssen, die nicht immer leicht zu verstehen sein werden."

Allerdings erklärte er auch, dass man "keine andere Option" habe, als "vorwärts zu gehen und dabei Kräfte zu vereinen". Das sagte er mit einem klaren Blick auf Podem, die katalanische Sektion von Podemos ("Wir können es"), und dem anlaufenden "Konstituierenden Prozess", an dem Podem teilnehmen will, wie die Generalkoordinatorin gegenüber Telepolis erklärte (siehe unten).

"Wir sind nicht gekommen, um Asyl zu beantragen"

Tatsächlich war es zunächst für viele nicht leicht zu verstehen, dass die Regierungschefs Carles Puigdemont und sieben Minister nun nach Belgien gereist sind. Dass der katalanische Präsident geflohen sein soll, hatte schon zuvor sein belgischer Anwalt Paul Bekaert dementiert, Spezialist für Menschenrechtsfragen und Auslieferungsverfahren.

Über eine Flucht nach Belgien war spekuliert worden, weil ihm und den in Spanien verfolgten Katalanen in Spanien absurde Anklagen wegen Rebellion drohen und der belgische Staatssekretär für Immigration verfolgten Katalanen politisches Asyl angeboten hatte.

"Wir sind nicht gekommen, um Asyl zu beantragen", erklärte Puigdemont aber eindeutig am Dienstagmittag auf einer Pressekonferenz in einem völlig überfüllten Presseclub in der Hauptstadt Brüssel. Alle Journalisten waren sich einig, dass sie einen derartigen Andrang noch nicht erlebt haben: "Wir sind europäische Bürger mit Freizügigkeit und wir verstecken uns vor nichts", erklärte Puigdemont auch für seine sieben anwesenden Minister.

Es handele sich um die "legitime Regierung Kataloniens" und die habe entschieden, vier Bereiche prioritär zu behandeln. "Wir sind als ein Teil der Regierung nach Brüssel gekommen, um im Herzen Europas das katalanische Problem deutlich zu machen." Ein anderer Teil sei in Katalonien geblieben, um dort als "legitime Regierungsvertreter Politik zu machen".

"Die demokratische Herausforderung der Wahlen wird angenommen"

Unterstützt würden als drittes Element alle Initiativen, die sich gegen die Anwendung des Paragraphen 155 und die Zerstörung der katalanischen Institutionen richteten, mit denen die rechte Regierung von Mariano Rajoy Puigdemonts Regierung am Freitag für abgesetzt erklärt, das Parlament für aufgelöst erklärt hatte und nun aus Madrid in Katalonien durchregieren will, dabei baut Rajoys Volkspartei (PP) nur auf gut 8% der Stimmen in Katalonien. In Gang gesetzt wurde der Verfassungsparagraph schon, bevor die Republik ausgerufen wurde, weshalb namhafte Juristen an der Legalität des spanischen Vorgehens zweifeln.

Aufgeklärt wurde die Frage nun weitgehend, was der große Teil der Unabhängigkeitsbewegung bei den von Spanien angesetzten Zwangswahlen am 21. Dezember tun wird. Puigdemont erklärte: "Als vierten Punkt nehmen wir die demokratische Herausforderung der Wahlen an, denn demokratische Herausforderungen ängstigen uns nicht." Man werde das Ergebnis von freien Wahlen anerkennen, machte der Regierungschef klar und stellte die Frage an Spanien: "Wird der Staat die Ergebnisse, wie auch immer sie ausfallen respektieren?"

Diese Vorstellungen werden auch von der sozialistischen Republikanischen Linken (ERC) getragen. Noch nicht geklärt ist, wie sich die linksradikale CUP zu den Wahlen stellen wird. Sie ist aber damit einverstanden, dass ein Teil der Regierung nun in Brüssel internationale Politik macht. Ob Spanien es respektieren wird, wenn die Unabhängigkeitsbewegung sogar noch bessere Ergebnisse einfährt wie 2015 - was absehbar ist -, daran hat die katalanische Regierung ihre Zweifel. Man darf auch daran zweifeln, ob es überhaupt freie und faire Wahlen im Dezember in Katalonien geben wird.

Die "Macht der Gewalt"

Sie werden in einer Atmosphäre der Repression stattfinden, in der zahlreiche Politiker verfolgt und angeklagt werden und längst in Hinterzimmern über Parteiverbote nachgedacht wird, wie man sie aus dem Baskenland längst kennt.

"Wir stehen einem Staat gegenüber, der nur auf die Macht der Gewalt setzt", sprach Puigdemont auch das brutale Vorgehen spanischer Sicherheitskräfte beim Referendum am 1. Oktober an. Er forderte in Brüssel nun Europa zum Handeln auf. "Es handelt sich im Fall von Europa um die Werte, auf denen Europa basiert."

Schiffe in Barcelona zur Unterbringung der spanischen Sicherheits. Im Vordergrund das Schiff für die Nationalpolizei, im Hintergrund, das "Comicschiff" für die Guardia Civil. Foto: Ralf Streck

Man darf gespannt sein, wie Europa reagiert. Klar ist aber, dass es erneut ein geschickter Schachzug ist, den Konflikt nun mit dem Vorgehen auf die europäische Tagesordnung zu ziehen. In Belgien hat das Vorgehen schon für massiven Wirbel gesorgt und man hat es schließlich mit einem Land zu tun, in dem es von Seiten der Flamen längst ebenfalls massive Unabhängigkeitsbestrebungen gibt.

Spanien müsste nun einen europäischen Haftbefehl gegen Puigdemont und die Minister beantragen. Doch die werden in Belgien, anders als sonst in der EU üblich, auch vernünftig geprüft.

Vorwurf der "Rebellion und des Aufruhrs"

Eine Auslieferung könnte in Belgien zu einer Regierungskrise führen, sollte die Regierung dem Druck aus Madrid nachgeben, wie man es zuletzt in der Schweiz gesehen hat. Die hat sich mit ihrem Vorgehen aber massiv blamiert.

Die enormen Widersprüche in der Katalonienfrage haben sich in der belgischen Regierung längst gezeigt. So versuchte der wallonische Ministerpräsident Charles Michel seinen flämischen Staatssekretär Theo Francken in die Schranken zu weisen, der den Katalanen Asyl angeboten hatte.

Tatsächlich dreht sich in Spanien wie erwartet das Repressionskarussell. Der Oberste Gerichtshof hat schon die Anklage gegen die Gerichtspräsidentin Carme Forcadell und die Mitglieder ihres Präsidiums wegen "Rebellion, Aufruhr" und anderer Delikte zugelassen. Das Ministerium für Staatsanwaltschaft bedroht auch die Mitglieder der katalanischen Regierung mit bis zu 30 Jahren Haft.

Zwar ist schon der Vorwurf des Aufruhrs absurd, da der stets im Zusammenhang von gewaltsamen Vorgängen erhoben wird, doch noch absurder ist dies für Rebellion, da in dem entsprechenden Gesetz von einer "öffentlichen und gewaltsamen Erhebung" gesprochen wird.

Es sagt erneut einiges über die schwache bis fehlende Gewaltenteilung in Spanien aus, dass solche Anklagen überhaupt zugelassen werden. Es bestätigt Kritiker wie den Flamen Francken in seiner Einschätzung, dass Puigdemont und seine Minister in Spanien wohl kaum einen fairen Prozess erwarten können.

Der katalanische Regierungschef hatte dazu erklärt, er sei in Belgien, "um in Freiheit und Sicherheit" arbeiten zu können. "Wenn ein fairer Prozess mit Gewaltenteilung garantiert wäre, würden wir sofort zurückkehren", merkte er an und ließ auf Nachfragen offen, wie lange man gedenkt in Brüssel zu bleiben.

Generalstaatsanwalt: "Einschüchterung durch eine Masse"

Liest man sich die Begründung des Generalstaatsanwalts durch, der von der Regierung eingesetzt wurde, dann stellt man fest, wie er schwammig und wortreich versucht, eine Situation der Gewalt herbei zu reden.

Angeführt wird dabei von Generalstaatsanwalt José Manuel Maza das "illegale Referendum und der Ungehorsam gegen Gerichtsbeschlüsse". Zur Durchführung habe es "Einschüchterung durch eine Masse gegeben, welche die Handlungen der Sicherheitskräfte unterbunden" habe.

Nach der Lesart ist es also eine gewaltsame Erhebung, wenn man mit passivem Widerstand und mit seinem Körper Wahlurnen und Wahllokale vor prügelnden und mit verbotenen Gummigeschossen vorgehenden maskierten Sicherheitskräften schützt, die nicht einmal einen richterlichen Befehl vorgezeigt haben.

Das brutale Vorgehen der paramilitärischen Guardia Civil und der Nationalpolizei ist von unabhängigen internationalen Experten und Beobachtern belegt, die schockiert von einer "militärähnlichen Operation" sprechen.

Dass die prügelnden Einheit auf "Widerstand" friedlicher Menschen an den Türen zu den Wahllokalen gestoßen sind, zählt Maza in 39 Fällen auf und spricht von "Gewaltepisoden". Doch die gingen von spanischen Truppen aus.

Angesichts von derart hanebüchenen Argumentationen, die aber dazu führen können, dass Politiker wie Puigdemont für viele Jahre hinter Gittern verschwinden, bevor der europäische Gerichtshof für Menschenrechte nach vielen Jahren einschreitet, ist zu verstehen, dass sich die Katalanen zu einer Exilregierung entschlossen haben, um weiter politisch handlungsfähig zu sein.

Der Aufbau der Republik soll von unten gegen die Repression aus Spanien durchgesetzt werden

Dass der Aufbau der katalanischen Republik langwierig wird und mit starkem zivilen und gewaltfreien Ungehorsam gegen die spanische Repression durchgekämpft werden muss, ist eigentlich allen klar. Der "organisierten Bevölkerung" und der Basis der Unabhängigkeitsbewegung in Stadtteilen und Dörfern kommt eine entscheidende Rolle bei der Aufgabe zu, "die Republik zu verteidigen".

Das ist seit ihrer Ausrufung am Freitag der zentrale Slogan. Katalonien befand sich in einem Wochenende im scheinbarem Normalzustand, an dem sich mit Ausnahme von Neonazi-Übergriffen bei einer Unionisten-Demonstration in Barcelona wenig ereignete.

Doch das Auge des Sturms ist vorübergezogen und wie erwartet ist der Sturm mit den Anklagen am Montag losgebrochen, sekundiert von neuen Durchsuchungen der paramilitärischen Guardia Civil bei der Regionalpolizei Mossos d'Esquadra.

Der "Konstituierende Prozess"

Aber die Repression und die Tatsache, dass sich Puigdemont und diverse Minister im Ausland befinden, darf nicht davon ablenken, dass nun in Katalonien der "Konstituierende Prozess" in Gang gesetzt werden muss. Den beiden Wörtern, die bisher nur eine diffuse Vorstellung ausgedrückt hatten, kommt nun die Forderung nach dringlicher Umsetzung zu.

Denn im zweiten Beschluss vom vergangenen Freitag, als die Unabhängigkeit im katalanischen Parlament beschlossen wurde, ist auch die Einleitung des Prozesses festgelegt worden. Die katalanische Regierung müsse "sofort die nötigen Ressourcen und zur Verfügung stehenden materiellen Mittel zur Verfügung zu stellen", um dies umzusetzen. In 15 Tagen soll sich ein Beratungsgremium, der eine allein unterstützende Rolle spielen soll.

Bestimmend sein soll darin die "organisierte Zivilgesellschaft" und die Gemeinden sollen die Debatten fördern. In nur einem Monat, so ist es festgelegt, soll sich eine Plattform aus Teilnehmern der Zivilgesellschaft bilden. Der "Nationale Pakt für den Konstituierenden Prozess" soll dann bis zum 27. April 2018 Ergebnisse auf den Tisch legen, um konstituierende Wahlen in der katalanischen Republik abzuhalten.

Die Verwurzelung in der sozialen Frage und der breite Teilnahme der Bevölkerung an dem Prozess soll den großen Unterschied der katalanischen Republik zur Carta Magna der spanischen Monarchie bilden. Im Parlamentsbeschluss heißt es, dass der Prozess, "demokratisch, basierend auf der Bevölkerung und unter deren Beteiligung, transversal verlaufend und verbindlich" sein müsse.

Es handele sich um die Chance, die "aktuellen demokratischen und sozialen Defizite in einer katalanischen Republik zu beseitigen", um zu einer "stärker prosperierenden, gerechteren, sichereren, nachhaltigeren und solidarischeren Gesellschaft zu kommen".

Der Unterschied zur spanischen Verfassung von 1978

Der Unterschied zur 1978 von den wenigen sogenannten "Vätern der Verfassung" ausgearbeiteten spanischen Verfassung ist damit sehr deutlich. Zu deren Schreibern gehörte auch der politische Ziehvater von Mariano Rajoy. Manuel Fraga Iribarne hatte sich vom Minister der Franco-Diktatur plötzlich, nachdem der die Monarchie restauriert und den König zum Nachfolger ernannt hatte, zum Demokraten gewandelt.

Dieser Faschist durfte sich an der Ausarbeitung der Verfassung beteiligen, die geheim in Hinterzimmern und vor dem Säbelrasseln der Militärs verfasst wurde, die dann 1981 doch noch einmal einen Putschversuch unternommen haben. Man muss sich das einmal für Deutschland vorstellen, wenn Mitglieder der Hitler-Diktatur unsere Verfassung hätten mit ausarbeiten dürfen. Somit wird vielleicht klar, warum man in Spanien darin kein Notwehrrecht findet, aber solch schwammige Paragraphen wie den 155.

Zwar muss sich das katalanische Modell selbst erst noch erschaffen, doch wurden verschiedene Verfassungsreformen mit Bürgerbeteiligung weltweit der letzten Jahre im Detail studiert, wie in Irland, Island, Bolivien, Ecuador, Chile oder auch in Schottland, wo der Prozess nach dem Nein beim Referendum zunächst ausgesetzt wurde.

Einer derer, die daran beteiligt waren, ist der Politologe der Universität Pompeu Fabra. Für Jaume López ist es undenkbar, dass "im 21. Jahrhundert Verfassungen in Hinterzimmern verfasst oder reformiert werden". Und für den dritten Mann in der katalanischen Regierung ist das ebenfalls die Maxime: Für Außenminister Raül Romeva können in wahren Demokratien solche Vorgänge "nicht vertikal und von oben dirigiert" werden. Sie müssten stattdessen "horizontal und partizipativ" sein.

Die Bürgermeister: Ein Machtvakuum verhindern

Da die katalanische Regierung nach dem Einsatz des 155 nur noch begrenzt handlungsfähig ist, kommt der "Versammlung der Gewählten in Katalonien" (AECAT) eine zentrale Rolle zu. Über diese zu schaffende Institution soll ein Machtvakuum verhindert werden.

Bisher haben sich mehr als 4.000 Stadtverordnete, Bürgermeister, Parlamentarier verschiedenster Parlamente, bis ins Europaparlament eingeschrieben, um sich an AECAT zu beteiligen. Die ausstehende Konstituierung wird sich durch die Vorgänge der letzten Stunden beschleunigen.

Wie schon bisher kommt der basisdemokratisch und gut organisierten linksradikalen CUP in dem Prozess eine ganz besondere Rolle zu. Der CUP-Bürgermeister der Gemeinde Argentona und Vizepräsident der Gemeindeversammlung für die Unabhängigkeit (AMI) meint, es gäbe eine "unumstößliche Verpflichtung" der gewählten Vertreter gegenüber der eigenen Regierung und der Republik.

Doch Eudald Calvo macht keine falschen Hoffnungen. Deshalb sieht er in AECAT eine Struktur, mit der "vorangeschritten" werde, "auch wenn die Regierung der Republik verhaftet wird". Dann müsse die Verantwortung "auf die Volkssouveränität" übergehen.

Die Gemeinden hätten längst eine bedeutsame Rolle gespielt, wie das Referendum gezeigt habe, erklärt er. "Ohne die Gemeinden ist nichts zu machen", erklärt er im Hinblick auf die geplanten Neuwahlen am 21. Dezember. Calvo ist klar, dass Spanien über seine Sicherheitskräfte zwar weiter das Land kontrolliert, "aber nicht die Gemeinden und das ist ein Vorteil für die Republik".

Bisher hat die CUP eigentlich angekündigt, sich an den Wahlen nicht mehr zu beteiligen, doch dürfte diese Position kaum haltbar sein, will die Unabhängigkeitsbewegung im Dezember siegen.

Doch man könnte den Spieß umdrehen, wenn freie und faire Wahlen nicht möglich sind und Parteien verboten werden. Man könnte dann dem Staat zeigen, der ja nicht einmal das Referendum in Katalonien verhindern konnte, dass er auch nicht fähig ist, Wahlen durchzuführen.

Debattiert werden dafür auch massivere Kampfformen, wie ein Generalstreik, mit dem schon am 3. Oktober das Land als Antwort auf die Gewalt beim Referendum das Land lahmgelegt wurde.

Katalanische Sektion "Podem": Gegen die einseitige Unabhängigkeitserklärung, für das Selbstbestimmungsrecht

Positiv, und das hatte der Vizepremier Junqueras angesprochen, will man aber Menschen für den Prozess hinzugewinnen. So richtet sich der Konstituierende Prozess auch an die, die wie die spanische Linkspartei Podemos gegen die Unabhängigkeit sind.

Noelia Bail. Foto: Ralf Streck

Im Gespräch mit Telepolis machte die Generalkoordinatorin der Partei in der katalanischen Sektion "Podem" deutlich, dass man sich an dem Prozess beteiligen werde, obwohl man vergangenen Freitag gegen die einseitige Unabhängigkeitserklärung gestimmt hat. "Wir haben immer gesagt, dass wir für das Selbstbestimmungsrecht sind", verweist Noelia Bail auf das Podemos-Programm und ein Manifest zur Gründung der Fraktion "Katalonien gemeinsam kann es" (CSQP) hin.

Dieser konstituierende Prozess bietet die Chance, die begrenzte Demokratie und die Monarchie, entstanden unter der Drohungen der Militärs und dem starken Einfluss der rechtsextremen, zu Fall zu bringen.

Noelia Bail

Ein Fenster für Veränderung sei geöffnet worden, auch wenn Bail die einseitige Unabhängigkeitserklärung für falsch erachtet. Deshalb hat Podem am vergangenen Freitag zwar gegen die Unabhängigkeitserklärung gestimmt, aber nicht gegen die Einleitung des Konstituierenden Prozesses. Podem positioniert sich gegen die Unionisten von Rajoys rechter Volkspartei (PP), den rechtsliberalen Ciudadanos (Bürger) und den Sozialdemokraten (PSOE).

"Wir wollen diesen feministischen, sozialen und partizipativen Prozess", in dem nicht, wie nach der Diktatur, "von oben etwas durchgedrückt wird, was in Hinterzimmern ausbaldowert" worden sei. Es geht auch Podem nicht um kleine Änderungen, sondern um eine komplette Neubestimmung.

Zwar wolle man die für ganz Spanien: "Aber warum sollten wir warten, wenn wir hier schon damit beginnen können." Das sagt Bail auch im Hinblick auf die PSOE, auf die ihre Partei sich zuletzt Hoffnung gemacht hatte. Die PSOE habe mit ihrer Zustimmung zum 155 aber erneut gezeigt, "dass sie Teil des Problems ist". Wer glaube, dass es zu einem Wandel in Spanien an der Seite der PSOE komme, täusche sich.

Damit spricht sie die Madrider Parteiführung an, zu der inzwischen der Riss ebenfalls immer deutlicher und tiefer wird. Doch der verläuft nicht nur zwischen Podemos und Podem, sondern auch innerhalb von Podemos "Antikapitalisten" in der Partei. Denn der Flügel um den Europaparlamentarier Miguel Urban hat die katalanische Republik sogar anerkannt, womit der politisch "außerhalb von Podemos" stehe.

Podemos-Chef Pablo Iglesias und der § 155

Podemos-Chef Pablo Iglesias will offen den Podem-Chef aus der Partei treiben, weil Albano Dante-Fachín sich klar gegen § 155 stellt, nicht gegen den Konstituierenden Prozess gestimmt hat und das Selbstbestimmungsrecht der Katalanen verteidigt.

Für dessen Generalkoordinatorin Bail ist unverständlich, wie in dieser Frage auch in der Parteiführung umgegangen wird. Die Positionen von Dante-Fachín seien weiterhin die "kohärente Position von der sich aber innerhalb von Podemos einige entfernt haben".

Dabei, so betont sie, seien Selbstbestimmungsrecht und Konstituierender Prozess "auch im Gründungsdokument von Podemos" verankert und das sei die "Grundlage für den Zusammenschluss". Es ist somit ein offenes Geheimnis, dass es zum Bruch kommen dürfte. Vermutlich gehen Teile von Podem zur CUP über, wie Telepolis aus den internen Debatten erfahren konnte.

Es ist klar, dass der Konstituierende Prozess ein attraktives Angebot an die breite katalanische Gesellschaft ist, um die Republik etablieren zu können. Diesen Prozess wollen auch etliche Gruppen mittragen, die gegen die Unabhängigkeit sind.

Aufgegriffen wurde damit nämlich ein Vorschlag von Dante-Fachín oder des stellvertretenden Bürgermeisters von Barcelona und anderen, die schon 2013 einen solchen Prozess auf den Weg bringen wollten, um eine Veränderung des politischen, sozialen und ökonomischen Systems von unten anzustoßen. Ihre Forderungen nach einer partizipativen Demokratie, gegen Zwangsräumungen, Privatisierungen, für vollständige Rechte der Einwanderer und mehr sollen nun auf die Tagesordnung kommen.