Internationalismus auf der Anklagebank
Internationalisten sollen für ihre Solidaritätsarbeit in Spanien zu langen Haftstrafen verurteilt und ihre Organisation verboten werden
1987 entstand die baskische Organisation Askapena (Befreiung). Wie viele andere baskische Organisationen zuvor (Zehntausende Basken demonstrieren gegen Razzien, Verhaftungen und Verbot) soll auch sie nun in Spanien verboten werden, weil sie angeblich zur Untergrundorganisation ETA gehören oder sie unterstützen soll. Es ist der immer gleiche Vorwand gegen Organisationen, die wie die ETA für ein unabhängiges, vereintes und sozialistisches Baskenland eintreten. Geändert hat sich am repressiven Vorgehen nichts, das die baskische Linke die ETA dazu gezwungen hat, vor fast genau vier Jahren den Kampf einzustellen. Heute beginnt am Nationalen Gerichtshof in Madrid ein Prozess gegen fünf Askapena-Führungsmitglieder, denen jeweils eine sechsjährige Haftstrafe droht. Wir sprachen mit dem angeklagten Deutschen Walter Wendelin.
Ist es Terrorismus, nach Morden an Gewerkschaftlern in Kolumbien zum Coca-Cola-Boykott aufzurufen, Solidaritätsbrigaden nach Kuba, in die Westsahara, Kurdistan oder Palästina zu schicken?
Walter Wendelin: Für den spanischen Staat ist es dann Terrorismus, wenn ihn das stört. Unsere Solidaritäts- und Boykottkampagnen, Teilnahme an Sozialforen, gerechter Handel soll nun nach seiner Ansicht Terrorismus oder Unterstützung dafür sein. Wir sollen nicht aus einem internationalistischen Selbstverständnis heraus gearbeitet haben, sondern auf Befehl der bewaffneten Organisation ETA.
Wurden entsprechende Treffen belauscht oder Befehle der Untergrundorganisation entdeckt?
Walter Wendelin: Da wir keine Beziehung zur ETA haben, haben wir auch keine Befehle von ihr erhalten. Außerdem befolgen wir keine Befehle von niemandem, nur unser Gewissen veranlasst uns zu unserer Solidaritätsarbeit. Nun sollen wir aber beweisen, dass es keine Befehle gab.
Ist es nicht erstaunlich, dass Sie Ende 2010 verhaftet wurden und das Verfahren begann, als längst klar war, dass die ETA ihren Kampf einstellen würde, wie sie kurz darauf tatsächlich erklärt hat?
Walter Wendelin: Im Baskenland erstaunt dies kaum. Die spanische Regierung hat panische Angst vor einem wirklichen Friedensprozess. Es sehnt sich regelrecht nach dem bewaffneten Kampf der ETA, um den Status quo aufrechterhalten. Mit der Instrumentalisierung des Madrider Sondergerichts wird Terrorismus als Vorwand genutzt.
Was ist das Ziel des Verfahrens?
Walter Wendelin: Es soll verhindert werden, dass wir in den verschiedenen Ländern, in denen wir arbeiten, über die Vorgänge im Baskenland berichten. Dazu geht es dem Regime darum, unsere Informationsarbeit hier im Baskenland zu unterbinden, wo wir über Verbrechen transnationaler spanischer Firmen informieren, die mit Raub und Erpressung weltweit noch mehr Profit machen wollen. Zudem soll der Bevölkerung weißgemacht werden, dass die Gefahr des "baskischen Terrorismus" immer noch besteht und es soll jede politische Alternative der baskischen Linken verhindert werden.
Hat das Verfahren auch mit der Verweigerung jeder Teilnahme der konservativen Regierung am einseitigen Friedensprozess zu tun, wo sie sogar die Entwaffnung der ETA boykottiert?
Walter Wendelin: Es ist die Bestätigung dafür. Und dazu wird klar, dass im spanischen Staat Menschenrechte, zivile, politische und demokratische Rechte - nicht nur der Bevölkerung im Baskenland - verletzt werden, um Privilegien und Profite der verschiedenen politischen und ökonomischen Machthaber zu sichern. Deshalb ist alles, was die linke baskische Unabhängigkeitsbewegung macht, ihnen ein Dorn im Auge, und somit auch unsere internationalistische Solidarität.
Wie verteidigt ihr euch?
Walter Wendelin: Juristisch können wir uns kaum verteidigen, denn es gibt weder Opfer noch ein wirkliches Verbrechen. In solchen politischen Prozessen muss der Angeschuldigte gegen jedes Recht die Unwahrheit der Anklage beweisen. Deswegen kann unsere Verteidigung nur eine politische, öffentliche Verteidigung außerhalb des Gerichts sein. Wir haben auch mehr als 40 Bürgerprozesse gegen den spanischen Staat abgehalten und ihn für seine Verbrechen und Völkermorde in den letzten 500 Jahren verurteilt. Dies wird kaum positiven Einfluss auf unseren Prozess haben. Wir hoffen aber, dass unser politischer Angriff und die Mobilisierung helfen werden, endlich zu beenden, dass die Justiz und die Polizei für politische Ziele sowie für den Wahlkampf der Regierungs- und Oppositionsparteien missbraucht werden. So können wir den etwa 200 Menschen helfen, die noch von ähnlichen Anklagen betroffen sind.