Internet Schwarz-Grau-Weiß

Iran: Neues System soll jeden User überwachen

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Eigentlich müssten Diktatoren und autoritäre Regimes der schon seit einiger Zeit andauernden „Explosion des Online-Materials“ doch machtlos gegenüber stehen, notiert die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ zu Anfang ihres aktuellen Internet-Jahresberichtes. Doch schon wenige Sätze später konterkariert der Bericht den träumerischen Gedanken mit der Einsicht, dass „Die Feinde des Internet„ – an erster Stelle China und Iran – bereits beweisen, dass sie das Internet wie traditionelle Medien kontrollieren können.

Zumindest im Fall China scheint die Kontrolle des Netzes bislang Erfolg zu haben - laut RSF-Bericht. Wie Anfang der vergangenen Woche Rooz", eine regimekritische iranische Online-Publikation, meldete, hat auch die Teheraner Führung, die sich bekanntermaßen sehr für technologischen Fortschritt interessiert, große Pläne für das Internet im eigenen Herrschaftsbereich.

Nach Aussagen des leitenden Direktors von Fanavari Etelaat, laut Rooz eine regierungsnahe IT-Firma, will man schon diese Woche ein landesweites Filterprogramm in Gang setzen, dass es ermöglichen soll, „jeden Internetbenutzer im Land zu identifizieren und über jeden Internetzugang Buch zu führen“.

Staatliche Filterprogramme würden in Iran schon länger eingesetzt und Internetuser seien auch schon länger unter Beobachtung, so Rooz, beunruhigend sei aber dieses Mal die offizielle Ankündigung dieser Politik.

Das neue Überwachungs-System soll nach Vorstellungen von Raschidi Mehrabadi, dem „Managing Director“ der IT-Firma, technisch dazu imstande sein, über die IP-Nummer jede Spur zu verfolgen, wer wie oft ins Internet geht, welche Seiten er besucht und den Zugang für bestimmte Seiten zu sperren. Mithilfe von Suchmaschinen, Datenbanken, der Unterstützung von Usern und zweitausend Schlüsselwörtern will man bestimmte Webseiten als „schwarz“ (unerlaubt), „grau“ und „weiß“ (erlaubt) unterscheiden und entsprechend sperren oder offen halten. Um von der schwarzen oder grauen Liste gestrichen zu werden, müssen die Inhaber der Seiten ihren Inhalt verändern. Natürlich soll das neue System in der Lage sein, „filter-breakers“ zu identifizieren - innerhalb von 2 bis 5 Tagen.

Es gibt erhebliche Zweifel von Fachleuten daran, dass dieser hochtönende und vage Plan mehr ist als ein angeberischer Einschüchterungsversuch, fraglich, ob die wirklichen Qualitäten des neuen Überwachungssystems ihre Ansprüche erfüllen können, aber man ist beunruhigt und es gibt ersten Widerstand, weil das Projekt unverhohlen gegen iranische Gesetze verstößt, welche die Privatsphäre schützen.

Wie die Inhaftierung des international renommierten Intellektuellen Ramin Jahanbegloo einmal mehr zeigt, beharrt die derzeitige Teheraner Führung auf ihrem brutalen Kurs gegen Meinungen, die ihr nicht ins Konzept passen (vgl. "Ich will nie wieder an einen Ort wie diesen zurückkehren").