Iran-Sanktionen: Wie gut zielt der Westen?

Seite 2: Ein Geschenk für China

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Sanktionen können auch - wie der Fall Irans zeigt - weitreichende Auswirkungen auf geopolitischer sowie geoökonomischer Ebene verursachen. Einhergehend mit der impliziten geopolitischen Logik von Sanktionen, womit aus Ermangelung anderweitiger Kontroll- oder Einflussmöglichkeiten die Schwächung eines Landes herbeigeführt werden soll, kann man bei den Restriktionen gegen Iran eine Reihe von Entwicklungshemmnissen beobachten.

Im Fahrwasser des unter US-Druck erfolgten Abzugs der Europäer aus dem iranischen Markt, wurde Iran de facto China auf dem Silbertablett serviert - eine Tatsache, die Peking wohl zu schätzen weiß. Chinas ökonomische Präsenz ist überall spürbar, vom Bau der Teheraner U-Bahn bis hin zur Exploration von großen Öl- und Gasfeldern im Persischen Golf.

"Ramsch für Öl"-Programm

Irans Technokraten, welche unter der politischen Ökonomie der Sanktionen gelitten haben, haben diese Entwicklung mit großer Besorgnis beobachtet. Unter anderem mussten sie dabei zusehen, wie ein freier Wettbewerb zwischen ausländischen Konkurrenten ausfiel und stattdessen oftmals kaum qualifizierten inländischen Akteuren das Management über wichtige Projekte zufiel. Auch litt die Qualität der einheimischen Produktion durch den Mangel an High-Tech-Produkten und Ersatzteilen, die vormals aus dem Westen importiert wurden.

Solche Entwicklungen haben negative mittel- und langfristige Auswirkungen auf Irans ökonomische und technologische Entwicklung. Ein weiterer einschlägiger Fall sind die "Tauschgeschäfte" mit Großkunden iranischen Öls wie China und Indien, die aufgrund der Sanktionen gegen die iranische Zentralbank durchaus zu ihrem Nutzen dazu übergegangen sind, ihre Öleinfuhren mit Waren jeglicher Art zu bezahlen - in einer Art "Ramsch für Öl"-Programm.

Profiteure Russland und Türkei

Zusätzlich konnte China in den letzten Jahren Sonderpreise für seine Ölimporte aus Iran einheimsen, da Teheran sich dadurch vergeblich Pekings politische Unterstützung auf internationalem Parkett versprach. Die Beschädigung der iranischen Volkswirtschaft, die sowohl inländischem Missmanagement und Korruption als auch ausländischen Sanktionen geschuldet ist, wird viele Jahre brauchen, um behoben zu werden.

Schließlich profitiert eine Reihe von Nachbarstaaten Irans von den Sanktionen. Am offensichtlichsten ist dies bei Russland, das dadurch sein Gasmonopol für den europäischen Markt beibehält ein wesentliches geostrategisches Interesse Moskaus, das nicht leicht umzustoßen sein wird. Weniger bedeutsam, aber erwähnenswert ist der türkische Fall.

Die Türkei stellt die einzige Landbrücke dar, durch die Iran mit dem Westen verbunden ist. Dadurch konnte man eine starke Profitsteigerung im Handel mit Iran verzeichnen. Es ist wenig überraschend, dass die türkische Wirtschaftspresse die Iran-Sanktionen gar als Wettbewerbsvorteil feiert.

Ebenso wenig beachtet wird der Fall von Katar, das im Persischen Golf gemeinsam mit Iran das weltweit größte Erdgasfeld teilt. Das Scheichtum konnte das South-Pars-Gasfeld wesentlich schneller und effizienter erschließen als Iran, zumal letzterer aufgrund der Sanktionen der Zugang zu gebotener Explorationstechnologie verwehrt ist. Das Ergebnis ist eine gigantische, milliardenstarke Kluft bei den Einnahmen zwischen beiden Ländern.

Zeit für ein Ende der Zwangsdiplomatie

Neben der Notwendigkeit den Nutzen von Sanktionen als Werkzeug für eine lösungsorientierte Außenpolitik zu überdenken, sind es vor allem politische und institutionelle Hürden, die es zu überwinden gilt, will man das dichte Netz des Iran-Sanktionsregimes entflechten. Dies stellt nicht nur eine ungemein große politische, aber auch moralische Herausforderung dar.

Ausgangspunkt für eine politisches Umdenken wäre eine nüchterne Betrachtung politischer Entscheidungsträger, dass Sanktionen zwar Folgen haben, nur nicht jene, die offiziell anvisiert sind - weder in sozio-ökonomischer Ebene (Stichwort Demokratisierung) noch auf realpolitischer (Stichwort Atomprogramm).

Um ein neues Kapitel in den Beziehungen mit dem Westen aufzuschlagen, hat Präsident Rohani bereits gutes Händchen unter Beweis gestellt. Irans neuer Außenminister Mohammad-Javad Zarif war vormals UN-Botschafter und gilt als "Teherans führender Kenner der politischen Elite der USA". Mit diesem außenpolitischen Team sind die besten Voraussetzungen dafür gegeben, dass durch eine Entspannungs- und Annäherungspolitik den mannigfaltigen Hemmnissen, die Sanktionen darstellen, ein Ende bereitet wird.

Allerdings liegt die Verantwortung über die Beendigung der Sanktionen bei jenen Akteuren, welche sie auferlegt haben. Somit ist der Westen am Zug, der im Zuge der neu entfachten Verhandlungsrunden die Lockerung der zentralen Finanz- und Banksanktionen in Aussicht stellen müsste im Gegenzug zu iranischen Konzessionen beim Atomprogramm.