Iran: Urananreicherung in Fordo wird wieder aufgenommen
Teheran will die europäischen Länder dazu bringen, dass sie sich etwas gegen den Druck Trumps einfallen lassen. Das scheint unmöglich
Iran will ab Mitternacht des heutigen Tages "(Uran-)Gas in 1.044 Zentrifugen leiten", kündigte der iranische Präsident Hassan Rouhani am Mittwoch via Twitter an. "Dank der US-Politik und ihrer Verbündeten wird Fordo (Fordow) bald wieder in vollem Betrieb sein", fügte er hinzu. Überschrieben ist die Ankündigung damit, dass dies der "vierte Schritt" Irans sei, um seine Verpflichtungen aus dem Nuklearabkommen von 2015 abzubauen.
Die Führung der Islamischen Republik hat bekanntlich ein anderes Verständnis vom Geschehen rund um den JCPOA genannten gemeinsamen Aktionsplan zu den nuklearen Aktivitäten des Landes als der "Westen". Das staatlich finanzierte Medium Press TV betont, dass die iranische Führung auch den aktuellen Schritt "nicht als Verletzung des Abkommens" begreift.
Vielmehr verstehe man ihn und die Maßnahmen zuvor als "Aufhebung der Verpflichtungen", was bedeutet, dass sie jederzeit zurückgenommen werden - falls bestimmte Bedingungen erfüllt werden. Aus Sicht der iranischen Führung bewegt man sich damit im Einklang mit den Regelungen des JCPOA. Begründet wird dies mit Bezug auf die Artikel 26 und 36 der Vereinbarung.
Beide Artikel sind für Laien in ihren Auslegungsmöglichkeiten nicht zu erfassen. Die Formulierungen in der Vereinbarung sind das Ergebnis jahrelanger Verhandlungen, sie wurden politisch und juristisch mühevoll auskalibriert. Auffallend ist allerdings auch für den Laien, dass sich Iran in der öffentlichen Darstellung seiner schrittweisen Aussetzungen der Verpflichtungen darum bemüht zu dokumentieren, dass man in einem "institutionellen Rahmen" bleibt.
So gab der Leiter der iranischen Atombehörde zum gegenwärtigen Schritt bekannt, dass der Transport der "2.000 Kilogramm UF6" zur Fordo-Anlage unter der Aufsicht von Inspektoren der UN geschehe. Anscheinend ist auch die IAEA eingebunden. Laut Al-Jazeera wird die IAEA über "relevante Aktivitäten berichten".
"Gravierende Verletzungen des Abkommens"
Demgegenüber steht etwa für die FAZ fest, dass Iran auf den einseitigen Ausstieg Trumps aus dem Atomabkommen im Mai 2018 in einer Weise reagiert, "indem es seinerseits immer weitere Verpflichtungen aus der Vereinbarung von 2015 verletzt".
"Die Verletzungen werden immer gravierender", schreibt die Frankfurter Zeitung dann in einem folgenden Beitrag, der sich mit der aktuellen Ankündigung Rouhanis zur Uran-Anreicherung in Fordo beschäftigt. In dem Beitrag mit dem Titel "Ein Pakt wird entkernt" wird ein düsteres Szenario als Folge der Verletzungen aufgemalt:
Sollte Iran die Zusammenarbeit mit den Kontrolleuren der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) einstellen und dort womöglich waffenfähiges Uran produzieren, so wäre die Anlage militärisch mit konventionellen Luftangriffen nur sehr schwer zu zerstören.
FAZ
Dann wird abgemildert:
Iran verfügt bereits über einen deutlich größeren Vorrat schwach angereicherten Urans und reichert Uran etwas stärker an, als es das Abkommen jeweils erlaubt. Sowohl von der Menge als auch vom Anreicherungsgrad her ist das Spaltmaterial zwar noch weit davon entfernt, für eine Bombe zu taugen.
FAZ
Schließlich wird aber wieder die Drohkulisse auf die Bühne gefahren, indem herausgestellt wird, dass die erneute Inbetriebnahme der Gaszentrifugen in Fordo die Anreicherung auf ein "sehr viel leistungsfähigeres" Level bringt. Das suggeriert, dass der Weg zu einer iranischen "Atombombe" nicht mehr so weit wäre.
Der FAZ-Bericht weist daraufhin, dass das Abkommen die Anreicherung in Fordo verbietet - was im Text des Abkommens auch nachzulesen ist (siehe Punkt 45 hier). Aber wie erwähnt, die iranische Führung stellt die Schritte als "reversibel" dar, als Druckmittel, um die Partner des Abkommens, insbesondere auch die europäischen Staaten dazu zu bringen, ihre Verpflichtungen einzuhalten.
Gemeint ist damit die Aufhebung der Sanktionen. Da die europäischen Staaten erklärt haben, dass sie am Abkommen festhalten, seien sie dazu verpflichtet, dafür zu sorgen, dass sie Mittel finden, die Sanktionspolitik der USA zu umgehen.
Das haben die drei Länder, Frankreich, Deutschland und Großbritannien bislang nicht geschafft. Jetzt sind alle besorgt, wie in vielen Kommentaren zu lesen ist, wobei man - darin ist der FAZ-Bericht keine Ausnahme - die Schuld bzw. das beängstigende Moment vor allem bei Iran sucht.
Macron fordert "Konsequenzen"
Die Drohkulissen, die aufgebaut werden, erinnern an die Zeit vor dem Erreichen des JCPOA-Abkommens, es ist beinahe ein Déjà vue. Mit dem Unterschied, dass mit Donald Trump ein besonderer Verhandler die entscheidende Macht hat. Iran hält ihn für unglaubwürdig. Er wolle lediglich Wahlkampf machen, seine Gesprächsangebote seien nur Show. In Teheran scheint man abzuwarten oder darauf zu hoffen, dass im nächsten Jahr ein neuer US-Präsident gewählt wird.
Macron spricht nun auch von einer schwerwiegenden Entscheidung Teherans, sogar davon, dass Iran nun auf eine "explizite Weise" zu verstehen gebe, dass es aus dem "Abkommen aussteigen will". Der französische Präsident fordert "Konsequenzen", ohne sie zu präzisieren. Er wolle die nächsten tage mit allen Parteien, auch mit iranischen Vertretern sprechen.
Die Rückkehr zur Normalität funktioniere nur über einen Dialog, so Macron. Als Alternative sehe er nur ein permanentes "Crescendo", das einzig auf eine Krise hinauslaufe. Seine diplomatischen Versuche, Rouhani mit Trump zu einem Gespräch zusammenzubringen, sind bisher ebenso gescheitert wie seine Initiative, die Auswirkungen der Sanktionen auf Iran durch einen 13,6-Milliarden-Euro-Kredit einzudämmen.
Die USA hätten sich dagegen gesperrt, heißt es. Bei seinem Versuch, ein Gespräch zwischen den beiden Präsidenten zu ermöglichen, habe es ein Nein aus der Teheraner Führung gegeben. Im Moment zeigt sich kein Ausweg aus dieser verzwickten Situation. Die Hoffnung, dass die Europäer mit einer souveränen Außenpolitik eigene Akzente setzen können, hat sich bislang nicht erfüllt (Sanktionen gegen Iran: Anlass für eine souveräne Außenpolitik der EU).