Iranische Öl-Börse

Unfug oder Bedrohung für die Dollar-Hegemonie?

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Sollte Iran zu seiner Ankündigung stehen, dann startet am 20. März auf der iranischen Insel Kish die ‚Iranian Oil Bourse’ (IOB), die weltweit erste Börse an der Erdölprodukte gegen Euro verkauft werden und an der auch ein Euro-basierter ‚Marker’ (ein Preisindex für Termingeschäfte) etabliert werden soll. Während dieses Ereignis von der Mainstream-Finanzberichterstattung bislang kaum erwähnt wurde, gilt es in einschlägigen Websites und Blogs als Nagelprobe für die seit Jahren umlaufende These von der Dollar-Hegemonie als wesentliche Triebfeder der US-Außenpolitik.

Die These besagt, dass die USA über den Dollar als internationale Reservewährung der restlichen Welt eine Art von Steuer auferlegen, vergleichbar etwa den Tributzahlungen, die unterworfene Länder früher zu leisten hatten. Das sei nur deshalb möglich, weil Erdöl ausschließlich auf Dollar-Basis gehandelt wird. Demnach basiere der Wert des Dollar seit der 1971 aufgekündigten Verpflichtung der USA, Dollars jederzeit gegen eine bestimmte Menge Gold zu tauschen, nun darauf, Erdöl mit Dollars bezahlen zu können. Denn dadurch sind Ölimporteure gezwungen, hohe Dollar-Bestände zu halten, wobei die USA dieses so genannten ‚Fiat Money’ (Von lat. ‚fiat lux’ = es werde Licht) kostenlos in beliebigen Mengen herstellen könne. Verschwörungstheoretiker berichten weiter von einem geheimen Abkommen zwischen den USA und dem saudischen Herrscherhaus aus den Jahren 1971/72 (so einig ist man sich da nicht), wobei die Saudis dafür sorgen sollten, dass Öl weltweit ausschließlich gegen Dollar verkauft werde, wofür die USA im Gegenzug die Herrschaft der Königsfamilie garantiert hätten.

Die Hegemonie-These wird nun jedenfalls insofern von kaum einem Fachökonom bezweifelt, als die USA unzweifelhaft erhebliche ökonomische Vorteile aus der weltweiten Verbreitung des Dollar ziehen. Nun hat sich aber der ‚Spiegel’ als erstes großes Mainstream-Medium kürzlich mit der „erstaunlich weit verbreiteten“ These beschäftigt, die sich laut Spiegel-Online „bei genauerem Hinsehen“ jedoch „als Unfug“ erweise, was dann auch gleich von der Online-Ausgabe des Wiener ‚Standard’ unreflektiert weiterverbreitet wurde.

Während aber allein schon das Fehlen handfester Beweise und Zeugenaussagen tatsächlich stark gegen eine von höchster Stelle minutiös organisierten Verschwörung spricht, hält die spöttische Kritik des Spiegel ihrerseits nur dann einem genaueren Hinsehen stand, wenn man die These „monokausal“ auffasst, und den „Theoretikern“ unterstellt, darin die alleinige Maxime der US-Außenpolitik zu sehen - was in einer bekanntlich komplexen und multikausalen Welt wohl auch nur von ihren einfältigsten Proponenten behauptet wird.

Der Spiegel identifiziert nun drei „Verschwörungsthesen“. Die erste lautet: „Wenn Iran sein Öl in Euro handelt, schwächt das den Dollar und Amerika.“ Schon diese Grundprämisse überschätze die ökonomische Bedeutung des Iran, analysiert der Spiegel. So erreichten die iranischen Ausfuhren insgesamt nur 55 Mrd. USD, während allein der US-Ölmulti ExxonMobile 330 Mrd. USD umsetze. Nachdem der Spiegel einige „wichtigere“ Einflussfaktoren auf den Dollar-Außenwert anführt, etwa in welcher Währung China seine Devisenreserven hält (was ja wohl auch davon abhängig sein dürfte, in welcher Währung China seine Ölimporte bezahlt, von denen rund 13 Prozent aus dem Iran kommen), konzediert aber auch der Spiegel dass „die US-Währung auf porösem Fundament steht“.

Dann wird forsch behauptet, dass die Bush-Regierung hat keinen Anlass habe, „ausgerechnet in den Eurohandelsplänen Teherans eine Bedrohung zu sehen. Es gibt auch keine Beweise dafür, dass sie dies tut.“ Während der Autor also offenbar über intime Kenntnisse der Motivlagen der Bush-Administration verfügt, unterlässt er es darzulegen, wie den etwaige für den Spiegel akzeptable Beweise beschaffen sein müssten.

Die Realität der Finanzmärkte

Außerdem scheint der Autor die Realität der Finanzmärkte zu ignorieren. Denn nicht etwa die realen Umsätze der IOB würden das Währungsgefüge verändern, sondern die Signalwirkung, die diese an den diversen Finanzmärkten entfalten könnte. Denn dort werden die Umsätze längst nicht mehr aufgrund „realer“, waren-basierter Geschäfte gemacht, sondern mehrheitlich in den Handelsräumen der großen Finanzinstitutionen generiert, wo unzählige professionelle Trader anhand der von den Informationsagenturen Reuters und Bloomberg weltweit vereinheitlichten Meldungslage extrem kurzfristige und oft gegenläufige und netto weitgehend ausgeglichene Positionen eingehen.

Die Händler fragen sich dabei etwa nicht. welche realen Konsequenzen dieses oder jenes „Event“ tatsächlich haben könnte, sondern nur, ob und wie denn wohl die anderen Marktteilnehmer darauf reagieren werden. So wird ein Devisenhändler selbst dann, wenn er eine bestimmte Währung eigentlich für maßlos überteuert hält, darin ohne Bedenken große Positionen aufbauen, wenn er annimmt, sie wenig später teurer verkaufen zu können. Entsprechend entfalten Berichte über reale Ereignisse nur dann Wirkung, wenn ausreichend viele Marktteilnehmer annehmen, dass andere Trader darauf in bestimmter Weise reagieren werden – und wer das am schnellsten richtig voraussieht, hat am Ende des Tages ein paar Basispunkte an „Spread“ verdient, was sich bei Spielkapital in Millionenhöhe durchaus rentieren kann. Würde die IOB von den Tradern also als relevant erachtet, weil das vielleicht auch von passenden statistischen Daten untermauert wird (und ganz egal, ob tatsächlich ein Zusammenhang besteht), könnte dadurch durchaus eine Verkaufswelle ausgelöst werden – insbesondere da die Marktteilnehmer an den Bond- und Forex-Märkten im Unterschied zu den einzelwirtschaftlich orientierten Aktienhändlern makroökonomisch vergleichsweise versiert und mit der Dollar-Hegemonie-Hypothese zumeist seit Jahren gut vertraut sind.

Die Geldpolitik dürfte für die Bush-Regierung nicht die primäre Handlungsmaxime sein

Als zu entkräftende Verschwörungsthese Nr. 2 formuliert der Spiegel folgendes: „Der Iran wird keine Probleme haben, andere US-kritische Länder für seine "Börse" zu begeistern - und damit steigt deren globale Bedeutung.“ Ohne weitere Begründung behauptet der Spiegel lapidar, dass Russland sich nicht auf dieses Wagnis einlassen werde und Saudi-Arabien Öl generell nicht über Börsen verkaufe. Mit einiger Sicherheit kann nun zwar angenommen werden, dass immerhin der Irak sein Öl nicht über die IOB vertreiben wird dürfen, alle anderen Länder werden das aber wohl entsprechend ihrer Interessen handhaben. Ob das aber überhaupt relevant wäre, hängt nun wiederum von der - wie gesagt - kaum absehbaren Rezeption an den Finanzmärkten ab.

Vom Spiegel ebenfalls nur scheinbar widerlegt wird die Verschwörungsthese Nummer 3: „Auch der Irak wurde überfallen, weil er sein Öl in Euro handelte.“ Wie der Spiegel richtig recherchiert hat, lagen zwischen Währungswechsel und Kriegsbeginn drei lange Jahre. Warum es nun aber, wie vom Spiegel behauptet, „gewagt“ sei, hier „einen direkten Zusammenhang konstruieren zu wollen“, wird aber ebenso wenig geklärt wie die Frage, mit welchen Lügen die US-Bevölkerung noch schneller auf den Krieg hätte eingeschworen werden können.

Denn tatsächlich gewinnt die Dollar-Hegemonie-These einiges an Charme, indem sie der doch recht erratisch anmutenden US-Außenpolitik eine gewisse innere Logik verleiht. Dass die Geldpolitik für die US-Administration aber die alleinige Handlungsmaxime darstellt, kann allerdings wohl tatsächlich nicht ernsthaft behauptet werden. Entsprechend der Hegemonie-These würden die USA jetzt – und danach sieht es derzeit ja aus - jedenfalls alles unternehmen, um den Start der IOB zu verhindern, wobei den USA von den „Verschwörungstheoretikern“ von UN-Sanktionen bis hin zum Einsatz so genannter Mini-Nukes praktisch alles zugetraut wird. Um etwa im UN-Sicherheitsrat die Zustimmung Russlands zu harten Maßnahmen zu erlangen, ist in einschlägigen Blogs bereits von einem Deal die Rede, demzufolge dafür russische Ölfirmen die Irak-Aufträge der in Ungnade gefallenen US-Ölgesellschaft Halliburton übernehmen dürften. Nichts zu finden ist in den Blogs allerdings, wie China und Frankreich, die über erhebliche Ölinteressen im Iran verfügen, die Zustimmung zu Sanktionen abgerungen werden soll.

Gegenmaßnahme

Die befürchtete makroökonomische Wirkung der neuen Euro-Öl-Börse, die - grob gesprochen - in einem Abbau der vom Ausland gehaltenen Dollars und vor allem an Dollar-Anleihen bestehen sollte, wird jedenfalls statistisch nicht gut nachvollziehbar sein. Denn genau mit März – also gleichzeitig mit dem angekündigten Starttermin der „Iranien Petrolium Bourse“ – stellt die US-Notenbank die monatliche Veröffentlichung einiger Geld-Aggregate (insbesondere der breitesten Geldmenge M3) ersatzlos ein, die etwaige makro-monetäre Folgen statistisch sichtbar gemacht hätte.

Wie die FED in einer kurzen Mitteilung darlegte, wird diese Publikation eingestellt, weil M3 kaum Informationen beinhalte, die nicht schon in M2 inkludiert wären, und M3 für die Geldpolitik ohnehin weitgehend unwichtig geworden sei, eine Ansicht die übrigens von der EZB keinesfalls geteilt wird. Der Aufwand der Datensammlung wäre nicht mehr zu rechtfertigen, sagt also die FED, der nun entgegengehalten wird, sie wolle den Forex- und Bondmärkten keinen wiederkehrenden Anlass zu Panikreaktionen geben, sollte es tatsächlich zu massiven Umschichtungen der internationalen Währungsreserven kommen.

Jedenfalls werden künftig weder die „Repos“, die kurzfristig Finanzierungen der Großbanken durch die FED, noch die direkten Käufe von US-Treasuries durch die FED publiziert, mit denen die FED etwaige Krisen mittels elektronischer Geldschöpfung kurzfristig und quasi zum Nulltarif abfangen könnte. Aber auch die Inflation, die mittelfristig übliche Konsequenz exzessiver Geldschöpfung, wird künftig schwerer einzuschätzen sein. Denn bisher konnte die Relation der Geldmenge M3 zu dem, was man dafür kaufen kann (also in etwa das Sozialprodukt), als Maßstab für die Geldentwertung herangezogen werden.

Dass – wie vielfach behauptet - der wegen angeblich mangelnder intellektueller Kapazität weltweit belächelte US-Präsident einfach viel zu wenig schlau sei und zu wenig Ahnung von der Hochfinanz habe, um derart komplizierte Pläne zu verfolgen, wünschen sich vielleicht seine Gegner. Aber immerhin hatte sein Großvater das Familienvermögen nicht etwa im Ölgeschäft, sondern als Partner G.P. Morgans an der Wall Street erworben, so dass Bush Junior wohl schon mit der Muttermilch mehr Verständnis für das Wesen der Finanzmärkte mitbekommen hat als so mancher Ökonomieprofessor in seiner gesamten Laufbahn.

Sollten die USA die IOB nun tatsächlich mit allen Mitteln verhindern wollen, bleibt ihr dafür aber wohl noch etwas mehr Zeit, als ursprünglich vom Iran verkündet. Denn während offizielle iranische Stellen sich seit Monaten in Schweigen hüllen und dahingehende Anfragen nicht beantworten, heißt es in iranischen Geschäftskreisen, dass sich der Start der Börse wohl jedenfalls verzögern werde, da die entscheidenden Positionen in den zuständigen Ministerien nach den iranischen Parlamentswahlen für mehr als ein halbes Jahr vakant waren und erst kurz vor Jahreswechsel besetzt wurden, was zu erheblichen Verzögerungen geführt habe.