Iron Sky und die Militarisierung des Weltalls

Frühere Zukunftsvision des US Space Command für das Jahr 2020. Illustration (von 1997): fas.org/gemeinfrei

Die Masken fallen: Selbstgerecht erklären USA, NATO und Frankreich den Weltraum zur neuen Zone des Wettrüstens

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Lange achteten die Staaten tunlichst darauf, nicht offen einer Militarisierung des Weltraums das Wort zu reden, sie aber selbstredend dennoch zu betreiben. Nun sind die Masken aber wohl endgültig gefallen: "Der Kampf um die militärische Dominanz des Weltraums ist entbrannt", erklärt Götz Neuneck vom Hamburger Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik (IFSH).

Erst gingen die USA in die Offensive und nun ziehen die NATO, Frankreich - und womöglich sogar Deutschland - im Weltraum in den Krieg, indem sie ihn auch offiziell zu einem potenziellen Schlachtfeld erklären und dementsprechende Kommandos aufstellen wollen.

Gleichzeitig torpediert der Westen jahrelange Versuche durch China und Russland, einen Vertrag gegen Rüstungsspiralen im Weltall ins Leben zu rufen, nur um im selben Atemzug ausgerechnet diesen beiden Ländern die Schuld daran zu geben, weshalb man sich um die Aufrüstung des Alls bemühen müsse.

Das selbstgerechte Auftreten des Westens erinnert dabei fatal an den erst wenige Jahre alten B-Movie Klassiker "Iron Sky", wobei selbst einige seiner aberwitzigsten Szenen mittlerweile von der Realität überholt wurden.

Akt I: USA

Wie gesagt, die Zeit der Heimlichtuerei ist augenscheinlich vorbei - schon im Januar 2019 untermauerte US-Präsident Donald Trump mit Blick auf das geplante Weltraumkommando: "Es wird ein wichtiger Bestandteil unserer Defensive, aber auch unserer Offensive." Ins selbe Horn stieß auch Jay Raymond, der am 27. Juni 2019 zum ersten Kommandeur des im Aufbau befindlichen Weltraumkommandos ernannt wurde, in seiner ersten Senatsanhörung:

Wir verfügen nicht mehr über den Luxus, in einem freundlichen und friedlichen Raum zu operieren. Und wir verfügen nicht über den Vorteil, die Überlegenheit im Weltraum als selbstverständlich zu betrachten.

John Raymond, Kommandeur des Air Force Space Command

Die Aktivitäten Russlands und Chinas hätten die USA dazu gezwungen, besagtes Weltraumkommando aufzustellen - und in gewisser Weise dürfte dies auch zutreffen. Denn seit Jahrzehnten sehen die USA in der militärtechnologischen Überlegenheit, besonders in Kernbereichen, den Schlüssel für den Erhalt ihrer Vorherrschaft. Somit erfordert der drohende Verlust der Weltraumdominanz aus Washingtons Sicht verstärkte militärische Anstrengungen, um diese missliche Entwicklung aufzuhalten oder im Optimalfall rückgängig zu machen.

Vor diesem Hintergrund spielen sich die US-Bemühungen um die Aufstellung eines Weltraumkommandos ab. Aktuell verfügen die USA über zehn "Kampfkommandos" ("Combatant Commands") sechs regionale und vier funktionale. Im Juni 2018 ordnete Präsident Trump die Aufstellung dieses Kommandos an, die 2020 abgeschlossen sein soll. Unabhängige Kostenschätzungen gingen zunächst von bis zu 13 Milliarden Dollar aus, das Pentagon wiederum nennt einen Betrag von 2 Milliarden Dollar innerhalb der ersten fünf Jahre und einen Umfang von 15.000 Mitarbeitern.

Dies war also der erste Streich, mit dem die Gefahr eines Rüstungswettlaufs im Weltall massiv erhöht wurde - anschließend war dann zuerst einmal die NATO dran.

Akt II: NATO

Bereits im Jahr 2012 veröffentlichte das Joint Air Power Competence Centre (JAPCC), ein NATO-Exzellenzzentrum, das unter anderem an künftigen Konzepten zur Luftkriegsführung arbeitet, eine Studie über mögliche Inhalte einer Weltraumstrategie der Allianz. Das Papier "Filling the Vacuum: Framework for a NATO Space Policy" ließ keine Zweifel an der Bedeutung des Bereiches.

Befehl und Kontrolle militärischer Truppen, präzise Luftschläge, die Lenkung von Raketen, Truppenbewegungen, Aufklärung der Umgebung und Raketenwarnungen, sind inzwischen alle zu großen Teilen von Informationen abhängig, die über Satelliten weitergegeben werden.

Joint Air Power Competence Centre

Deshalb sei es erforderlich, das "Konzept der kollektiven Verteidigung auf Weltraumkapazitäten" auszudehnen, es gehe darum, "eine glaubhafte Abschreckungskapazitäten im Weltraumbereich" zu erlangen.

Gesagt, getan: Beim NATO-Treffen in Brüssel im Juni 2019 soll nun eine solche Weltraumstrategie angenommen worden sein, wobei darüber hinaus allzu viel Details nicht Preis gegeben wurden. So hieß es in den Medien, hier etwa bei Zeit online, lediglich:

Die Nato stellt sich damit darauf ein, dass Krieg beispielsweise durch Angriffe auf strategisch wichtige Satelliten oder einen Einsatz von Waffen im All geführt wird. […] Damit würden zusätzliche Ressourcen bereitgestellt und mögliche Angriffe dort so behandelt wie bislang solche am Boden oder im Luft-, See- oder Cyberraum.

Zeit online

Weiter wurde berichtet, es sei davon auszugehen, dass beim Treffen im Dezember 2019 ein eigenes NATO-Weltraumkommando beschlossen werde. Dadurch würden dem Bereich künftig dann erheblich mehr Bedeutung und damit auch Ressourcen zukommen. Als Begründung für diesen weitreichenden Schritt wurde dabei der ehemalige NATO-Pressesprecher Jamie Shea mit den Worten zitiert:

Man kann einen Krieg ausschließlich auf den Weltraum begrenzen, aber wer auch immer den Weltraum kontrolliert, kontrolliert auch, was an Land und in der Luft geschieht.

Nato-Pressesprecher