Iron Sky und die Militarisierung des Weltalls
Seite 2: Akt III: Frankreich, Deutschland und EU
- Iron Sky und die Militarisierung des Weltalls
- Akt III: Frankreich, Deutschland und EU
- Iron Sky oder nichts ist bizarrer als die Realität
- Auf einer Seite lesen
Bei diesen Steilvorlagen aus den USA und der NATO, wobei letztere ihre Weltraumstrategie ohnehin nur mit Zutun Frankreichs verabschieden konnte, ließ es sich Staatspräsident Emmanuel Macron nicht nehmen, seinerseits in die Offensive zu gehen.
Eingerahmt von einer riesigen Militärparade verkündete er in seiner Rede bei den Feierlichkeiten zum 14. Juli, der Weltraum sei ein "neuer Bereich der Konfrontation", weshalb in Frankreich schon im September ein Weltraumkommando als Teil der Luftwaffe geschaffen werde.
Die Idee fanden einige in Deutschland so gut, dass sie gleich auf den fahrenden Zug aufspringen und im Vorbeigehen auch noch die Europäische Union mit einpacken wollen. Einer davon ist Christian Fischbach, Mitarbeiter von BwConsulting, das sich selbst folgendermaßen beschreibt: "Die BwConsulting ist das Beratungsunternehmen der Bundeswehr: Wir beraten die strategischen Projekte des Verteidigungsministeriums und sind damit treibende Kraft für die kontinuierliche Weiterentwicklung der gesamten Bundeswehr."
Er tweetete nur kurz nach der Ankündigung des französischen Präsidenten: "@EmmanuelMacron, wollen wir das zusammen machen? Passt zu EU und zur NATO. Wir haben auch schon was: Weltraumlagezentrum in Uedem. Vielleicht wollen wir das als #PESCO-Projekt machen? Oder als #FNC-Projekt. Dann können auch die USA mitmachen."
Von offizieller Seite war bislang noch nichts in diese Richtung zu vernehmen, aber tatsächlich käme das 2011 ins Leben gerufene Weltraumlagezentrum, das aktuell durch Investitionen in Infrastruktur und mehr Personal zu einem Weltraumführungszentrum aufgewertet wird, für eine solche Kooperation in Frage. Zum Start des Zentrums hieß es auf der Seite der Bundeswehr:
Eine gesicherte Weltraumlage ist Grundvoraussetzung einer gesicherten Weltraumnutzung. Mit dem Aufwuchs des Weltraumlagezentrums in Uedem bei Kalkar nimmt eine vorrangige Aufgabe der Luftwaffe Konturen an. […] Für moderne Streitkräfte ist die gesicherte Verfügbarkeit von satellitengestützten Diensten in immer stärkerem Maße Grundvoraussetzung für deren Funktionsfähigkeit und für die effiziente Auftragserfüllung geworden.
Luftwaffe, Bundeswehr
Die geforderte Einbettung der möglichen deutsch-französischen Kooperation in die EU und möglicherweise auch die NATO macht ebenfalls aus einer militärischen Perspektive Sinn, da Uedem für beide Organisationen wichtige Funktionen mit Blick auf Militäreinsätze einnimmt: "Das Weltraumlagezentrum [hat] den Auftrag, die Kernfunktionen eines verlegefähigen multinationalen Luftwaffengefechtsstands zur Führung von Luftstreitkräften bereitzustellen. […] Dieses sogenannte Joint Force Air Component Headquarters (JFAC HQ) plant und führt den Einsatz von Luftstreitkräften, die durch mehrere Nationen bedarfsgerecht zusammengestellt wurden, beispielsweise im Rahmen der NATO Response Force (NRF) oder European Battle Group (EU BG)."
Wie beschrieben ist die NATO ohnehin bereits dabei, sich intensiv dem Weltraum zu widmen, aber auch für die EU ist er schon lange kein unbeschriebenes Blatt mehr. So existiert schon seit 2001 ein Satellitenzentrum der Europäischen Union im spanischen Torrejón, über dessen Aufgabenprofil es heißt: "Das Zentrum arbeitet im Rahmen seiner Aufgaben eng mit der Europäischen Verteidigungsagentur sowie der Europäischen Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs zusammen."
Ende des Jahres sollen darüber hinaus die letzten der insgesamt 30 Satelliten des Galileo-Systems in den Orbit verbracht worden sein. Für das System wurden allein zwischen 2014 und 2020 etwa 7 Milliarden Euro eingestellt, es soll unter anderem militärisch nutzbare Aufklärungsdaten liefern und gilt damit als eines der wichtigsten Bestandteile der künftigen europäischen Militärpolitik.
So ist also das Feld für ein neues Wettrüsten im All bereitet, das sich nach aktuellem Stand auch jeder vertraglichen Rüstungskontrolle weitgehend entziehen würde. So äußert sich der bereits eingangs zitierte Fachmann Götz Neuneck:
Die USA forcieren mit Trumps Ankündigung und Milliardeninvestitionen die Ängste Chinas und Russlands. […] Trump stößt die Tür zu einem neuen teuren und gefährlichen Offensiv-Defensiv-Wettrüsten mit Russland und China auf.
Götz Neuneck
Hoffnungsschimmer PAROS?
Leider wird der im Januar 1967 vereinbarte Weltraumvertrag wenig dazu beitragen können, um ein neues Wettrüsten im All zu verhindern. Mit Ratifizierung verpflichteten sich die Staaten zwar zu dem allgemeinen Ziel, zur Nutzung des Weltraums zu friedlichen Zwecken beizutragen - die Sache hat allerdings einen Haken:
Laut Artikel IV ist es den Vertragsstaaten nicht gestattet, Massenvernichtungswaffen im All zu stationieren. Zu anderen Waffenkategorien jedoch stehen keine Regeln im Vertrag.
Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik
Auch werden die Staaten zwar darauf verpflichtet, dass der "Mond und die anderen Himmelskörper […] ausschließlich zu friedlichen Zwecken benutzt" wird, vom Raum dazwischen ist aber keine Rede.
Vielversprechender sind da schon die Versuche, einen Vertrag zur Verhinderung eines Wettrüstens im Weltraum (PAROS, "Prevention of an Arms Race in Outer Space") auf den Weg zu bringen. Die Verhandlungen darum begannen schon lange davor, aber 2008 legten Russland und China der UN-Abrüstungskonferenz einen Vertragsentwurf vor, der unter anderem vorsah, dass alle Unterzeichner davon absehen Objekte im Orbit zu stationieren, die irgendeine Waffe mit sich führen.
Erwartungsgemäß stieß Moskau damit im Westen ebenso auf taube Ohren, wie eine von beiden Staaten einige Jahre später aktualisierte Version, wie erneut Götz Neuneck betont:
Es gibt schon seit Jahrzehnten Pläne für einen PAROS-Vertrag. […] "Fahrt gewann das Thema, weil China und Russland 2014 bei der UN-Abrüstungskonferenz einen neuen Entwurf präsentierten", sagt der Leiter der Genfer Gespräche, der brasilianische Botschafter Guilherme de Aguiar Patriota. Die westlichen Länder haben den Entwurf abgelehnt.
Götz Neuneck
Es hinterlässt - vorsichtig formuliert - einen faden Beigeschmack, wenn die westlichen Staaten in ihren Rüstungsbemühungen mit dem Finger auf Russland und China zeigen, gleichzeitig aber nicht einmal den Versuch unternehmen, einen Vertrag zum Abschluss zu bringen, der womöglich das sich anbahnende Wettrüsten wenigstens ansatzweise eindämmen helfen könnte.
Und das wiederum legt den Schluss nahe, dass es tatsächlich nicht darum geht, sich vor etwaigen Angriffen Russlands und Chinas zu verteidigen, sondern seinerseits die Eskalationsdominanz im Weltraum zu erlangen bzw. aufrecht zu erhalten.