Islam light

Der Lehrplan für den islamischen Religionsunterricht an Grundschulen in Nordrhein-Westfalen ist Anfang Dezember 2013 in Kraft getreten. Leistet der um einige Glaubensinhalte bereinigte Lehrplan verstaubten Denkmustern Vorschub?

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Nordrhein-Westfalen hat als erstes Bundesland den islamischen Religionsunterricht als bekenntnisorientiertes Regelfach an Grundschulen im Jahr 2012 eingeführt. Derzeit wird dieses Fach an 36 Grundschulen und 25 weiterführenden Schulen in Nordrhein-Westfalen unterrichtet.

Insgesamt werden rund 4.500 muslimische Schüler unterrichtet. Fast 340.000 leben insgesamt in NRW - nur ein Bruchteil der Muslime erhält also überhaupt staatlichen Religionsunterricht. Der Islamwissenschaftler und Politologe Michael Kiefer hat über den Schulversuch Islamkunde in Nordrhein-Westfalen promoviert.

Herr Kiefer, was ändert sich durch den neuen Lehrplan für islamischen Religionsunterricht an den Grundschulen in NRW?

Michael Kiefer: Das Fach hieß früher Islamkunde. Es hieß deswegen so, weil man für einen richtigen Religionsunterricht eine Religionsgemeinschaft braucht. Und die hat es bis vor Kurzem in Bezug auf den islamischen Religionsunterricht nicht gegeben. Die Landesregierung NRW erkennt mittlerweile muslimische Verbände als Religionsgemeinschaften an.

Konkret bedeutet dies: Die Inhalte des Religionsunterrichts werden mit den islamischen Religionsgemeinschaften abgestimmt. Darüber hinaus hat die Religionsgemeinschaft das Recht, eine Lehrerlaubnis an Lehrkräfte zu vergeben, die das Fach unterrichten.

Haben Sie schon einmal Islamkundeunterricht besucht?

Michael Kiefer: Mindestens 40 bis 50 Mal.

Was haben Sie dabei gesehen?

Michael Kiefer: In der Regel handelt es sich bei Islamkunde in inhaltlicher und methodischer Hinsicht um einen modernen Unterricht, der einen sehr offenen Umgang mit der Religion pflegt. Die Lehrkräfte waren ausnahmslos Muslime, die Unterricht aus der Binnenperspektive der Religion machen.

Der Unterschied zwischen Islamkunde und islamischem Religionsunterricht ist faktisch der, dass die Religionsgemeinschaften beim Lehrplan mitgewirkt haben. Ansonsten kann ich kaum Unterschiede zu der Vorgängerversion feststellen. Das ist auch nicht verwunderlich, denn man muss sehen, dass die Lehrkräfte des Religionsunterrichtes vorher Islamkunde unterrichtet haben.

Was ist Ihnen bei ihren Besuchen der Islamkunde positiv aufgefallen und was negativ?

Michael Kiefer: Die Zusammensetzung der Klassen ist sehr heterogen. In Islamkunde saßen auf der einen Seite Kinder, die kaum religiöse Vorerfahrungen hatten und deren Eltern der Religiosität keinen großen Stellenwert beimaßen. Auf der anderen Seite sah man Kinder, die aus gläubigen Familien kommen und ihren Alltag nach den Regeln der Religion ausrichten. Hier musste die Lehrkraft die Mitte finden, um anschlussfähig an die verschiedenen Gruppen zu sein.

Wenn der Unterricht gut gemacht war, waren die Kinder mit Begeisterung dabei. Sie interessierten sich für Geschichten, die im Koran erzählt werden, Moscheen und für ihre religiöse Herkunft. Das ist nicht anders als bei christlichen und jüdischen Kindern.

Religionsunterricht in der Grundschule ist für die Kinder immer eine schöne Sache, weil sie sich mit Geschichten auf spielerische Weise befassen können. Insgesamt hat mir das meiste, das ich gesehen habe, gut gefallen. Ich hätte mir aber gewünscht, dass Gemeinsamkeiten zwischen den unterschiedlichen Religionen mehr betont worden wären. Die interreligiöse Dimension sollte gestärkt werden.

Die Wörter "Kampf" oder "Dschihad" tauchen in dem neuen Lehrplan nicht auf. Dabei ist der Kampf oder Dschihad, verstanden als Anstrengung des Muslims den rechten Weg des Glaubens zu gehen, grundlegend für das Verständnis des Islam. Wie erklären Sie es sich, dass solche Inhalte für Grundschüler keine Rolle spielen sollen?

Michael Kiefer: Es ist richtig, dass man unter Dschihad auch die individuelle Anstrengung versteht, ein guter Moslem zu sein. Bei dem Lehrplan für Grundschüler sind aber andere Inhalte dominant. Hier geht es in erster Linie um die fünf Säulen des Islams - und da bildet Nordrhein-Westfalen keine Ausnahme. Der Prophet Mohammed wird behandelt, der Koran, das Gottesbild und vieles andere mehr. Unterrichtsstoff wie der Dschihad wird erst in höheren Jahrgangsstufen behandelt. Das ist den siebten bis neunten Jahrgangsstufen vorbehalten.

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