Israel vor Bodenoffensive in Gaza: Wie weit reicht Gegenwehr?
Seite 3: Einschränkung des Selbstverteidigungsrechts für Besatzungsmächte
- Israel vor Bodenoffensive in Gaza: Wie weit reicht Gegenwehr?
- Das "richtige" Maß und das Notwendigkeitsprinzip
- Einschränkung des Selbstverteidigungsrechts für Besatzungsmächte
- Auf einer Seite lesen
Obwohl Israel seit 2005 abstreitet, Hoheitsgewalt über Gaza auszuüben, kontrolliert das Land faktisch alle Zugänge zu Gaza auf dem Land-, Luft- und Seeweg. In Vorbereitung der jüngst angekündigten Blockade des Gaza-Streifens wurde inzwischen auch der letzte bislang noch geöffnete Grenzübergang Rafah nach Ägypten geschlossen.
Maßgeblich für die Einordnung als Besatzungsmacht ist die effektive Kontrolle über ein Gebiet. Bereits 2007 verhängte Israel eine Blockade, mit der es den gesamten Personenverkehr und auch den Transport von Gütern und die Wasserzufuhr nach Gaza unter seine Kontrolle brachte.
Diese liegt auch nach dem Abzug der militärischen Truppen Israels aus Gaza 2006 noch immer bei Israel: das Land kontrolliert den Luftraum über Gaza, führt dort Militäroperationen durch und entscheidet, welche Waren oder Personen die Grenze passieren dürfen und welche nicht.
Als Besatzungsmacht aber dürfte Israel nur in engen Grenzen Gewalt ausüben bzw. sich auf sein Selbstbestimmungsrecht berufen. Insbesondere im Hinblick auf den dicht besiedelten Gaza-Streifen behauptete etwa im Jahr 2009 der Sonderberichterstatter des UN-Menschenrechtsrates für die besetzten palästinensischen Gebiete, Richard Falk, eine Unterscheidung von zivilen und nicht zivilen Angriffszielen in dem Gebiet sei nahezu unmöglich.
Es sei daher fraglich, ob Israel überhaupt das Recht auf einen Angriff des Gaza-Streifens zustehe, selbst dann, wenn er zur Selbstverteidigung erfolge. Denn dem Selbstverteidigungsrecht stehe das Recht der Palästinenser auf Widerstand gegen die Besatzungsmacht gegenüber. Diese ältere Einschätzung bedarf nun freilich einer Neubewertung.
Viele Stimmen lehnen die Einstufung Israels als Besatzungsmacht ab. Käme man aber tatsächlich zu einer anderen Einschätzung, träfen das Land vor allem Sorgfaltspflichten, die aus der Vierten Genfer Konvention über den Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten hervorgehen. Unter anderem muss eine Besatzungsmacht demnach auch sicherstellen, dass die Bevölkerung in dem besetzten Gebiet mit hinreichend Nahrung und Medikamenten versorgt ist. Diese Pflichten würde die Blockade des Gaza-Streifens aktuell also in jedem Fall verletzen.
Was bringt das Völkerrecht?
So viel zu den völkerrechtlichen Grundlagen des Selbstverteidigungsrechts und seinen Grenzen. Dass die von den UN vorgegebene rationale Abwägung von Fakten angesichts der unmittelbaren Konfrontation mit dem Angriff der Hamas auf Israel schwerfallen muss, liegt auf der Hand.
Dennoch darf nicht unerwähnt bleiben, dass auch in Palästina zahlreiche Zivilisten unter der Blockade des Gaza-Streifens und die Unterbindung von humanitärer Hilfe sowie Nahrungs- und Trinkwasserversorgung leiden.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock betonte am 11. Oktober erneut, wie wichtig die deutsche Unterstützung bei Lebensmittelhilfe und Wasserversorgung für die palästinensische Bevölkerung nun seien. Eine Finanzierung des palästinensischen Terrors seitens Deutschlands aber stritt sie entschieden ab.
Wieder beobachten wir damit einen Konflikt, der zahllose Facetten hat und dem sich wohl kein Berichterstatter vollkommen unbefangen nähern kann. Die völkerrechtlichen Grundsätze auf ihn anzuwenden, mag zunächst aussichts- und wirkungslos wirken, und erst recht nicht schnell genug.
Dennoch sollte man die friedensstiftende Kraft der in Reaktion auf zwei Weltkriege gegründeten UN nicht unterschätzen. Und auch nicht unmittelbar betroffenen Beobachtern können die von ihr festgelegten völkerrechtlichen Grundsätze helfen, Zivilisten sowohl in Israel als auch im Gaza-Streifen Mitgefühl zuteil werden zu lassen.
Denn feststeht: auf beiden Seiten des Konflikts leiden Menschen. Man darf davon ausgehen, dass sie diesen Konflikt ganz überwiegend nicht gewollt haben. Jeder von ihnen hat deshalb verdient, dass die völkerrechtliche Legitimation jeder einzelnen militärischen Handlung in diesem Konflikt auf den Prüfstand gestellt wird. Egal, wie lange das dauert.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.