Ist Baumwolle wirklich so natürlich wie ihr Image?
Als Naturfaser gilt Baumwolle als Textil unserer Zeit. Dabei ist Baumwollgewebe zwar bügelfrei, jedoch keinesfalls chemiefrei und nicht kreislauftauglich.
Obwohl Baumwolle oft wegen ihrer natürlichen Herkunft gelobt wird, sieht die Realität heute weniger rosig aus. Baumwollbekleidung basiert heute nur noch im Kern auf der Naturfaser, die aus den Samenhaaren von Pflanzen der Gattung Baumwolle (Gossypium) gewonnen wird, denn diese zeichnet sich aufgrund ihrer geringen Elastizität durch eine sehr hohen Knitterbildung aus, was man lange Zeit nur durch Bügeln verhindern konnte.
Erst seit das Baumwollfasermaterial ausgerüstet werden konnte, konnte dieses Problem gemeistert werden. Dazu kommen Mischgewebe mit Kunstfaser. Bei der Ausrüstung wird die Baumwolle mit Kunststoff ummantelt, der dann bei mechanischer Belastung sowie beim Waschen an die Umwelt abgegeben wird.
Umweltbelastung durch Baumwollplantagen
Beim Wasserverbrauch schwanken die Angaben gewaltig:
Beispielsweise sind bis zu 11.000 Liter Wasser nötig, um ein Kilogramm Baumwolle anzubauen. Weniger als die Hälfte dieser Wassermenge werden tatsächlich von den Pflanzen aufgenommen, der Rest verdunstet oder versickert aus undichten Kanälen.
WWF
Die Textilwirtschaft hält dagegen:
Neuere Berechnungen des internationalen Baumwollsekretariats ICAC in Washington aber zeigen, dass für die Produktion von einem Kilogramm entkörnter Baumwolle weltweit durchschnittlich nur etwa 1.200 Liter Wasser benötigt werden.
Beim Entkörnen der Baumwolle werden die Samen maschinell aus der Faser entfernt, damit diese weiterverarbeitet werden kann.
Ein beachtliches Problem stellt auch der Pestizideinsatz im Baumwollanbau dar. Gegenüber den Bauern verbreiten internationale Konzerne ihre unbelegte Ansicht, dass giftige Chemikalien für den Baumwollanbau unerlässlich seien. Besonders auffällig erscheint dies in Indien, dem weltweit führenden Produzenten für Baumwolle.
Jedes Jahr vergiften sich viele der 5,8 Millionen Baumwollbauern und -bäuerinnen in Indien, weil sie Pestiziden ausgesetzt sind. Viele sterben, andere leiden in der Folge an chronischen Krankheiten. Die Schutzanweisungen auf den Produkten der Pestizidhersteller sind in sehr kleinen Buchstaben geschrieben und für Analphabeten nicht zu entziffern.
Der Baumwollanbau ist heute für sechs Prozent des weltweiten Pestizideinsatzes und für 16 Prozent des globalen Insektizideinsatzes verantwortlich, obwohl er nur 2,4 Prozent der Anbaufläche einnimmt.
Zusätzlich zu den gesundheitlichen Problemen für die Baumwollanbauer und die Menschen, die in den Baumwollanbaugebieten leben, kann ein hoher Pestizideinsatz auch zu einer Vielzahl von Umweltproblemen führen, die die Artenvielfalt bedrohen und zu einer Verschlechterung der Boden- und Wasserqualität führen können.
Wasserfußabdruck der deutschen Baumwollimporte
Durch den Import von Rohbaumwolle und Baumwollprodukten hinterlässt Deutschland jährlich einen Fußabdruck in Höhe von 5,46 Kubikkilometer – das entspricht neun Prozent seines gesamten landwirtschaftlichen Wasser-Fußabdruckes im Ausland.
Der Wasserverbrauch im Baumwollanbau ist so hoch, weil die Felder überwiegend durch Überflutung mit Wasser versorgt werden. In Pakistan beispielsweise werden mehr als 90 Prozent der Wassermengen, die aus dem Indus entnommen werden, in der Landwirtschaft verwendet. Doch nur etwa ein Drittel davon erreicht tatsächlich die Felder. Der größere Rest verdunstet auf dem Weg oder versickert in maroden Bewässerungskanälen.
Deshalb wird bereits jetzt ein Drittel des für die Bewässerung der Baumwollfelder benötigten Wassers aus dem Grundwasser gepumpt.
Welche Folgen eine derart extreme Wasserentnahme haben kann, ist inzwischen in Usbekistan zu sehen. Für den Baumwollanbau wurden Amu-Darja und Syr-Darja, die beiden Zuflüsse zum Aralsee, fast leer gepumpt. Daher gelangte ab Anfang der Sechzigerjahre kaum noch Wasser in den See. Infolgedessen schrumpfte dessen Wasservolumen in den vergangenen 50 Jahren um 90 Prozent.
Da der See keinen natürlichen Abfluss hat, vervierfachte sich der Salzgehalt im verbliebenen Wasser des Aralsees.
Klassische Baumwolle eignet sich nicht für die Kreislaufwirtschaft
Was heutzutage hierzulande an Baumwolltextilien auf dem Markt ist, ist schon in wenigen Jahren in der EU nicht mehr marktfähig, denn ihre Fasern sind häufig zu kurz und zu schwach, um vollständig zirkulär nutzbar zu sein. Klar erkennbar ist dabei schon heute, dass Baumwolle die europäischen Vorgaben bereits für 2030 nicht erfüllt.
Die Ziele sehen vor, dass bis dahin 50 Prozent der Materialien recycelbar und 25 Prozent vollständig kreislauffähig sein sollen. Da die Europäische Union sich das Ziel gesetzt hat, bis 2050 alle Materialien vollständig im Kreislauf zu führen, stehen die Chancen für die klassische Baumwolle eher schlecht.
Dies erhöht den Druck auf die Modeindustrie. Fast Fashion hat wohl als Erfolgsmodell ausgedient. Strenge Richtlinien wie die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) und die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) nehmen Unternehmen jetzt zwar schon in die Pflicht, lassen jedoch noch immer die Frage offen, ob diese Maßnahmen ausreichen. Ohne konkrete Maßnahmen bleiben die Bemühungen bruchstückhaft und ineffizient.
Somit könne langfristig ein Baumwollverbot notwendig sein. Es gibt bereits heute Alternativen zur klassischen Baumwolle, wie innovative Textilfasern. Der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft in der EU erfordert jedoch eine klarere und konsequentere Strategie.
Das Konzept der "Due Diligence" für die Erfassung der Auswirkungen von Unternehmen auf Mensch und Umwelt ist als Schritt zu mehr Sorgfalt gedacht. Werden die Berichte jedoch nicht durch konkrete Maßnahmen ergänzt, verliert dieser Prozess schnell an Bedeutung.