Pestizide in Äpfeln: Wie man sie richtig entfernt
Pestizide in Äpfeln sind hartnäckig. Waschen reicht nicht, sie dringen ins Fruchtfleisch ein. Wie können Verbraucher die Gifte trotzdem loswerden?
Das Abwaschen der Schale reicht nicht aus, um den Apfel von Pestiziden zu reinigen, denn die Gifte dringen von der Schale ins Fruchtfleisch ein. Das ist das Ergebnis einer Studie chinesischer Wissenschaftler, das im Fachjournal Nano Letters der American Chemical Society veröffentlicht wurde.
Um Spuren von Pestiziden auf und in Lebensmitteln zu messen, entwickelte das Wissenschaftler-Team um den Chemiker Dongdong Ye eine Methode mithilfe der Nanotechnologie: Die oberflächenverstärkte Raman-Spektroskopie (SERS) verwendet Metallnanopartikel, um die Signale von Molekülen zu verstärken, sobald diese einem Laserstrahl ausgesetzt werden. Anhand der durch Streulicht erzeugten Muster können die Forscher selbst kleinste Mengen chemischer Verbindungen und Pestizide erkennen.
Eigens für ihr Experiment hatten die Forscher Äpfel mit Pestiziden besprüht. Anschließend wiesen sie Gifte auf der Schale bis zu rund 0,03 Millimeter (30 Mikrometer) nach. Das Risiko der Aufnahme von Pestiziden durch Früchte könne nicht allein durch Waschen, sondern vor allem durch Schälen vermieden werden, schlussfolgerten die Autoren.
Schälen der Äpfel verringert Pestizidbelastung
Einer aktuellen Studie zufolge, die in der Fachzeitschrift Nano Letters der American Chemical Society veröffentlicht wurde, ist das Schälen der Frucht ein wirkungsvolles Mittel, um die Aufnahme von Pestiziden zu verringern. Der Nachteil ist, dass dadurch wertvolle Inhaltsstoffe verloren gehen. Denn bis zu 70 Prozent der Vitamine befinden sich in und unter der dünnen Schale der Frucht.
Gerade die Schalen enthalten gesunde Ballaststoffe und andere Nährstoffe. Alternativ dazu empfiehlt es sich, Obst und Gemüse aus ökologischem Anbau zu kaufen, etwa auf den lokalen Wochenmärkten, oder ungespritztes Obst aus dem Garten zu nutzen. Denn im Bio-Anbau sind chemisch-synthetische Pestizide verboten.
Pestizide in Obst und Gemüse lösen sich mit Natron und Wasser
Amerikanische Lebensmittelforscher untersuchten in einer Studie von 2017 drei verschiedene Methoden, um Obst zu waschen. Für den Test wurden die Äpfel auf drei verschiedene Arten gewaschen: mit Leitungswasser, mit einer handelsüblichen Chlorbleiche und mit Backsoda (Natriumhydrogencarbonat).
Ergebnis: Ein großer Teil der Pestizide wurde zwar bereits durch gründliches Reinigen mit Wasser entfernt, doch besonders wirkungsvoll ist das Waschen der Äpfel mit Backsoda (auch: Speisenatron). Damit ließen sich 80 Prozent des Konservierungsmittels Thiabendazol und 96 Prozent des Breitbandinsektizids Phosmet (seit Mai 2022 in der EU nicht mehr zugelassen) entfernen.
Erfahrungsgemäß hilft reines Natron deutlich mehr Schadstoffe zu entfernen. Dazu müssen die Früchte allerdings fünfzehn Minuten lang in einer schwachen Natronlauge gebadet werden. (Man löse einen Esslöffel Natron in einem Liter Wasser auf und lege dann die Äpfel in die Mischung.)
Nach einer Viertelstunde werden die Früchte unter klarem Wasser abgespült. Doch weil ein kleiner Teil von Schadstoffen bis ins Innere der Äpfel gelangt, kann auch das Natronbad die Pestizidrückstände nicht vollständig entfernen.
Mehr Pestizide im Obstbau erlaubt
Ginge es nach dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), dürfen Äpfel, Birnen und anderes Kernobst stärker als bisher mit einem gefährlichen Pestizid behandelt werden. Für den 18. Juli bis zum 14. November 2024 erteilte die Behörde für Kernobstbetriebe in den Landkreisen Bodensee, Ravensburg und Lindau in Bade-Württemberg eine Notfallzulassung für das Mittel Folpan, das den Wirkstoff Folpet enthält.
Doch weil der verstärkte Einsatz des Giftes zu erhöhten Rückständen im Obst führt, will das BVL diesen Grenzwert für Deutschland vorübergehend von 0,3 auf sechs Milligramm pro Kilo erhöhen – auf das Zwanzigfache des EU-weiten Grenzwertes.
Nasses Wetter verursacht verstärkten Schorfpilzbefall
Das Pflanzenschutzmittel sei in diesem Jahr notwendig, begründet Manfred Büchele vom Kompetenzzentrum Obstbau Bodensee in Bavendorf die Entscheidung, denn in der Region habe es viel geregnet. Wegen der hohen Feuchtigkeit drohe ein Pilzbefall mit Schorf. Die Folge seien hässliche, dunkle Flecken auf den Äpfeln. Diese Äpfel lassen sich nach gängigen Maßstäben nicht mehr verkaufen. Zudem könne der Pilz den Baum schädigen.
Um den Grenzwert anzuheben, muss vom zuständigen Bundesamt noch grünes Licht kommen. Passiert das nicht, warnt der Pflanzenschutzdienst des Bodenseekreises, wären die Äpfel gesetzlich nicht verkehrsfähig und müssten vernichtet werden. Würde der Grenzwert angehoben, wären die Äpfel allerdings nur in Deutschland vermarktbar. In anderen EU-Ländern gilt ein niedrigerer Grenzwert für das Mittel.
Normalerweise nutzen Obstbauern in der Region Bodensee-Oberschwaben Captan. Dieses Fungizid müsse jedoch in diesem Jahr wegen des nassen Wetters und der hohen Infektionsgefahr mit dem Schorfpilz später gespritzt werden als sonst, wie es heißt. Das Problem sei, dass das Fungizid auf die Hopfenpflanzen der benachbarten Plantagen gelangen könne und dann in der Pflanze nachweisbar wäre. Infolgedessen sei der Hopfen in den USA und in Japan nicht mehr zu vermarkten.
Mit giftigem Fungizid gegen harmlosen Apfelschorf?
Der BUND kritisiert die geplanten höheren Grenzwerte deutlich und warnt vor giftigen "::Schneewittchenäpfeln" in den Regalen. Apfelschorf (leicht gewölbte dunkelgrüne oder braune Flecken) habe keinerlei gesundheitlichen Auswirkungen – das Fungizid Folpet hingegen sehr wohl.
Der Wirkstoff zählt zur Gruppe der Phthalimide. Der Stoff, der pilzliche Schaderreger abtötet, wird seit den 1950er-Jahren als Fungizid verwendet. In der Zulassung von Folpan durch das BVL im Jahr 2018 stehen unter anderem die Einschätzungen "Verdacht auf krebserzeugende Wirkung" und "sehr giftig für Wasserorganismen".
Die Einschätzung "wahrscheinlich krebserregend" wurde außer von einer US-amerikanischen Behörde Environmental Protection Agency (EPA) auch von einer UN-Behörde getroffen. In einer älteren Studie wird Folpet zudem als erbgutverändernd eingestuft und als hochgiftig für Fische und Wasserorganismen.
Inzwischen entschieden sich die Obstbauern am Bodensee dafür, das umstrittene Pflanzenschutzmittel vorerst nicht auf ihren Plantagen auszubringen. Aufgrund der aktuell trockenen Wetterbedingungen sei dies nicht nötig.
Da auch in den kommenden zwei Wochen kein Regen vorhergesagt sei, müsse man in dieser Saison gar nicht mehr mit dem Einsatz von Folpan gegen Pilzbefall rechnen, erklärt Thomas Heilig, Vorsitzender der "Obstregion Bodensee e. V." gegenüber dem SWR. Zudem hätten Großkunden erklärt, dass sie keine mit Folpan behandelten Äpfel abnehmen würden.
Äpfel müssen nicht makellos sein
Auch Äpfel mit Schorf können bedenkenlos gegessen werden. Und selbst aus schrumpeligen Äpfeln lässt sich immer noch ein leckeres Mus kochen. Einziger Nachteil: Die Äpfel lassen sich nicht so lange lagern, da die Schorfstellen rissig werden können. Zudem lässt sich der Schorf an den betroffenen Stellen vor dem Verzehr einfach herausschneiden.
Im Lebensmittelhandel muss nicht unbedingt optisch perfektes Obst und Gemüse verkauft werden. So wird im Bio-Lebensmittelhandel auch Obst angeboten, das weniger formvollendet ist – manchmal zu reduzierten Preisen.
Apfelplantagen werden am häufigsten gespritzt
Deutsche Äpfel werden häufiger gespritzt als andere Marktfrüchte. So wurde 2022 auf den Plantagen nach Daten des Julius Kühn-Instituts im Durchschnitt 29,5 mal die zugelassene Pestizidmenge ausgebracht. Pro Jahr werden weltweit etwa vier Millionen Tonnen Pestizide eingesetzt – Tendenz steigend. Das zeigen Auswertungen im Pestizidatlas 2022, der von Heinrich-Böll-Stiftung, BUND, dem Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN Germany) und der Monatszeitung Le Monde Diplomatique veröffentlicht wird.
Knapp die Hälfte davon sind Herbizide, die gegen Unkraut wirken, gefolgt von Insektiziden und Fungiziden. Ferner gibt es weitere Pflanzenschutzmittel – etwa gegen Milben, Fadenwürmer, Schnecken und Nagetiere. Hierzulande werden jährlich bis zu 35.000 Tonnen Pestizide verwendet, oft beim Wein- und Hopfenanbau. Das entspricht etwa einem halben Kilogramm Pflanzenschutzmittel pro Einwohner. Apfelbäume werden in Deutschland allerdings mit Abstand am häufigsten gespritzt – rund 20- bis 30-mal pro Saison.
Starke Schwankungen bei Obsternten
Pro Jahr und Kopf wurden hierzulande im Jahr 2022/23 rund zwanzig Kilogramm Äpfel gegessen. Der Pro-Kopf-Konsum von Obst in Deutschland liegt bei etwa 64,9 Kilogramm pro Person. Der deutsche Selbstversorgungsgrad bei Obst lag zuletzt bei 22,7 Prozent.
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Die größten Apfelanbaugebiete hierzulande sind im Alten Land im Norden sowie in der Bodensee-Region. So stammt jeder dritte Apfel, der in Deutschland verkauft wird, vom Bodensee. Während die Anbauflächen für Äpfel auf einem relativ konstanten Niveau blieben, gibt es bei den jährlichen Erntezahlen aufgrund wechselnder Wetterlagen starke Schwankungen. Der saisonale Anbau verschiedener Obstsorten sorgt zeitweise für ein reduziertes Angebot aus dem Inland bzw. Preisschwankungen.
Landwirtschaft muss nachhaltig umgebaut werden
Bedingt durch den Klimawandel wird es künftig verstärkt Extremwetter-Ereignisse mit Starkregen, wochenlanger Dürre oder extremer Hitze geben. Die daraus folgenden Probleme im Anbau von Obst und Gemüse lassen sich nicht durch Notfall-Verordnungen für eine Saison lösen, mahnt der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).
Aus diesem Grund müssen langfristig nachhaltige Anbaumethoden zum Einsatz kommen. Im Obstanbau ließe sich Apfelschorf vermeiden oder reduzieren, wenn widerstandsfähige Apfelsorten angebaut werden. Regelmäßiger Baumschnitt sorgt zudem für gute Belüftung, was Schorfbefall ebenfalls vermindern kann.