Verstecktes Wasser: Ihr täglicher Verbrauch liegt bei 3.900 Litern
Wasser ist unsere kostbarste Ressource, doch die Menschheit verschwendet sie sträflich. Die Folgen könnten verheerend sein.
Monatelang stöhnte Spanien unter der Dürre, als Ende Oktober überraschend sintflutartige Regenfälle einsetzten: Innerhalb eines Tages fiel in östlichen Küstenregionen im Süden von Spanien so viel Regen wie sonst in einem Jahr. Schlamm, verwüstete Straßen, übereinander geschobene Autos – die Sturzfluten hinterließen schwere Verwüstung und mehr als 200 Tote in den Regionen um Valencia, Murcia und große Teile von Andalusien. In vielen Gebieten fehlte es an Nahrung, Wasser und Elektrizität.
Gleichzeitig sind die Menschen in New York angehalten, Wasser zu sparen, denn in der Metropole hat es seit etwa sechs Wochen nicht mehr geregnet, wie die ARD berichtet.
Derartig wechselnde Wetterextreme werden sich künftig häufen, warnen Wissenschaftler. Starkregen und Überflutungen ist nur eine Seite des Klimawandels – die andere zeigt sich in Dürre und Wassermangel.
Im Schatten der Klimakrise droht globale Wasserknappheit
Bis zum Jahr 2050 könnte ein aus den Fugen geratener Wasserkreislauf mehr als die Hälfte der weltweiten Nahrungsmittelproduktion gefährden. Schon heute sind fast drei Milliarden Menschen und mehr als die Hälfte der globalen Lebensmittelproduktion sind von Dürren und unzureichender Wasserversorgung betroffen.
Zu diesem Schluss kommt die Global Commission on the Economics of Water in einem aktuellen Bericht. Autoren sind u. a. die Wirtschaftsprofessorin Mariana Mazzucato, Ngozi Okonjo-Iweala (Generaldirektorin der Welthandelsorganisation) sowie Tharman Shanmugaratnam, Präsident von Singapur. In dem Inselstaat werden aktuell bis zu 40 Prozent des täglichen Wasserbedarfs aus wieder aufbereitetem Abwasser gedeckt.
Wetterextreme mit wirtschaftlichen Folgen
Man gehe davon aus, dass bei der Nutzung von Wasser nach dem Kreislaufprinzip stets dieselbe Menge Wasser zurückkommt – erklärt Johan Rockström, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und Mitglied der Kommission. Allerdings verändern der menschengemachte Klimawandel und die intensivierte Landnutzung den Niederschlag, Quelle allen Süßwassers.
Die globale Erwärmung führt einerseits zu instabilem Wasserzyklus mit Dürren und Hitzewellen, andererseits zu enormen Starkregenereignissen. Dadurch werde sich Gesamtmenge an verfügbarem Süßwasser langfristig verringern.
Dürren oder Starkregen – das eine wie das andere verursacht hohe Kosten. Zudem führen kurzfristige Gewinne zulasten des Klimas und der Umwelt langfristig zu immer höheren Kosten.
Vor diesem Hintergrund prognostiziert der Bericht den Ländern dieser Welt einen durchschnittlichen Rückgang ihres Bruttoinlandsprodukts – des Gesamtwertes aller nationalen Waren und Dienstleistungen – von bis zu acht Prozent.
Bei einkommensschwachen Staaten seien es sogar bis zu fünfzehn Prozent. Ein weiterer Effekt: Durch den Verlust von Bodenwasser sinken Städte immer tiefer herab – wie in China, wo infolge von Bauboom und Grundwasserentnahme der Boden unter den Städten absinkt. Gleichzeitig steigt der Meeresspiegel, sodass in den nächsten hundert Jahren etwa ein Viertel der Flächen unter Meeresspiegelniveau sinken. Küstennahe Städte drohen überschwemmt zu werden.
"Grünes Wasser" in Pflanzen gespeichert
Kritisiert werden zudem Wasserschutzmaßnahmen, bei denen zumeist Flüsse, Seen und Grundwasser im Fokus stehen. Allein dieses "blaue Wasser" zu betrachten, greife zu kurz. Oft übersehen werde dabei das "grüne Wasser" – die Feuchtigkeit in Böden und Pflanzen, das für etwa die Hälfte der Niederschläge verantwortlich ist.
Pflanzen verdunsten Wasser, das in die Atmosphäre zurückkehrt, sich in Wolken sammelt und als Regen wieder auf die Erde fällt. Der Schutz des grünen Wassers stabilisiere nicht nur den Wasserkreislauf, sondern erhält die Biodiversität.
Grünes und blaues Wasser werden vermischt
Bei der Bereitstellung und Verteilung von Trink- und Brauchwasser entstehen Kosten, die entweder vom Nutzer oder von der Allgemeinheit bezahlt werden. Das in dieser Studie verwendete Konzept von blauem (Wasser in Seen, Flüssen und Grundwasser), grünem oder grauem Wasser1 verwische diesen wichtigen Unterschied, kritisiert Stefan Siebert von der Universität Göttingen in einer Stellungnahme des deutschen Science Media Centers (SMC) den Bericht der Wasserschutz-Kommission.
Es benötige eine klare Unterscheidung zwischen kostenlosem Regenwasser sowie Trink- und Brauchwasser. So stehe einem Landwirt im Boden sowohl Regenwasser als auch kostenpflichtiges Bewässerungswasser zur Verfügung. In der Studie werde beides als "grünes Wasser" vermischt. Zudem wandle sich das Wasser an vielen Stellen seines Kreislaufes von blau nach grün oder grün nach blau. Eine ökonomische Analyse ist somit unmöglich.
Virtuelle Wasserströme bleiben unberücksichtigt
Die Analysen zur Wasserknappheit für blaues und grünes Wasser berücksichtigten nur lokale Wasserressourcen, kritisiert der Agrarwissenschaftler. So werden dicht besiedelte Gebiete in die Kategorie mit höchster Wasserknappheit eingestuft, obwohl die dort lebenden Millionen Menschen davon bislang wenig mitbekamen.
Die Gründe dafür liegen in Wassertransfers und Handelsströmen über große Entfernungen hinweg. So werde Trinkwasser über hunderte Kilometer aus der Eifel und dem Bergischen Land in die Ballungsräume um Köln und Düsseldorf transportiert.
Importprodukte aus Dürregebieten transportieren Wasser in den Norden
Nahrungsmittel und Verbrauchsgüter werden in entfernten Regionen produziert und über weite Strecken hinweg zu den Konsumenten gebracht. Eingerechnet das Wasser für Produktion von Kleidung und Lebensmitteln, konsumiert jeder Deutsche pro Tag knapp 3.900 Liter Wasser – inklusive durchschnittlich 127 Liter "sichtbares" Wasser zum Waschen und Trinken.
Der Hartweizen für die Pasta, die hier im Supermarkt verkauft wird, stammt aus den wasserarmen Regionen Südeuropas. Ein anderes Beispiel sind Blau- und Erdbeeren: Aus Andalusien, einer von Trockenheit geplagten Region, werden die Beeren in reiche Industrieländer importiert. Die Beeren wachsen auf gigantischen Plantagen, die illegal bewässert werden, während das angrenzende Feuchtgebiet des Nationalparks Coto Doñana austrocknet.
Wasser in Rindfleisch und Kleidung
Zur Herstellung von einem Kilogramm Rindfleisch werden rund 16.000 Liter Wasser verbraucht, das Wasser zum Tränken der Tiere sowie für den Anbau der Futtermittel eingerechnet. Wassernutzung sei regional so lange kein Problem, wie lokale Wasserressourcen nicht übernutzt würden, erklärt Wasserexperte Dietrich Borchardt.
Anders liegt die Sache, wenn für wasserintensiven Anbau von Baumwolle Gewässer von der Größe des Aralsees durch Bewässerungslandwirtschaft praktisch verschwinden. So verschlingt ein T-Shirt allein für den Anbau der Baumwolle im Schnitt 2.700 Liter Wasser. Zur Reinigung der Baumwolle und der Stoffe, Fertigung der Farben usw. braucht es ebenfalls Wasser, sodass der Verbrauch insgesamt auf 15.000 Liter Wasser pro T-Shirt steigt.
Wasserressourcen nachhaltiger nutzen
Nicht den Klimawandel sieht Agrarexperte Stefan Siebert als größte Gefahr für die Wasserversorgung, sondern das "potenzielle Versagen der Wassernutzungsinfrastruktur" – etwa durch fehlende Investitionen in Erhaltung und Modernisierung des Wasser- und Abwassernetzes.
Bei Einschränkungen des Handels – etwa durch Embargos oder havarierte Schiffe, die den Suezkanal blockieren – seien die Menschen gezwungen, mit lokal verfügbaren natürlichen Ressourcen an Boden, Wasser und Sonnenenergie auszukommen.
Um den weltweiten Wasserbedarf langfristig zu sichern, müssen Wasserressourcen nachhaltiger und global strategisch genutzt werden. Ferner sollten Maßnahmen zur Verbesserung der Wassernutzung nicht isoliert betrachtet werden. So werde mithilfe von Gewächshäusern zwar Bewässerungswasser eingespart, für deren Bau jedoch energieaufwendige Ressourcen benötigt. Er fordert ganzheitliche Ansätze und Lösungen, die alle Krisen mitdenken.
Wasser muss fair bepreist werden
Was für einen Liter Wasser bezahlt wird, deckt in vielen Ländern nicht das, was sein Verbrauch an verdeckten Kosten global und langfristig erzeugt. Das führt dazu, dass Wasser verschwendet werde. Vor diesem Hintergrund fordert die Kommission Unternehmen dazu auf, ihren "Wasserfußabdruck" offenlegen, der blaues und grünes Wasser umfasst.
Angemessene Wasserpreise, Subventionen und andere Anreize sollen für eine effizientere und nachhaltigere Nutzung sorgen. Die Preisgestaltung soll angemessen, global und sozial gerecht erfolgen. Wie das konkret passieren soll, bleibt allerdings unklar.
Dietrich Borchardt scheint die Forderung nach einer Bepreisung des grünen Wassers wenig realistisch. Bisher sei nicht mal gelungen, das blaue Wasser in allen relevanten Nutzungssektoren adäquat zu bepreisen, kritisiert der Leiter des Bereiches Wasserressourcen und Umwelt am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Magdeburg gegenüber dem SMC.
Die ökonomische Bewertung hingegen von Beiträgen der Land- und Forstwirtschaft oder von Schutzgebieten zur Sicherung eines nachhaltig funktionierenden natürlichen Wasserkreislaufs hält er für sinnvoll.
Wege aus der Wasserkrise
Die Kommissionsvorsitzende Mariana Mazzucato plädiert für Wasserinvestitionen, die nach langfristigen, gesamtwirtschaftlichen Vorteilen bewertet werden, anstatt nach kurzfristigem Nutzen. Sie benennt folgende Stellschrauben:
Transformation der Lebensmittelindustrie durch Ausweitung der Mikrobewässerung, Steigerung der Wassereffizienz, schrittweise Umstellung auf regenerative Landwirtschaft sowie von tierischer auf pflanzliche Ernährung. Schutz des "grünen Wassers": Bis 2030 sollen 30 Prozent der bedrohten Wälder erhalten und weitere 30 Prozent der geschädigten Ökosysteme wiederhergestellt werden.
Stärkung der Kreislaufwirtschaft: Abwasser soll in großem Maßstab aufbereitet und wiederverwendet werden. Branchen der Zukunft aufbauen: Auto- und Techindustrie verbrauchen derzeit enorme Mengen an Wasser und Energie.
Erneuerbare Energien, Halbleiter und künstliche Intelligenz dürfen die globale Wasserknappheit nicht verschärfen. Sauberes Wasser für alle: Bis 2030 soll der Zugang zu sauberem Wasser weltweit für ländliche Gemeinden sichergestellt werden, damit Kinder nicht an verunreinigtem Wasser sterben.
Wasser muss globales Gemeingut werden
Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung leidet aktuell unter Wasserstress. Bleibt in ganzen Regionen der Regen über lange Zeiträume aus, kann dies jederzeit existenzielle Krisen auslösen.
Lesen Sie auch
Wem gehört das Wasser?
Um die Ernährungssicherheit in Zukunft sicherzustellen, fordert die Kommission die Regierungen weltweit zum Handeln auf – für mehr Klima- und Wassergerechtigkeit: Verbindliche Partnerschaften, neue Eigentumsrechte, internationale Vereinbarungen zum Wasserschutz – vielfältige Maßnahmen sind denkbar.
Wichtig ist nur, dass bald etwas geschieht. Denn die Frage ist nicht, was eine Maßnahme kostet, sondern welche Kosten durch Nichtstun entstehen werden.