Ernteausfälle durch Klimawandel: Droht Deutschland eine Lebensmittelkrise?

Mähdrescher, kleiner werdende Weizenähren

Agrarministerium erwartet deutliche Einbußen. Wie lässt sich der Schaden begrenzen? Was klimaresilienter Ackerbau leisten kann.

Der Deutsche Bauernverband (DBV) klagt in diesem Jahr über teils erhebliche Ernteeinbußen, verursacht durch "nasse Witterung von Herbst bis Frühsommer, fehlende Sonne". So waren allein in Bayern rund dreitausend Landwirtschaftsbetriebe von Hochwasser betroffen. Rund 55.000 Hektar standen unter Wasser. In den betroffenen Regionen konnte nur etwa die Hälfte aller Flächen beerntet werden.

Kein Wunder, dass die deutsche Ernte in diesem Jahr teilweise deutlich unter dem Durchschnitt liegt: Die Getreideernten (Weizen, Roggen, Hafer, Gerste, Triticale, Körnermais) fallen laut Statistischem Bundesamt mit 39,4 Millionen Tonnen voraussichtlich um rund drei Millionen Tonnen geringer aus als im Vorjahr (42,4 Millionen Tonnen).

Damit setzt sich der seit zehn Jahren anhaltende Abwärtstrend der Erntemengen beim Getreide fort, klagt der Deutsche Bauernverband. Sowohl Erntemengen als auch die Qualitäten haben in einigen Regionen unter den wiederkehrenden und zum Teil starken Niederschlägen massiv gelitten. So gab es bereits im vergangenen Herbst Probleme bei der Aussaat wegen der extremen Nässe.

Weniger Anbaufläche durch häufigere Wetterkapriolen

Nach den aktuellen Zahlen liegen die Erntemengen beim Weizen mit 18,8 Mio. Tonnen deutlich unter den des Vorjahres (21,5 Mio. Tonnen). Wegen ungünstiger Witterungsbedingungen zur Aussaatzeit im Herbst sei die Anbaufläche von Winterweizen um rund 330.000 Hektar zurückgegangen, wie es hieß.

In diesem Jahr verzögerten sich die Auspflanzungen jedoch durch den Regen. Allerdings konnten diese Defizite durch ungewöhnlich gute Ernten bei Sommerweizen ausgeglichen werden.

Rapsbauern verzeichnen im Gegensatz zum Vorjahr einen Rückgang von rund 14 Prozent. So liegt die Winterrapsernte mit einem Durchschnittsertrag von 3,38 t/ha auf einem ähnlich niedrigen Niveau wie im Vorjahr. Wegen der geringeren Anbaufläche sanken die Gesamterntemengen beim Raps von 4,2 Mio. Tonnen 2023 auf 3,6 Mio. Tonnen in diesem Jahr.

Pflanzenkrankheiten bei Kartoffeln und Zuckerrüben

Zwar konnten Herbstkulturen wie Zuckerrüben, Mais, Kartoffeln sowie Gemüse von den Niederschlägen profitieren, doch leiden vor allem Kartoffeln stark unter Kraut- und Knollenfäule. Obwohl die Flächen im Kartoffelanbau um neun Prozent erhöht wurden, werden Einbußen von sechs Prozent erwartet. Bereits im Vorjahr wurde die Ernte durch Nässe erschwert, in diesem Jahr verzögerten die Niederschläge die Auspflanzungen.

Im Zuckerrübenanbau traten verstärkt neue Krankheiten wie Stolbur oder Syndrome Basses Richesses (SBR) auf. Auch hier wurde die Ernte schon im Vorjahr durch Nässe erschwert. Im Obstbau verursachte der warme Winter eine frühe Blüte, die dann vom Spätfrösten geschädigt wurde.

Bei den Äpfeln wird mit rund 25 Prozent weniger Ernte gerechnet als im Zehn-Jahres-Schnitt. Einbußen durch Spätfröste gab es auch im Weinbau: Besonders bei den Neuanlagen führte der Aprilfrost teilweise zum Totalausfall, die Feuchtigkeit danach ließ die Trauben aufplatzen.

Angesichts des Ertragsrückgangs bei Getreide und Raps sowie des höheren Infektionsdrucks durch Pilzkrankheiten fordert DBV-Präsident Joachim Rukwied eine "Neuausrichtung in der Pflanzenschutzpolitik". Sprich: Es sollen noch mehr Chemikalien auf die Äcker. Effektiver Pflanzenschutz sei "zwingende Voraussetzung für sichere und gesunde Lebensmittel".

Pestizide verschärfen Umweltprobleme

Werden unsere Lebensmittel gesünder, wenn immer mehr Gifte in die Böden kommen? Wohl kaum. Pestizide in Monokulturen mögen vereinzelte Krankheitssymptome bekämpfen, lösen aber nicht das Grundproblem. Im Gegenteil: Sie vergiften Grundwasser und Ackerböden.

Aufgrund immer größerer Pestizidmengen und Erosion nimmt die Bodenfruchtbarkeit seit Jahrzehnten ab. Das bedroht nicht nur wichtige Ökosystemleistungen wie Wasserversorgung und Bodenfruchtbarkeit, sondern auch diverse Lebensraumfunktionen für Tiere und Pflanzen. Hinzu kommen Probleme durch Dürre- und Hitzeperioden sowie Starkregen und Überflutungen.

Nutzpflanzenvielfalt erhöht Widerstandsfähigkeit auf dem Acker

Schon bei der Aussaat sollten Sorten gewählt werden, die weniger anfällig gegen Trocken- und Hitzestress sind und sich als robust gegenüber Schadorganismen erweisen, empfiehlt das Bundesumweltamt.

Generell können eine hohe Sortenvielfalt sowie der Einsatz robuster Sorten und Kulturarten das Risiko von Ernteausfällen reduzieren. Im früheren Stadium der Vegetationsperiode sind jedoch geringere Kornerträge zu erwarten. Der Anbau bestimmter Maissorten, Hirse, Soja sowie weitere wärmeliebende Arten könnte zudem das Wasser effektiver nutzen.

Eine konservierende Bodenbearbeitung, weite Fruchtfolgen mit wechselnden Pflanzenarten und Zwischenfrüchten, ganzjährige Bodenbedeckung durch Untersaaten erhöhen die Bodenfruchtbarkeit und reduzieren die Erosion durch Wind und Wasser.

Weiterhin empfiehlt das Umweltbundesamt, vernässte Flächen unter- sowie oberirdisch zu entwässern. Böden in Steillagen sollten bepflanzt bzw. bedeckt werden, um Erosion zu mindern. Darüber hinaus vermindern leichtere Maschinen mit breiteren Reifen Bodenverdichtungen.

Klimaresiliente Anbausysteme: Agroforst und Streifenanbau

In Agroforstsystemen werden Ackerkulturen, Grünland und/oder Bäume gemeinsam angebaut. Das reduziert Winderosion, erhöht die Bodenfruchtbarkeit und Wasserhaltefähigkeit. Es schafft ein günstiges Mikroklima vor Ort und erhöht die Biodiversität, wie hier eingehend beschrieben.

Eine erprobte Methode, um Krankheiten und Schädlinge zu mindern und gleichzeitig gesunde Lebensmittel zu erzeugen, ist der Anbau in Streifen. Dabei werden vielfältige Kulturen in benachbarten Streifen angepflanzt, wobei auf jedem Streifen Fruchtfolgen eingehalten werden. Das erfordert natürlich einige technische Anpassungen und langfristige Planungen.

Böden fit machen gegen Dürre und Vernässung

Die Regenerative Landwirtschaft zielt darauf ab, aus lebend verbauten Kohlenstoff im Boden Humus aufzubauen. Sie basiert auf aus in der Praxis gewonnenen Erfahrungen und ist ein stets fortschreitender Prozess, der betriebsindividuell angepasst werden muss:

Laut Definition des Pflanzenbauexperten Dietmar Näser werden durch die Interaktion von Pflanzen- und Bodenleben mikrobielle Prozesse im Boden gefördert und wiederhergestellt. Um die Nährstoffe im Boden ins Gleichgewicht zu bringen und Nährstoffe in die Pflanzen einzulagern, muss der Boden belebend gedüngt werden.

Böden müssen dauerhaft und vielfältig begrünt werden, um die Artenvielfalt zu fördern und das Bodenleben zu nähren. Der Unterboden ist zu lockern und mit Wurzeln stabilisieren. Der Oberboden wird belebt, indem der Bewuchs flach und locker eingegraben wird.

In der Flächenrotte werden Bodenmikroben pflanzlicher Frischmasse gefüttert. Pflanzenfermente sollen die Pflanzenwirkung in den Boden zu bringen und Wirtschaftsdünger beleben. Eine optimale Photosynthese fördert das Bodenleben – und die Erntequalität bei stabilen Erträgen.

Mit Mulch bedeckte Böden speichern Wasser

Starkregenereignisse treten meist dann auf, wenn die Böden so ausgetrocknet sind, dass kaum Wasser einsickert. Zudem erhitzen sich bei sehr hohen Temperaturen die oberen Schichten und schaden dem Pflanzenwachstum. Außerdem verdunstet viel Wasser, ohne den Pflanzen zugute zu kommen. So leiden in trockenen Sommern vor allem Hackfrüchte selbst auf guten Böden. Kartoffeln etwa werden ungenießbar oder sind weniger gut lagerfähig.

In einem mehrjährigen Feldversuch an der Uni Kassel wurde durch reduzierte Bodenbearbeitung und Kompostgaben der Kohlenstoffgehalt in den oberen 100 Zentimetern des Bodens um bis zu 27 Prozent erhöht. Kohlenstoff und Nährstoffe lagerten sich im Boden ein. Auch Starkregen wurde besser aufgenommen.

Eine zusätzliche Mulchdecke kühlt den Boden deutlich herunter, speichert zusätzlich Wasser und vermindert dessen Verdunstung. So war der Boden unter dem Mulch in bis zu 15 Zentimetern Tiefe in den heißesten Tagen des Jahres 2022 um vier Grad Celsius kühler als gewöhnlich. Alle genannten Maßnahmen steigern die Resilienz des Bodens gegenüber extremen Wetterbedingungen.

Auch der Bühlerhof im süddeutschen Murrtal bringt auf den Kartoffeläckern Mulch aus, denn dieser kühlt den Boden, verhindert Erosion und hält die Feuchtigkeit in den Dämmen, so dass die Knollen gleichmäßiger wachsen und sich besser roden lassen.

Klimaanpassung gelingt nur, wenn sich Agrarpolitik ändert

Längst sei es in vielen Betrieben Realität, sich an den Klimawandel anzupassen, behauptet Cem Özdemir. Doch ist das wirklich so?

Bei genauem Hinsehen ist da noch viel Luft nach oben. Jahrzehntelang gab die Politik ihre Rahmenbedingungen vor. Doch nicht nur Weltmärkte und Energiepreise ändern sich, auch Wetter und Klima sind ständig in Bewegung – und werden immer unberechenbarer. Bisher gültige Gesetze und landwirtschaftliche Praktiken reichen nicht mehr aus, um "sichere, gesunde Lebensmittel" zu erzeugen.

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace fordert den Agrarminister auf, vor der Agrarlobby nicht länger einzuknicken und Ertragseinbrüche nicht mehr mit Chemie und Gülle zu bekämpfen.

Doch dafür müsste in den Köpfen ein Umdenken stattfinden: Landwirte müssen begreifen, dass die "gute fachliche Praxis" mit Pestiziden und Mineraldüngern ausgedient hat. Nicht nur, weil sie damit fruchtbare Böden zerstören, sondern auch, weil sie immer geringere Ernten einfahren.