Ist das schon der Klimawandel?

Die Energie- und Klimawochenschau: Im Sahel folgt Flut auf Dürre, in Pakistan wird viel Hilfe benötigt und Meteorologen sehen einen Zusammenhang mit dem Klimaschutz

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Während Westrussland Aussicht auf Regen und ein Ende der großen Hitze hat, reißen anderswo die Katastrophenmeldungen nicht ab. In der chinesischen Provinz Gansu, südwestlich der Inneren Mongolei, sind am Wochenende erneut 36 Menschen durch schwere Regenfälle getötet worden, wie die Nachrichtenagentur Xinhua schreibt. Eine Woche zuvor waren, wie in Telepolis berichtet, in der gleichen Provinz bei einem von Unwettern ausgelösten Erdrutsch über Tausend Menschen ums Leben gekommen.

Schwere Niederschläge setzen mittlerweile auch den Menschen in Westafrika südlich der Sahara zu, wie der britische Sender BBC letzte Woche berichtete. Nachdem bereits im letzten Jahr der große Strom der Region, der Niger großflächig über seine Ufer getreten war und anschließend ungewöhnliche Hitze sich mit unterdurchschnittlichen Niederschlägen zu einer fast ein Jahr langen Dürre verbanden, wird die Region nun erneut von zerstörerischen Niederschlägen heimgesucht.

In Niamey, der am Niger gelegenen Hauptstadt des gleichnamigen Landes, wurden tausende Häuser zerstört. In Ghana, Sierra Leone und Burkina Faso sind mehrere Dutzend Menschen ums Leben bekommen. Im Tschad ist von den schwersten Niederschlägen seit 50 Jahren die Rede. In Guinea sollen Hagelkörner so groß wie Hühnereier gefallen sein und die Ernte zerstört haben. 30.000 Haustiere seien entlang des Nigers durch die Überschwemmungen getötet und zahlreiche Felder vernichtet worden.

Aufgrund der langen Dürre sind Nahrungsmittel in den Länder der Region ohnehin schon knapp und teuer. Mehrere Millionen Menschen sind akut vom Hunger bedroht und hängen von den verteilten Rationen der Hilfsorganisationen ab.

Pakistan in Not

Am meisten internationale Aufmerksamkeit bekam in der letzten Woche das Schicksal der vielen Flutopfer in Pakistan, deren Lage durch mangelhaftes staatliches Management offensichtlich deutlich verschlimmert wird. Die Weltmeteorologieorganisation WMO spricht von bisher 1 600 Toten und mehr als sechs Millionen Obdachlosen. Insgesamt seien 40 Millionen Menschen von den Auswirkungen der Überschwemmungen direkt betroffen.

Die Zahlenangaben über Opfer und Ausmaß der Zerstörung variieren allerdings von Quelle zu Quelle, die UN geht von etwas geringeren Zahlen aus. Die Angaben der WMO stammen vermutlich vom Pakistanischen Wetterdienst, der WMO-Mitglied ist.

Keine Entwarnung für Pakistan. Für Dienstag waren weitere Niederschläge entlang des Indus vorhergesagt, allerdings werden die wohl vergleichsweise moderat ausfallen. Der Wetterdienst erklärte am Montag davon, dass kein starkes Monsun-System in Sicht sei.

Die Vereinten Nationen hatten am Donnerstag letzter Woche nach mehr Hilfe für die Opfer gerufen. 460 Millionden US-Dollar seien nötig. Bis zum Wochenende waren davon erst knapp 100 Millionen eingezahlt oder zugesagt. Besonders schlimm sei die Situation in der nordöstlichen Provinz Kyhber-Pakhtunkhwa, wo 600.000 Menschen nur mit Hubschraubern zu erreichen sind, sagte der Direktor des World Food Programs für Pakistan, Wolfgang Herbinger. In Deutschland sammeln u.a. Bündnisse wie Entwicklung Hilft (Brot für die Welt, medico international, MISEREOR, terre des hommes, Welthungerhilfe) oder Aktion Deutschland Hilft für die Pakistan-Hilfe.

Wegen der zögerlichen und unzureichenden Hilfe der Regierung für die Flutopfer hat die sozialistisch orientierte pakistanische Arbeiterpartei gemeinsam mit den ihr nahestehenden Gewerkschaften eine eigene Anlaufstation für Flutopfer aufgebaut. Das schreibt das in Australien erscheinende linke Magazin "Links". Dort wird auch berichtet, dass die Provinz Belutschistan im Südwesten des Landes besonders vernachlässigt werde, obwohl ebenso hart betroffen wie der Punjab oder Khyber-Pakhtonkwa. Australische Gewerkschaften haben derweil zu einer eigenen Hilfskampagne aufgerufen.

Die Spendenbereitschaft habe in Deutschland, heißt es bei Entwicklung hilft, in den letzten Tagen zugenommen, aber die Aufgaben seien gewaltig, auch längerfristig. 16 Prozent der Ackerflächen Pakistans seien zerstört, und die Wiederherstellung werde mit großem Aufwand verbunden sein. Andere Quellen sprachen bereits letzte Woche von einem Schaden von einer Milliarde US-Dollar, der allein an den landwirtschaftlichen Bewässerungseinrichtungen entstanden sei.

Ursachensuche

Ist das schon der Klimawandel?, fragt man sich angesichts der Fülle der Katastrophenmeldungen dieser Tage nicht nur in Pakistan. Die WMO, eine Organisation, deren Mitglieder allesamt staatliche Behörden sind, und die daher stets sehr zurückhaltend und diplomatisch auftritt, spricht in ihrer bereits oben zitierten Stellungnahme einerseits davon, dass nicht so ohne weiteres von einem Extremereignis auf Klimaänderungen geschlossen werden könne. Andererseits wird aber auf die lange Liste der Extremereignisse der letzten Monate verwiesen und dabei unter anderem auch noch die schweren Dürren und Waldbrände vom letzten Jahr in Australien, der jüngste riesige Gletscherabbruch auf Grönland und eine Hitzewelle erwähnt, die diesen Sommer den Nordosten der USA heimsuchte.

In einer für die WMO eher ungewöhnlichen Deutlichkeit heißt es dann: "Klimaextreme hat es immer gegeben, aber alle die oben erwähnten Ereignisse (Fluten in Pakistan, Dürre in Russland und im afrikanischen Sahel sowie die letztgenannten) sind in Intensität, Dauer oder geografischer Ausdehnung mit den entsprechenden bisherigen größten Ereignissen vergleichbar oder übersteigen diese noch." Nach Angaben des russischen Wetterdienstes gebe es dort zum Beispiel aus Studien, die bis ins zehnte und elfte Jahrhundert zurückreichen, keine Hinweise auf ähnlich heiße Temperaturen, wie sie der europäische Teil Russlands in den letzten Wochen erlebt hat.

Mit anderen Worten: Selbst die zurückhaltenden WMO-Meteorologen halten die Häufung der Wetterextreme auf diversen Kontinenten für ein starkes Indiz, das für einen Klimawandel spricht. Und sie weisen daraufhin, dass dies ganz den Erwartungen der Klimawissenschaften entspricht:

... es wird erwartet, dass sich Art, Häufigkeit und Intensität extremer Ereignisse in dem Maße verändern, wie sich das Erdklima wandelt; und diese Veränderungen können selbst bei vergleichsweise kleinen Änderungen der klimatischen Mittelwerte auftreten. Veränderungen einiger Arten von Extremereignissen wurden bereits beobachtet, zum Beispiel mit der Zunahme der Häufigkeit und Intensität von Hitzewellen und Starkniederschlägen.

IPCC 2007, Summary for Policy Makers WG I, FAQ 10.1, p. 122, zitiert nach WMO, eigene Übersetzung

Das Zitat stammt aus der Zusammenfassung für Entscheidungsträger des 2007 veröffentlichten Berichts der ersten Arbeitsgruppe des UN-Klimarates IPCC. Das ist jene der drei IPCC-Gruppen, die sich ausschließlich aus Naturwissenschaftlern zusammensetzt und die die Aufgabe hat, den aktuellen Kenntnisstand über das gegenwärtige und vergangene Klima sowie über Projektionen künftiger Entwicklungen zusammenzutragen.

Mehr Klimaschutz gefordert

Australien gehörte zwar lange Jahre zu den großen Bremsern in den internationalen Klimaverhandlungen und ist, wenn es nach Pro-Kopf-Emissionen geht, einer der ganz großen Klimasünder, der zudem noch eifrig Kohle exportiert. Aber es ist auch das Land mit einer der stärksten und aktivsten Klimaschutzbewegungen, wie sich am vergangenen Wochenende mal wieder zeigte.

Zum jährlichen Walk against Warming kamen in Adelaide, Brisbane, Canberra, Darwin, Hobart, Melbourne, Sydney und Perth mehrere Zehntausend Menschen zusammen. Die größten Demonstrationen gab es in Sydney mit 10.000 Teilnehmern und Brisbane, wo nach einem Bericht des Sydney Morning Herald 8.000 bis 10.000 Menschen auf die Straße gingen.

In einem landesweiten Aufruf wurde auf die für Samstag bevorstehenden Wahlen verwiesen. Beide große Parteien, sowohl die Liberalen als auch Labour, hätten in Sachen Klimaschutz versagt. In Melbourne versinnbildlichten Demonstranten dies, in dem sie einen Teil ihres Marsches rückwärts zurücklegten.

"Wir reduzieren unsere Emissionen und recyceln unseren Abfall. Wir sparen Wasser und Energie und kaufen grünen Strom. Und wir gründen Klimaaktionsgruppen im ganzen Land. Derweil bekommen wir von unseren Politikern nur Gerede, Rückschritte und Verzögerungen. Sie geben uns steigende Verschmutzung und den großen Verschmutzern einen Freifahrschein.

Kracher der Woche

Und dann war da noch die Atom-Lobby mit ihrem PR-Supergau. Der Spiegel kolportierte am Wochenende, die AKW-Bereiber E.on, Vattenfall, EnBW und RWE hätten in den Verhandlungen mit der Regierung über die Laufzeitverlängerungen mit der sofortigen Abschaltung ihrer Meiler gedroht, sollten die Pläne für eine Brennelementsteuer nicht fallen gelassen werden. Nicht nur bei engagierten AKW-Gegnern dürfte das für viel Heiterkeit gesorgt haben.

Immerhin machen die Unternehmen damit deutlich, dass von einer "Brückentechnologie" nicht die Rede sein kann. Die AKWs könnten teils sofort, teils in wenigen Jahren abgeschaltet werden, ohne dass es ein Versorgungsproblem geben würde, wie Greenpeace sich beeilte zum wiederholten Male vorzurechnen. Immerhin ist Deutschland in den letzten Jahren bereits zum Nettostromexporteur geworden und lässt aufgrund verschleppten Netzausbaus einen Teil der Windenergieleistung ungenutzt.

Branchenverbände hatten bereits vor eineinhalb Jahren der Bundeskanzlerin eine Studie überreicht, nach der bis 2020 der Anteil der Erneuerbaren an der Stromversorgung von derzeit 16 auf 47 Prozent steigen könnte (der Anteil der AKWs beträgt derzeit noch etwa 23 Prozent). Dafür wäre nicht viel mehr nötig, als an der bisherigen Förderung festzuhalten und vielleicht noch die Erneuerung der alten Windparks zu erleichtern. Hilfreich wäre natürlich auch, wenn endlich die schwarz-gelbe Windkraft-Blockade in den drei südwestlichen Bundesländern fallen würde.

Gute Nachrichten

Und zum Abschluss die gute Nachricht der Woche. In China wurden 500 Betriebe per Regierungsdekret für einen Monat stillgelegt, weil sie zu viel Energie verbrauchen. Einige Wochen zuvor waren landesweit 2000 der übelsten industriellen Verschmutzer vor die Alternative Stilllegung oder Modernisierung der Produktionsanlagen gestellt worden.