Ist der Verbraucher Souverän?

Verbraucherpolitik: Auf der Suche nach Neuorientierung

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

und neue wirtschaftspolitische Perspektiven der Verbraucherpolitik waren das Thema der Tagung der Evangelischen Akademie Tutzing vom 28. bis 30. Juni 2004, bei der ein neuer Anschub für die Verbraucherpolitik gesucht wurde.

Immer breitere Märkte, eine kontinuierliche Deregulierung der Gemeinwirtschaft, also die Kommerzialisierung des öffentlichen Bereichs, und dramatische gesellschaftliche Umbrüche - das sind die Lebensbedingungen der Verbraucher heute. Hier Verbraucherinteressen durchzusetzen, ist Aufgabe der Verbraucherpolitik. Was sie dazu benötigt, das war wohl die eigentliche Zielsetzung der prominent besetzten Tagung Der Verbraucher als Souverän? der Evangelischen Akademie Tutzing vom 28.-30. Juni.

Evident ist: Die vielgerühmte Wissensgesellschaft hat nicht zu mehr Verbraucherkompetenz geführt. Nachvollziehbar in Hinblick auf die "digitale Kluft" hat sich auch bei den Konsumenten die Kluft zwischen den "informierten" und den "nicht informierten" Verbrauchern verschärft. Insgesamt ist das, was als Marktangebot den Verbrauchern gegenüber steht, für diese weitgehend undurchschaubar. Zudem würden, wie ein Tagungsteilnehmer meinte, die Schulen skandalös dabei versagen, die jungen Menschen auf Verbraucherfragen, also auf die Rolle des Marktteilnehmers, vorzubereiten.

Eine Neuorientierung der Verbraucherpolitik ist aber noch nicht in Sicht, auch wenn bereits neue Konturen sichtbar werden. So ist es natürlich legitim, alle Fragen und Probleme anzugreifen, die den Verbraucher berühren. Auch die Grundversorgungsgüter und der moderne neoliberale Umgang mit ihnen ist ein wesentliches Thema der Verbraucherpolitik.

Deutlich wurde hier, dass die Vermarktwirtschaftlichung des Infrastrukturbereichs, also der Grundversorgung oder, wie es auch gelegentlich heißt: der Daseinsvorsorge, der falsche Weg ist. Die bisherigen Erfahrungen bei der Kommerzialisierung (Privatisierung) von Bahn, Wasser und Energie zeigen, dass die Ergebnisse für die Verbraucher zu schlechterer Qualität, höheren Preisen und Intransparenz führen. Dazu kommt ein rasanter Arbeitsplatzabbau. Überdies war genau das: schlechte Versorgung und Qualität bei hohen Preisen der Grund für die Verstaatlichung der Bahn im 19. Jahrhundert und die Kommunalisierung der Energieversorgung Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts. Und immerhin gibt es auf kommunaler Ebene beispielsweise die Möglichkeit der Partizipation der Bürger - bei den Unternehmen gibt es nur eine Partizipation der Großaktionäre.

Souveränität

Kann es gelingen, dem Verbraucher zu Souveränität zu verhelfen, wenn schon die Institutionen alles andere als souverän sind? In Brüssel oder vorher schon bei der WTO bestimmen im Wesentlichen die Beamten mit einem NGO-Zoo die Spielregeln (Richtlinien). Aber kann man Brüssel undemokratisches Verhalten vorwerfen, wenn schon die parlamentarische Demokratie in den Nationalstaaten nicht richtig funktioniert, also auch hier vor allem die Administration die Spielregeln im Parlament entscheiden lässt, gab Hans Micklitz auf der Tagung zu bedenken.

Neu ist, dass das sozial verträgliche Unternehmerverhalten in den Brennpunkt der Verbraucherpolitik genommen wurde. CSR (Corporate Social Responsibility) als einer der Schwerpunkte, um der Marktwirtschaft (dort, wo sie sein und bleiben soll) ein humaneres Erscheinungsbild zu geben. Die Stiftung Warentest wird in Zukunft neben den Produkten auch die Unternehmen in sozialer und ökologischer Hinsicht mitbewerten.