Ist die deutsche Autoindustrie noch zu retten?

Seite 2: Krisen-IAA

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Der Stern schrieb schon vor einigen Monaten, dass es Absagen hagele. Aus Japan und Frankreich werde kein einziger Hersteller kommen, deutsche Anbieter reduzieren ihre Präsenz erheblich. Der Focus sprach vor zwei Wochen von einer Krisen-IAA.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) weist ebenfalls auf den Bedeutungsverlust der Messe hin, die einst eine der wichtigsten in der globalen Autowelt war, und spricht davon, dass der deutschen Autoindustrie das Nokia-Schicksal drohe. Der finnische Handyproduzent hatte einst die Einführung des Smartphones verschlafen und ist daraufhin untergegangen.

Unter den 20 weltweit meistverkauften E-Autos sei kein einziges deutsches, so die DUH. Stattdessen solle auf der IAA auf 4.000 Quadratmetern mitten in Frankfurt ein Off-Road-Parcours für SUV errichtet werden. Um den Menschen zu erklären, weshalb sie in den Städten mit panzerähnlichen Geländewagen herumfahren müssen.

"Als gebe es keine sterbenden Wälder, schmelzenden Gletscher und vergiftete Luft in den Innenstädten, zelebrieren die deutschen Autokonzerne mit dem SUV als Stadt-Geländewagen das wohl absurdeste Mobilitätsangebot auf deutschen Asphaltstraßen", so die DUH.

Deutsche Hersteller könnten Interessenten, so die DUH, derzeit nur drei Elektroautos anbieten. Neben dem BMW i3 seien dies zudem auch noch zwei "sündhaft teure" SUV. Dennoch gibt es Leute, die BMW für einen Elektro-Pionier halten.

Verkorkste Industriepolitik

Die DUH spricht von einer gescheiterten Industriepolitik und einem industriepolitischen Desaster. Statt neue elektrische Mittelklassewagen anzubieten, würden sich die hiesigen Hersteller einen absurden Wettbewerb um den größten und längsten SUV liefern.

Die Autokonzerne sollten einen radikalen Modellwechsel vollziehen und freiwillig auf SUVs verzichten. Die dadurch freiwerdenden Ingenieure sollten lieber Elektrobusse und elektrische Nutzfahrzeuge entwickeln.

Wenn die Bundesregierung BMW, Daimler und VW keine Radikalkur in Richtung Zukunftsfähigkeit und Umstieg auf alternative Antriebe verordnet, werden diese in wenigen Jahren nur mehr ein Nischendasein als Hersteller für Oldtimer-Ersatzteile spielen. Der Rückstand auf die führenden Hersteller von batterieelektrischen Modellen beträgt zwischenzeitlich fünf bis sieben Jahre. Die Digitalisierung scheitert im analogverliebten Deutschland bereits am fehlenden Tempolimit.

Jürgen Resch, DUH-Bundesgeschäftsführer

Die DUH hat angesichts der Misere einen 12-Punkte-Plan zur Rettung der deutschen Automobilindustrie mit ihren über 800.000 Arbeitsplätzen vorgelegt. Darin wird gefordert, dass noch vor der IAA der Öffentlichkeit und den elf Millionen Diesel-Pkw-Besitzern alle Details über die verbauten Abschalteinrichtungen offengelegt werden.

Außerdem sollen die Autokonzerne ihr Einverständnis erklären, dass die zuständigen Behörden und Ministerien alle Akten und Messprotokolle über den Dieselskandal veröffentlichen. Dies werde bisher trotz anderslautender Gerichtsurteile verhindert. Schließlich sollen sich die Hersteller noch vor der IAA verpflichten, alle betroffenen elf Millionen Pkw kostenlos nachzurüsten.

Von der Bundesregierung wird unter anderem verlangt, von allen Herstellern und Importeuren ein Strafgeld von 5.000 Euro pro Betrugsdiesel zu erheben und die Diesel-Subventionen einzustellen. Ab 2025 sollten keine neuen Pkw mit Verbrennungsmotor mehr zugelassen werden und ein Tempolimit von 120 Kilometer pro Stunde auf den Autobahnen sowie von 80 Kilometer pro Stunde auf den Landstraßen eingeführt werden. Die Verbraucher werden zu einem "Verbrenner-Fasten" aufgerufen, also dazu, keine neuen Diesel- oder Benzin-Pkw mehr zu kaufen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.