It's the consultancy, stupid!

Wahlkämpfe gewinnt man nicht mit Themen, sondern mit dem richtigen Berater

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Politikberatung ist ein lukratives Geschäft. In Zeiten einer ausufernden Mediendemokratie, die vor zwölfstündigen Marathonübertragungen aus den Untersuchungsausschüssen nicht zurück schreckt (Beispiel deutscher Außenminister) und die wenigen fotogenen Mandatsträger samt Schickeria-Begleitung (Beispiel österreichischer Finanzminister) gerne ins rechte Licht setzt, steht immer häufiger die Frage nach der Kontrolle über die medial versendeten Bilder auf dem Programm und Prüfstand.

In einem nicht gerade langsam verlaufenden Lernprozess haben die politischen Akteure denn auch schon große Fortschritte gemacht - die so genannte "source professionalization", also der adäquate Umgang mit sensiblen Ursprungsmaterial, wird in den Parteizentralen längst groß geschrieben. Kommunikative Kollateralschäden im Stile des "badenden Rudolf" auf Mallorca werden allmählich seltener - das Turteln von Karl-Heinz Grasser, dem jugendlichen Finanzminister Österreichs, mit der Schickeria-Perle Fiona Swarovski, folgt gänzlich anderen ästhetischen Spielregeln. Die wirklich moderne Form der "Source Professionalization" beginnt eben manchmal schon unmittelbar am eigenen Körper...

Doch während in Europa noch immer das "Abbildungsmedium" Fernsehen als das Nonplusultra der professionellen Politikvermittlung via elektronischer Massenöffentlichkeit gilt, weisen Rückblicke auf das US-amerikanische Kampagnengeschehen des Jahres 2004 darauf hin, dass die Dominanz auf den Fernsehschirmen nicht mehr ausreicht, um Wahlen zu gewinnen. In einer bemerkenswerten Präsentation im Rahmen einer Klagenfurter Tagung zum aktuellen Stand Politischer Kommunikation zeichnete der US-amerikanische Beratungsstar Stanley Greenberg ein vielfach gebrochenes Bild vom Zustand einer marketingtechnisch zugerichteten Politik.

Greenberg zählt zur Garde der hochbezahlten "Celebrity Consultants", die mit ihrem guten Namen das Geschehen rund um die Washingtoner "K-Street" prägen, den Sitz vieler einflussreicher Politikberatungsagenturen (sein Unternehmen GQR Research) residiert zwar auf der benachbarten J-Street, die eigentliche "Beraterstraße" bleibt jedoch auch weiterhin das K-Segment auf dem Washingtoner-Stadtplan). Zur Riege der schlagzeilentauglichen Beraterstars zählen auch der ehemalige Clinton-Berater Dick Morris oder das Mastermind der letzten Bush Jr.-Kampagne, Karl Rove.

Der detailreiche Vortrag des alerten Großberaters zu Ablauf und Design der jüngsten Kampagnen um das Weiße Haus ging zwar davon aus, dass durchaus die themenbezogene Frontstellung entlang kultureller Gegensätze ("cultural polarization") und eine damit verbundene Einbindung parteiexterner Netzwerke wie etwa der vielbeschworenen "religiösen Rechten" das Umfeld für Wahlkampagnen liefert. Für viel mehr als "Startpunkte" und "Rahmenbedingungen" scheint das, was irgendwann einmal als "ideologische Gegensätze" bezeichnet wurde, jedoch nicht mehr zu taugen.

Tatsächlich wahlentscheidend ist in den Augen Greenbergs allerdings die feingliedrige Operationalisierung der Ausgangssituation - neben dem thematischen Feinschnitt stellt vor allem die Technisierung und Professionalisierung politikbezogener Kommunikationsservices den Transmissionsriemen zwischen gesellschaftlichen Strömungen und avanciertem Politikmarketing dar. Allmählich scheint sich dabei auch das Gleichgewicht zwischen alten und neuen Medien zu verschieben: Es ist nicht allein damit getan, dem Kandidaten eine möglichst breite Sichtbarkeit auf den Fernsehschirmen zu garantieren oder ihn (demnächst auch: sie) für die entscheidenden Tests auf Bildschirmtauglichkeit zu präparieren. Das aktuelle Stichwort dazu ist "source professionalisation": Natürlich sind Fernsehauftritte und Kandidatenduelle zu Schlüsselszenen im Prozess der Präsidentenwerdung mutiert, doch ist es inzwischen auch möglich, noch mit zwei offenkundig verlorenen Rededuellen eine Wahl zu gewinnen. George Bush jr. respektive der ihn wie ein medialer Sicherheitsgürtel umgebende Beraterstab hat es vorgemacht. Der tatsächliche Schlüssel zum Weißen Haus liegt nicht mehr in der souveränen Präsenz auf den Fernsehschirmen, sondern im marketingtechnischen Guerillakrieg auf den letzten Metern bis zur Wahlurne.

Micro-targeting und die Globalisierung der Beratung

Im Flackern der Powerpoint-Spiegelstriche verwies Stanley Greenberg wiederholt auf die Möglichkeiten des "micro-targeting". Wenn sich keine großflächigen Differenzen zwischen den sich auf die Mitte konzentrierenden Kandidaten ausmachen lassen, gewinnt die mediengestützte Direktansprache isolierter Wählergruppen an Bedeutung. Das Internet fungiert entweder als wichtiges Tool zur Kampagnenfinanzierung (der in den USA eine weitaus demokratischer Tradition innewohnt als hierzulande) oder zur Optimierung einer für gewöhnlich schwach ausgeprägten Organisationskommunikation der "Parteien". Die oft formulierten Stärken der politischen Online-Kommunikation - argumentationsorientierte Entscheidungsfindung und die Einbindung sonst politikferner Stimmen - können sich im Fegefeuer des Marketings (bislang) nicht behaupten. Auch die in den USA weitaus stärker präsente und auch publizistisch respektierte Gemeinde der Blogger tritt hinter die Nutzung des Netzes als Marketing-Maschinerie zurück.

Wahlentscheidende politische Kommunikation weist im Verbund mit der landesweiten Markierung von "Battleground States" immer mehr Ähnlichkeiten mit den Strukturen herkömmlicher Marketingstrategien auf. Diese wenigen umstrittenen Einzelstaaten übernehmen funktional die Rolle von Schlüsselmärkten, deren Dominanz die Lage in anderen Marktsegmenten übertünchen kann. An genau diesen Stellen haben Greenberg und seine Leute den Wählermarkt nicht überzeugen können - die intensive Konzentration der Gegenseite auf wenige umstrittene Wahlbezirke, eben das bessere "micro-targeting", markierte die Differenz im politisch wie inhaltlich toten Rennen zwischen Kerry und Bush: Es geht mitnichten um große politische Richtungsentscheidungen, sondern um die kleinräumige Mobilisierung von Fokusgruppen auf einem medial sezierten Marktplatz der sozialen Befindlichkeiten.

Während in Europa Gegenstände und eine adäquate Implementierung von Beratungsleistungen in politische Strukturen noch vergleichsweise umstritten sind, beginnen die "big player" des politischen Consulting bereits mit der Ausdehnung ihres Einflusses. Längst mischen international tätige Beratungsimperien wie "GQR Research", Greenbergs eigenes Unternehmen, in europäischen Kampagnen mit und betreiben damit eine nicht uneigennützige Marktentwicklung. Die "Greenberg Group" war bereits in Großbritannien und Österreich aktiv, nun ist mit dem landes- wie bundespolitischen Beben am letzten Sonntag schneller als erwartet ein weiteres Krisengebiet im linken Kampagnenspektrum aufgetaucht.

Die globale Beratungs-Elite ist mit Sicherheit für einen Noteinsatz zu haben. Aus kurzer Distanz zur Flucht nach vorn könnte man beinahe meinen, dass Schröders Coup nicht nur seinem politischen Machtinstinkt entstammt - die vorzeitige Konfrontation des ganzen Landes mit der Frage, ob eine Frau zur Bundeskanzlerin gewählt werden kann (unterstützt von einem potenziellen Koalitionspartner mit homosexuellem Spitzenkandidaten), könnte auf den Reißbrettern der Celebrity Consultants kaum besser erfunden worden sein. Die K-Street ist überall.