Italien setzt zur Rettung der Krisenbanken an
Wie bereits erwartet wird zunächst die älteste Bank der Welt erneut mit Steuergeldern aufgefangen und die eigentlich in der Bankenunion vorgesehene Gläubigerbeteiligung ausgehebelt
Dass die Zeitbombe Italien wieder lauter tickt, ist seit längerem klar und die Lage der italienischen Banken ist ein deutlicher Indikator dafür. Nun kommt die erwartete Rettung der drittgrößten Bank des Landes. Die Regierung des extrem verschuldeten Italiens hatte schon vorsorglich 20 Milliarden Euro für die Monte dei Paschi di Siena (MPS) und andere Kreditinstitute bereitgestellt. Die MPS, die älteste Bank der Welt, hat in der Nacht zum Freitag erklärt, sie werde eine vorsorgliche Rekapitalisierung beantragen. Es war stets unsicher, dass ausreichend private Anleger gefunden werden, damit die Bank an frische fünf Milliarden Euro kommt. Doch davon wurden nur etwa zwei Milliarden bereitgestellt, womit die Bemühungen am Donnerstag definitiv gescheitert sind. Deshalb kommt nun erneut eine Rettung auf Kosten der Steuerzahler, die es eigentlich nicht mehr geben sollte. Sicher hat die Ablehnung der Verfassungsreform die Bemühungen nicht gerade befördert, die staatliche Rettung der drittgrößten Bank des Landes zu vermeiden. Das Nein der Bevölkerung hat vermutlich sogar den unabwendbaren Absturz noch beschleunigt. Offensichtlich hatte die Bank auch mit falschen Zahlen gehandelt. So wurde just in dem Moment erklärt, als auch der Staatsfonds von Katar nicht mehr bereit war, als "Ankerinvestor" einzusteigen, um weitere private Geldgeber anzulocken, dass die Finanzlöcher in der MPS noch größer als ohnehin erwartet sind. So teilte die plötzlich mit, dass sie nur noch für vier Monate liquide sei, zuvor war stets davon gesprochen worden, die Bank könne den Betrieb noch elf Monate garantieren.
Erstaunlich ist eigentlich nur wieder, dass praktisch alle Banken in Europa weiter "systemisch" sind und "alternativlos" gerettet werden müssen. Nachdem die Bank schließlich die Rekapitalisierung beantragt hatte, erklärte der neue Ministerpräsident, die Regierung habe eine Notfallverordnung verabschiedet. Paolo Gentiloni, der nach dem Abgang über das Referendum von Matteo Renzi die Regierung übernommen hatte, kündigte die Schaffung eines Fonds zur Stabilisierung des Bankensektors im Umfang von 20 Milliarden an. Als erste Bank solle darüber die Monte dei Paschi gestützt werden. Damit erhöht sich die Staatsverschuldung des extrem verschuldeten Landes weiter, dessen Verschuldung schon auf 2,25 Billionen Euro angeschwollen ist und dessen Verschuldungsquote nur von Griechenland übertroffen wird.
Neu sind die Rettungen der Bank nicht, denn nun wird der Steuerzahler in Italien zum dritten Mal zur Kasse gebeten. Im Rahmen der Finanzkrise ab 2008 kam auch die MPS in schwieriges Fahrwasser durch fragwürdige Geschäfte und Kreditvergaben. Die übliche Klientelwirtschaft führte dazu, dass viele gefährliche Kredite an Freunde, Verwandte und Politiker vergeben würden, von denen viele akut ausfallgefährdet sind.
Alle Bemühungen, die Monte dei Paschi bisher zu stabilisieren, sind in den letzten Jahren gescheitert
Ausgegangen wird davon, dass von der Kreditsumme von 110 Milliarden Euro mit 47 Milliarden Euro fast die Hälfte faul ist. Und dazu kamen zweifelhafte Geschäfte, wie die Übernahme der Bank Antonveneta im Jahr 2007 für gut neun Milliarden Euro, für die sich auch die Staatsanwaltschaft interessiert. Denn die große spanische Santander hatte Antonveneta erst kurz zuvor für sechs Milliarden gekauft, weshalb die Übernahme zum Himmel stank, die entsprechend geschmiert worden sein soll.
Wer solche Geschäfte macht, kommt spätestens in einem schwierigen Umfeld mit einer Finanzkrise in die Schieflage. Um die Pleite abzuwenden, bekam die Bank schon vier Milliarden Euro an Steuergeldern vom italienischen Staat, als der heutige Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) der Chef der italienischen Notenbank war. Mario Draghi war damals der oberste Aufseher der Banken in Italien. Der kam seiner Aufgabe auch auf diesem Posten mehr schlecht als recht nach, um es wenig zugespitzt zu formulieren. Man könnte es als bedrohliches Zeichen ansehen, dass Draghi nun als EZB-Chef praktisch seit Ende 2014 der oberste Aufseher aller europäischen Banken ist.
Alle Bemühungen, die Monte dei Paschi bisher zu stabilisieren, sind in den letzten Jahren gescheitert. Die Bank ist mehrfach als schlechteste Bank durch EZB-Stresstests gefallen, obwohl die ohnehin eher als Beruhigungspille ausgelegt sind. Andere Abstürze, wie der der größten portugiesischen Bank Espirito Santo, wurden nicht einmal entdeckt. Die diversen Abstürze der letzten Jahre haben schon deutlich gemacht, dass die Bankenkrise nicht einmal Ansatzweise beseitigt wurde.
Inzwischen warnte sogar der Internationale Währungsfonds (IWF) davor, dass ein Drittel aller Banken in Europa gefährdet sei. Draghis absurde EZB-Geldpolitik ist wiederum dafür verantwortlich, dass den Banken über die Null- und Negativzinspolitik die Erträge wegbrechen. Die "Ertragslage der europäischen Banken ist angespannt", meinte zum Beispiel der Bundesverband deutscher Banken (BdB), wonach "ausgerechnet die gesunden und liquiden Banken" unter der derzeitigen EZB-Politik besonders zu leiden hätten.
Steuerzahler wird trotz Bankenabwicklungsmechanismus zur Kasse gebeten
Doch zurück nach Italien, wo der Fall der Monte dei Paschi eigentlich zum Lackmustest für den Bankenabwicklungsmechanismus (Single Resolution Mechanism, SRM) werden sollte. Der sieht seit Januar 2015 einheitliche Regeln für eine geordnete Abwicklung oder Sanierung der europäischen Banken unter Beteiligung der Gläubiger vor. Und mit dem SRM wurde unter anderem die europäische Bankenunion begründet. Behauptet wurde damit - die nächste Beruhigungspille -, dass in Zukunft der Steuerzahler nicht mehr für Bankenrettungen zur Kasse gebeten werden würde.
Dass das stets unglaubwürdig war, wurde auf Telepolis auch herausgearbeitet. Im Fall der MPS wird schon eifrig in Rom an Vorstellungen gearbeitet, wie die Beteiligung der Gläubiger ausgehebelt werden kann. Die großen Anleger können ohnehin praktisch nicht mehr herangezogen werden. "Seitdem die Bank in den Schlagzeilen ist, ziehen Kunden ihre Gelder ab, um sie in Sicherheit zu bringen", hat die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) festgestellt. Allein in den vergangenen paar Monaten sollen Einlagen im Umfang von bis zu sechs Milliarden Euro abgeflossen sein. So kommt die Zeitung zur richtigen Erkenntnis und titelt: "Jetzt wird das Zaudern teuer."
Die Aktionäre konnten sich längst zurückziehen. Seit Jahresbeginn haben die Aktien der Bank aus der toskanischen Stadt, mit dem wunderschönen runden Platz, an der Börse in Mailand etwa 90% ihres Werts verloren. Der Aktienkurs stürzte am Donnerstag erneut ab, weshalb der Handel der Aktien ausgesetzt wurde. Erstmals seit dem Börsengang im Jahr 1999 fiel die Aktie unter die Schranke von 16 Euro, bevor in Rom entschieden wurde, der Bank erneut mit Staatshilfen unter die Arme zu greifen. Die MPS, die 25.000 Mitarbeiter hat, ist an der Börse gerade noch 500 Millionen Euro wert.
In diese Bank sollen jetzt erneut Milliarden fließen, obwohl sogar angesichts immer neuer Finanzlöcher in den Büchern unklar ist, ob die geplanten 20 Milliarden ausreichen werden. Es drängt sich, auch was der Umgang mit den Zahlen und versteckten Risiken in den Büchern angeht, der Vergleich zu Spanien und der großen Bankia auf. Die Rettungssummen wurden bei der viertgrößten spanischen Bank 2011 ständig höher und höher geschraubt. Die Regierung veranschlagte zunächst bis zu 7,5 Milliarden. Schließlich wurden es mehr als 22 Milliarden Euro und Spanien musste wegen Bankia teilweise unter den Rettungsschirm schlüpfen, weil es das Geld nicht aus eigener Kraft aufbringen konnte.
Eine Besonderheit, die Spanien und Italien verbindet, sind auch die nachrangigen Beteiligungen. Sie wurden Sparern meist in völliger Unkenntnis, um welche gefährlichen Produkte es sich handelt, von spanischen Banken wie Bankia oder auch von italienischen Banken wie Monte dei Paschi angedreht. Das geschah in Spanien meist in betrügerischer Absicht, wie Gerichte in zahlreichen Urteilen zu den "preferentes" längst festgestellt und die Rückzahlung der Einlagen angeordnet haben. Ähnlich sieht es in Italien aus. Bei der MSP gibt es etwa 40.000 kleinere Anleger, die nun ihre Ersparnisse im Umfang von etwa zwei Milliarden in der Bank stecken haben und sie nicht herausziehen können.
Die dienen nun aber wiederum der Regierung dazu, die nach den Richtlinien zur Bankenabwicklung und Bankensanierung vorgesehene Gläubigerbeteiligung auszuhebeln. Es klingt ehrenwert, wenn die Regierung nicht nun ausgerechnet diese Kleinanleger für die Rettung zur Kasse bitten will, nachdem sie den großen Fischen in den letzten Monaten über ihr Vorgehen viel Zeit gelassen hat, um sich aus der Bank herauszuziehen, um einer Beteiligung an der Rettung zu entgehen. Verdeckt wird darüber auch die politische Verantwortung dafür, dass aus Rom gegen das absurde Treiben nicht einmal eingeschritten wurde, nachdem die verheerenden Ergebnisse aus Spanien bekannt waren.
Über einen Trick, geplant ist, dass der Staat die Kleinanleger herauskauft, soll vor absehbaren Neuwahlen nun vor allem der politische Suizid vermieden werden. Denn insgesamt sollen die Italiener bis zu 200 Milliarden Euro in solchen Anlagen bei den verschiedenen Banken stecken haben. Würden die 40.000 Kleinanleger bei der MPS nun ihr Geld wie über den SRM eigentlich vorgesehen verlieren, würde das für einen politischen Sturm ungekannten Ausmaßes sorgen. Schon als im vergangenen Herbst etwa 10.000 Sparer bei kleineren Genossenschaftsbanken etwa 360 Millionen Euro verloren, gab es große Proteste, nachdem auch einige Betroffene Selbstmord begangen hatten. Schon deshalb wird es nun eine Rettung geben, an der die Gläubiger wieder nicht beteiligt werden.
Und so kann die Berliner taz in einem Kommentar auch richtig feststellen, dass diese Bankenrettung zeige, dass die Finanzlobby gesiegt habe. "Damit ist die europäische "Bankenunion" von 2014 gleich am ersten Realitätstest gescheitert. Denn sie sah eigentlich vor, dass zunächst die Aktionäre und Gläubiger einspringen sollen, wenn eine Bank in Schieflage gerät." Und tatsächlich ist das keine Überraschung. Von Anfang an war abzusehen, dass es nicht funktionieren würde, die Gläubiger zahlen zu lassen. "Die 'Bankenunion' war eine Farce. Sie sollte nur kaschieren, dass es den europäischen Politikern nicht gelungen ist, sich gegen die Finanzlobby durchzusetzen: Das Eigenkapital der Banken ist immer noch viel zu niedrig, um Verluste aufzufangen. Also wurde die Mär verbreitet, dass ja auch die Gläubiger haften könnten, falls es zu einer Bankpleite kommt."
Als Trick zur Bankentrettung wird eine "präventive Rekapitalisierung" durch den Staat aufgeboten
Sogar das Handelsblatt kommt nun zu einem ähnlichen Ergebnis, das auf Telepolis schon vor mehr als vier Jahren diskutiert wurde. Im TP-Gespräch machte sich die Wirtschaftswissenschaftlerin und emeritierte Professorin für angewandte Ökonomie Miren Etxezarreta schon im Sommer 2012 dafür stark, dass es die "logischste Konsequenz wäre, die Banken abstürzen zu lassen". Daher fragt sich nun selbst das Handelsblatt, ob die Monte dei Paschi das Geld wert ist, um am Leben gehalten zu werden und meldet daran größte Zweifel an. Es sei ein großer Fehler gewesen, dass Italien seine Banken nicht schon vor Jahren entschieden rekapitalisiert habe. "Doch jetzt daraus den Schluss zu ziehen, man müsse nicht mehr lebensfähige Banken mit Staatsmitteln und unter äußerster Dehnung der neuen EU-Regeln am Tropf halten, wäre nicht nur ein fatales Signal an die Bürger Europas. Günstiger für den Steuerzahler wäre es auf lange Sicht, die Bank jetzt mit Staatsgeldern abzuwickeln." Und diese Zeitung meint auch, dass viele der Kleinanleger in Wirklichkeit - anders als im spanischen Fall - nicht wirklich einfache Leute sind.
Wie genau die Rettungspläne aussehen, ist noch nicht klar. Nach einem Bericht der Wirtschaftszeitung "Il Sole 24 Ore" soll sich der Vorgang sogar noch bis zu drei Monate hinziehen. Die Übergangsregierung von Paolo Gentiloni wolle demnach der Bank mit einer Staatsgarantie zunächst eine Atempause verschaffen. Dafür braucht das Land aber das Plazet der EZB und der Brüsseler Behörden, da Staatshilfen nach den Richtlinien nur unter Gläubigerbeteiligung möglich sein sollen.
Allerdings berufe sich die Regierung Gentiloni auf eine Klausel in den Regeln zur Bankenunion und wendet einen weiteren Trick an. Demnach soll eine "präventive Rekapitalisierung" durch den Staat auch ohne Gläubigerbeteiligung erlaubt sein. Darüber wird nun in Brüssel verhandelt und man darf erneut davon ausgehen, dass die Regeln wieder sehr weit ausgelegt werden. Man wird dies sogar dann gestatten, wenn, wie im Fall der Monte dei Paschi, der Staat sogar die Aktienmehrheit an der abstürzenden Bank übernimmt.
Es wird gerade nach der Destabilisierung über das Nein zum Referendum wohl wieder als "alternativlos" angesehen werden, dass die Bank mit Steuergeldern gestützt wird, um eine Zuspitzung der Krise in der EU nach dem Brexit zu vertagen. Zudem hat man große Furcht vor einem Banken-Dominoeffekt, der zunächst in Italien wirksam werden könnte. Schließlich steht es unter anderem auch um die zweitgrößte Bank nicht sonderlich gut.
Die Unicredit, zu der in Deutschland die HypoVereinsbank gehört, hat offiziell akut ausfallgefährdete Kredite im Wert von 77 Milliarden Euro in ihren Bilanzen. Ob darin noch weitere unbekannte Risiken schlummern, wie sie bei der MPS gerade wieder aufgetaucht sind, ist die zudem eine große Frage. Auch die Unicredit will im Januar eine Kapitalerhöhung durchziehen, die bisher noch gesichert sein soll. Sollte es zu einer Zuspitzung bei der Monte dei Paschi kommen, könnte aber auch die scheitern und der nächste noch größere Rettungsfall auftauchen.
Die Krise könnte sich schnell, angesichts der Verflechtungen, über ganz Europa ausbreiten. Zuletzt war ja sogar die Deutsche Bank angesichts ihrer vielen Probleme in Turbulenzen geraten. Eifrig waren deshalb die Bemühungen, wenigstens einen Konfliktfall in den USA schnell zu beseitigen, der die Bank allerdings sieben Milliarden Euro kostet, was so gedeutet wird, als wäre die Bank mit einem "blauen Auge" davongekommen.
In Spanien läuft derzeit ohnehin schon wieder eine verdeckte präventive Bankenrettung, die man Rettung von Autobahnbetreibern nennt. Auf die spanischen Banken kommen ohnehin nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs neue Milliardenforderungen zu. Sie haben Kunden über viele Jahre betrogen, überzogene Zinsen eingezogen und sich bisher geweigert, diese an die Betroffenen zurückzuzahlen, woran nun kein Weg mehr vorbeiführt.