Spanische Banken haben Kunden um Milliarden betrogen
Der EuGH watscht spanische Banken, Regierung und Justiz ab, die zur Bankenrettung verhindern wollten, dass Kunden zu viel gezahlte Zinsen zurückgezahlt werden
Es wäre ein Schlag gegen Verbraucherrechte in Europa gewesen, wäre der Europäische Gerichtshof (EuGH) dem Gutachten seines Generalanwalts auch in diesem Fall gefolgt, wie es eigentlich in Luxemburg fast immer geschieht. Doch die EuGH-Richter folgten einer gesunden Rechtsauffassung und verurteilten spanische Banken dazu, alle Zinsen an ihre Kunden zurückzuzahlen, die über missbräuchliche Klauseln in Hypothekenverträgen über viele Jahre kassiert worden waren.
Die Argumentation der spanischen Banken und der Regierung war absurd, der der Generalanwalt Paolo Mengozzi gefolgt war, als er im vergangenen Sommer in seinem Gutachten für die Richter ebenfalls mit "makroökonomischen Auswirkungen" und "außerordentlichen Umständen" argumentiert hatte. Auch er meinte, angeschlagene Banken könnten über ein negatives Urteil für sie erneut in Schieflage geraten, weshalb die Verbraucher auf durchschnittlich etwa jeweils 10.000 Euro verzichten sollen. Er hatte Bankenrettung über die Verbraucherrechte in Europa gestellt.
Das Rechtsempfinden in Europa wäre weiter schwer beschädigt worden, wenn die Richter dieser Auffassung gefolgt wären. Doch die haben dem Generalanwalt, der spanischen Regierung und deren Justiz eine kalte Dusche verpasst. Die Banken müssen nun doch neue Milliarden an ihre Kunden zurückzahlen.
Die Finanzinstitute hatten gemäß in Spanien üblichen Kreditverträgen mit kurzfristig variablen Zinsen diese nicht an die Verbraucher weitergegeben, als die Zinsen gefallen waren. Dafür hatten sie sogenannte Mindestzinssatzklauseln missbräuchlich im Kleingedruckten in die Verträge als Boden eingezogen. Das hatten Richter am Obersten Gerichtshof in Madrid grundsätzlich schon 2013 als missbräuchlich abgeurteilt, als der Milliardenbetrug an Verbrauchern scheinbar beendet worden war. Doch in Madrid waren die Banken nur dazu verurteilt worden, überhöhte Zinsen erst ab dieser Urteilsverkündung zurückerstatten zu müssen und nicht das Geld, was zuvor illegal kassiert wurde.
"Die fraglichen Klauseln sehen vor, dass der Verbraucher, selbst wenn der Zinssatz untereinen im Vertrag festgelegten Mindestzinssatz fällt, weiterhin Mindestzinsen in dieser Höhe zahlen muss, ohne in den Genuss eines darunter liegenden Zinssatzes kommen zu können", fasste der EuGH die Sachlage zusammen. Er urteilte aber, dass diese spanische Rechtsprechung dem Unionsrecht entgegensteht. "Die Feststellung der Missbräuchlichkeit muss dazu führen, dass die Lage wiederhergestellt wird, in der sich der Verbraucher ohne diese Klausel befunden hätte." Jeder missbräuchlich kassierte Cent muss nun von den Banken an ihre Kunden zurückgezahlt werden.
Es geht um Milliarden
Um welche Summen es nun geht, ist umstritten. Plötzlich behaupten die betroffenen Banken, es handele sich "nur" um etwa vier Milliarden Euro. Dabei hatte in dem Verfahren die Großbank BBVA von 7,5 Milliarden Euro gesprochen. Sie ist nach Ansicht von Experten am stärksten betroffen. Auch die spanische Zentralbank hatte mit dieser Summe argumentiert, die den Banken schon deutlich mehr Schwierigkeiten machen wird. Allerdings muss es dabei nicht bleiben, denn bekannt ist auch, dass die überhöhten Zinsforderungen der Banken nicht selten auch die Zwangsräumung und Verlust der Wohnung zur Folge hatten, wenn die Verbraucher die überhöhten Forderungen nicht tragen konnten.
In diesen Fällen geht es nicht nur um zu viel gezahlte Zinsen, sondern um Schadensersatz und um weitere Gewinnausfälle. Denn das absurde spanische System, das Verbraucher nicht schützt, sieht vor, dass bei einer Räumung die Bank die Wohnung nur zur Hälfte des Wertes übernimmt, den sie einst schätzen ließ. Die Verbraucher verloren also oft nicht nur ihre Wohnung, sondern viele sitzen trotz allem weiter auf hohen Restschulden, die nun in etlichen Fällen nach dem Urteil ebenfalls fragwürdig sind.
Allerdings dürften in diesen Fragen wohl wieder viele Jahre vergehen, bis auch darüber der EuGH für die Verbraucher entscheidet. Dass die spanische Justiz für Verbraucherrechte eintritt, kann aus der bisherigen Erfahrung bezweifelt werden. Es waren – mit wenigen Ausnahmen – bisher fast immer europäische Gerichtshöfe, sei es der EuGH in Luxemburg oder der Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg, die illegale Zwangsräumungenin Spanien verhinderten oder geurteilt haben, dass das spanische Verbraucherrecht dem EU-Recht entgegensteht. Sogar die nach dem Urteil eingeleitete Reform der Konservativen verstößt weiter gegen EU-Recht, urteilte der EuGH vor einem Jahr. Passiert ist seither aber in Madrid nichts.