J. S. Bach und post-weihnachtliche Entlastungsdepressionen

Seite 2: Der erhabene Prototyp misslungenen Personalmanagements

Bach war bereits Konzertmeister vor Ort und eigentlich an der Reihe gewesen. Telemann lehnte das Stellenangebot dankend ab und verwies auf Bach als am besten geeigneten.

Dessen Gesuche und Bitten um eine Audienz wurden aber ignoriert und die Lieferung von Notenpapier gestrichen. Daraufhin unterschrieb er gegen ein sogenanntes Handgeld einen Arbeitsvertrag mit 60-prozentiger Lohnsteigerung bei einem anderen Fürsten.

Das war etwas Ähnliches wie eine Ablösesumme im heutigen Fußball, aber nicht für den Verein, sondern für den Spieler und in dieser Geschichte auch ohne Genehmigung und Freigabe vom Originalchef.

Nach damaligem Recht war dies ein eklatanter Vertragsbruch und Bach kam in Beugehaft in eine Arrestzelle ohne Musikinstrumente – aber das Stück, das er in dieser Zelle komponierte, wurde das meistgespielte barocke Stück überhaupt, der barocke Evergreen schlechthin. Hätte Bach 200 Jahre länger gelebt, wäre er heute allein durch die Urheberrechte an diesem Stück Multimillionär.

Je dunkler der Background, desto heller leuchten die Sterne

Das Präludium ist ein schönes Beispiel für Licht im Dunkel wie zum Beispiel speziell in einer Gefängniszelle oder ganz allgemein in einer sonneneinstrahlungsarmen Jahreszeit wie zwischen den Jahren.

Der einfachen, fließenden Melodie merkt man die Begleitumstände seiner Entstehung nicht an. Albert Schweitzer schrieb darüber, dass ein solches Stück zu spielen sei wie "aus der Welt der Unruhe zur Welt des Friedens" zu gelangen.

Forscher veranschlagen, dass so etwas nur jemand komponieren konnte, der trotz oder vielleicht wegen stets höchster Anspannung und Belastung durch suboptimale Arbeitsbedingungen und eine Horde an Kindern stets leistungs- und auch genussfähig geblieben war.

Bach war es angeblich oft schlichtweg egal, was andere über ihn dachten. Dafür hatte er vor lauter Arbeit auch gar keine Zeit, und er mochte seine Arbeit so sehr, dass er der Legende nach bisweilen auch mal seine Perücke nach Orgelspielern geworfen haben soll, die ihm nicht passten.

Das Treppenstufenmuster

So etwas scheitert heutzutage nicht nur am Mangeln an Perücken. In Bachs Orgelbüchlein gibt es einen Choral namens "Christ lag in Todesbanden" (BWV 625). Der gilt als symptomatisch für die Persönlichkeit Bachs. Das Leitmotiv zeichnet sich durch absteigende Tonleitern aus, die immer wieder durch einen Aufwärtsschritt unterbrochen werden.

Dieses Treppenstufenmuster ist in vielen seiner Werke. Es ist, als ob er den negativsten Einflüssen immer eine positive Kraft entgegensetzt. Ein solcher Gegenpol war Bach auch im Leben für sein Umfeld, nicht immer nur positiv, aber zumindest immer ein Gegengedanke – und so wurde seine Musik dann im Laufe der Zeit zum Gegengedanken gegen Bequemlichkeit, Falschheit, Inhumanität und Mariah Carey.

Welche Möglichkeiten zum Verfugen ihrer kognitiven Risse nach Weihnachten bleiben bachfernen Leuten?