Japans Corona Zickzack-Kurs

Seite 3: Japans gesunde Bevölkerung

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Die hohe Infektions- und Todesrate in Italien wurde teilweise mit dem hohen Durchschnittsalter der Bevölkerung erklärt. Die Lebenserwartung der Italiener gilt als die weltweit zweithöchste. Noch vor Italien rangiert jedoch Japan. Zwar gelten die japanischen Senioren als überaus fit, was durch die weltweit höchste sogenannte "behinderungsfreie Lebenserwartung" ausgedrückt wird, die Lebens-, Arbeits- und Wohnverhältnisse der Japaner sind aber generell beengter als in Italien.

Im Krisenmanagement folgt die Regierung dem Rat ihres Expertengremiums, die sogenannten Infektions-Cluster aufzuspüren, zu tracken und zu bekämpfen. Diesem Rat gehören unter anderem der Virologe Hitoshi Oshitani von der Tohoku-Universität in Sendai und der Infektiologe Shigeru Omi an. Beide hatten vor nahezu 20 Jahren für die WHO die SARS-1-Epidemie bekämpft und versuchten nun, die gleiche Strategie in Bezug auf die Eindämmung der SARS-CoV-2-Pandemie anzuwenden.

Lange, Kritiker behaupten zu lange, konzentrierte sich der Krisenstab dabei auf die Cluster-Suche. Noch bis vor Kurzem bestanden Fernsehnachrichten aus langen Aufzählungen von einzelnen Personen, die andere Menschen in ihrer Umgebung angesteckt haben könnten. Dabei wurden nicht selten mit einem anklagenden Unterton teilweise persönliche Details preisgegeben, etwa: "Die Ärztin des Krankenhauses X, die 4 Wochen zuvor eine Reise nach Schweden unternahm, hat 20 Personen angesteckt."

Das sogenannte Kontakt- und Cluster-Tracing war zu Beginn der Pandemie auch in anderen Ländern die Methode der Wahl und wird es bei niedrigen Infektionszahlen auch bleiben. Doch nach einer explosionsartigen Ausbreitung der Infektionen, in Japan mit dem englischen Wort "Overshoot" bezeichnet, wird das Nachverfolgen einzelner Infektionsketten oft nicht mehr möglich, als einzige Lösung bleibt dann nur mehr der Lockdown, samt einer maximalen Eindämmung sozialer Kontakte. Japans Experten verteidigten dennoch ihre Strategie. Sie wollen sich auf Infektionsherde und auf Erkrankte konzentrieren und die Krankenhäuser vor dem Ansturm milder Fälle schützen.

Die japanische Zivilgesellschaft ist aus westlicher Sicht relativ schwach entwickelt. Heimquarantäne ist schwierig durchzuführen, da mobile Dienste oder freiwillige Helfer, die etwa Einkäufe erledigen würden, kaum existieren. Die Stadtverwaltungen mieten derzeit Hotels an, um dort Patienten mit milden Symptomen zu isolieren.

Ein Hausärztesystem wie in den meisten europäischen Ländern ist nicht durchgehend vorhanden, das Gesundheitssystem ist ein Flickwerk, die Krankenhäuser sind nicht vernetzt, zudem hat jede Präfektur eigene Organisationsstrukturen. Darüber hinaus ist das System äußerst Krankenhaus lastig. Die durchschnittliche stationäre Aufenthaltsdauer japanischer Patienten gehört zur weltweit längsten, weil Krankenhäuser gleichzeitig auch als Pflegeeinrichtungen für bettlägerige Menschen dienen. Das erklärt, warum Japans Puffer, eine große Infektionswelle zu bewältigen, geringer ist gegenüber vielen anderen Industrienationen.

Trotz offiziell niedriger Fallzahlen, berichten japanische Medien von überfüllten Spitalsabteilungen, Mangel an Schutzausrüstung, aber auch von Patienten mit COVID-19-Symptomen, die von mehreren Spitälern abgewiesen wurden - ein Erkrankter schaffte es auf 80 Krankenhäuser. Viele Menschen erzählen, dass ihnen trotz Symptomen die Untersuchungen auf das Coronavirus verwehrt wurden. Mit der Entscheidung zu weniger Tests könnten Spitäler zwar vor einem noch größeren Ansturm bewahrt werden, dafür wurden und werden wohl viele oligo- und asymptomatische Fälle übersehen, was unweigerlich zu einer unkontrollierten Ausbreitung des Virus führen dürfte.

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