Japans Regierung will offensivere Militärpolitik durchsetzen
Nach einem vorgeschlagenen Rekordhaushalt für das Verteidigungsministerium soll nun nach dem Geiseldrama an Staaten auch Militärhilfe geleistet werden können
Der japanische Regierungschef Abe hat trotz, wahrscheinlich aber wegen der beiden vom Islamischen Staat getöteten japanischen Geiseln nun einen weiteren Schritt auf das Ziel hin gemacht, das seit dem Zweiten Weltkrieg durch die Verfassung auf die Verteidigung beschränkte japanische Militär auch für Auslandseinsätze einsetzen zu können. Im Kabinett wurde beschlossen, ausländische Streitkräfte finanziell unterstützen zu können, bislang durfte Entwicklungshilfe nicht aus militärischen Zwecken oder zur Verstärkung internationaler Konflikte gewährt werden.
Die eng mit dem US-Militär durch einen Sicherheitspakt verbundenen "Selbstverteidigungskräfte" haben sich bislang nur an Friedensmissionen beteiligt, seit Jahren wird aber darüber diskutiert, die Einsatzmöglichkeiten zu erweitern. Japan ist neben Südkorea Hauptstützpunkt der US-Streitkräfte im pazifisch-asiatischen Raum und Teil des Bestrebens, China zu "containen", die Spannungen zwischen Japan und China sind in den letzten Jahren größer geworden (Pulverfass Asien, An allen Fronten). 50.000 US-Soldaten sind in Japan stationiert, das aufgrund der immer wieder erfolgenden Drohungen Nordkoreas auch unter den US-Raketenschirm gegangen ist. Die USA üben Druck aus, dass Japan sich auch militärisch mehr an Einsätzen beteiligt. So wurden 2014 in Japan zwei Überwachungsdrohnen des Typs Global Hawk mit der Erwartung stationiert, mit ihnen auch China und Nordkorea auszuspähen.
Das Kabinett hat nur einen ersten Schritt gemacht, aber deutlich darauf hingewiesen, dass man künftig aus "nationalen Interessen" Gelder an Streitkräfte geben will, um Japans Wirtschaft und Sicherheit zu fördern. Das soll unter dem Slogan eines von Abe propagierten "proaktiven Pazifismus" geschehen, weil weiter kein Geld für militärische Zwecke fließen soll. Bei jedem Einzelfall soll geprüft werden, ob Gelder gezahlt werden können und die Militärhilfe keinen militärischen Zweck verfolgt, sondern beispielsweise auf Hilfsmaßnahmen beschränkt ist. Das ist, gelinde gesagt, sehr auslegungsfähig und soll als Türöffner für eine militärische Aufrüstung dienen.
Die Abe-Regierung will zudem die Möglichkeit, Waffen zu exportieren, erleichtern und das Verteidigungsbudget erhöhen. Das Kabinett hat bereits im Januar einen Rekordhaushalt für die Verteidigung von fast 5 Billionen Yen gebilligt. Überdies wird angestrebt, Artikel 9 der Verfassung so zu verändern, dass das Recht zur kollektiven Selbstverteidigung gegeben ist. Das soll einschließen, dass das Militär, sofern es keine Alternativen gibt, eingesetzt werden kann, wenn ein militärischer Angriff auf einen ausländischen Staat die Existenz Japans gefährdet oder die Rechte japanischer Bürger bedroht.
Abe stellte letzten Jahr heraus, dass dies nicht bedeuten würde, dass japanisches Militär im Ausland eingesetzt oder Japan in Kriege hineingezogen würde, aber man müsse sich den Veränderungen der Zeit anpassen. Nach Umfragen lehnt eine Mehrheit der Japaner diese Umdeutung der Verfassung ab. Regierungschef Abe hat wohl die 200 Millionen US-Dollar, die er im Januar für Flüchtlingshilfe der durch den Islamischen Staat gefährdeten Länder und zur Ausbildung von Kämpfern versprochen hat. Sofort reagierte der Islamische Staat darauf und verlangte seinerseits 200 Millionen für die Freilassung der zwei japanischen Geiseln. Zwar hat es anscheinend Versuche der japanischen Regierung gegeben, direkt mit dem IS zu verhandeln, der hatte aber daran kein Interesse, sondern hat die Geiseln, inszeniert für die Kameras, ermordet und damit die japanische Regierung innenpolitisch vorgeführt.
Die japanische Regierung versucht nun offensichtlich, das Geiseldrama zur Durchsetzung der offensiveren Sicherheitsstrategie zu nutzen. Nach einem Appell, der von Journalisten, Autoren und Wissenschaftlern am 9. Februar veröffentlicht wurde, haben die Medien dies begünstigt. In dem Appell gegen die Selbstbeschränkung der Meinungsäußerung werden diese kritisiert, seit dem Geiseldrama kaum mehr kritisch über die Abe-Regierung berichtet zu haben. Auf einer Pressekonferenz warnte der Journalist Hajime Imai, dass das Fehlen einer kritischen Berichterstattung der Regierung dienen könne, wie das vor Jahrzehnten schon einmal geschehen sei, als das Militär zusammen mit den Medien Japan in den Krieg gezogen habe.
Und Shigeaki Koga, früherer Mitarbeiter im Wirtschaftsministerium, berichtete, dass der mit Protestmails überschwemmt worden sei, die sagten, er habe kein Recht, die Regierung zu kritisieren, nachdem er in den Nachrichten von TV Asahi zu sehen war und erklärte: "Ich bin nicht Abe." Die Polizei hatte daraufhin das Haus von Koga zum Schutz beobachtet. Die Unterzeichner des Appels versichern: "Wir legen einen persönlichen Eid ab, niemals bei dem, was wir schreiben, sprechen, zeichnen oder anderweitig schaffen, zu zögern."