Jeder irrt für sich allein

Seite 3: Was wählen? Drei Vorschläge: Idealistisch, realistisch, strategisch

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Und sonst? Zur AfD hat eigentlich Ernst Bloch schon in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts das Nötige gesagt: "Witz und Ekel allein reichen hier nicht aus, denn in alldem, lächerlich und gefährlich zugleich, steckt ein keimender Knalleffekt aus Blut und explosivem Muff zusammen." (Ernst Bloch "Politische Messungen, Pestzeit. Vormärz")

Die SPD ist nicht mehr das "kleinere Übel", sie ist in der Großen Koalition zum gleich großen Übel geworden. Man muss sie aus der babylonischen Gefangenschaft der Koalition befreien - indem man sie in die Opposition zwingt. Denn die SPD muss wieder eine Partei der Linken werden und nicht mit der Union, mit FDP und Grünen um die Mitte streiten.

Die Grünen haben schon immer genervt. Aber jetzt drohen sie mit Schwarz-Grün. Auch hier gilt, im Stil der Magenta-Wahlkampagne formuliert: Wer die Grünen stärken will, muss Schwarz-Grün schwächen. Je näher dran an 5% umso besser, dann nur werden Özdemir und Göring-Eckhardt ersetzt werden. Dann kommt Habeck und wird die Partei aus der Mitte rausholen und vorn platzieren.

Die FDP tritt immerhin für ein sympathisches Ziel ein: Selbstbestimmung in allen Lebenslagen. Bestünde die Gefahr, dass sie nicht in den Bundestag kommen, würde ich sie diesmal wählen. Sie werden aber drin sein. Man sollte sie daher jetzt nicht wählen, damit sie nicht zu groß werden. Denn leider hat diese potentiell wirklich liberale Partei mit ihrer Erneuerung auf halber Strecke aufgehört. Kurzfristig hatten sie Demut, jetzt haben sie sie leider schon wieder komplett verloren, haben Oberwasser von Westerwelle'schem Ausmaß. Richtig ekelig mitunter. Das geht also gar nicht.

Bleibt die CDU/CSU. Das illusionslose Multitasking der Kanzlerin ist als taktisches Verfahren, sich beweglich und damit an der Macht zu halten, nicht gering zu schätzen, aber als Strategie auch für die Partei untauglich. Unter Merkel ist die CDU enteiert worden - gerade das macht sie attraktiv für Mitte-Wähler. Es gibt die all-inklusive-Kanzlerin zweimal - als Muddha, die keinem weh tut, und als die Zynikerin, die in Kauf genommen hat, dass rechts von der CDU viel Platz ist.

Was aber würde eigentlich passieren, wenn die Union allein regieren müsste. Ich habe die Vermutung, man könnte Angela Merkel nichts Schlimmeres antun, als sie mit Horst Seehofer und Jens Spahn allein zu lassen.

Es gibt also drei Optionen: Eine - idealistische, "verschenkte" - Stimme für die Piraten, die eine linksliberale Alternative sein könnten und mit der Wahlkampfkostenpauschale wenigstens lustige Plakate drucken. Eine - erzrealistische pragmatische Stimme - für die einzige Partei, die konsequent als Opposition zum Bestehenden antritt und nicht nur wie SPDFDPGrüne ein möglichst großes Stück vom Kuchen abhaben will, auf die Gefahr hin, sich den Magen zu verderben. Eine Stimme also für die Linke, trotz des ganzen Blödsinns, den diese Partei verzapft.

Und die dritte Option: Eine Stimme für CDU/CSU, die strategisch auf Selbstzerstörung durch Machtüberdehnung setzt.

Wir leben in interessanten Zeiten.