Jemen: Der erste Schritt zum Anfang vom Ende

Seite 2: Die Meerenge Bab al-Mandab: Interessen Irans, Saudi-Arabiens und der VAE

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Nach saudi-arabischer Lesart versuchen die iranischen Revolutionsgarden am Bab al-Mandab, also an der Meerenge zwischen Indischem Ozean und Rotem Meer, Basen zu errichten; auf diese Weise hätte der Iran nicht nur Zugriff auf die Straße von Hormuz, durch die ein erheblicher Teil der weltweiten Ölexporte per Schiff transportiert wird, sondern auch auf die Schifffahrtsroute zum Suez-Kanal und zum israelischen Hafen Eilat.

Das Argument, der Iran müsse daran gehindert werden, im Jemen Fuß zu fassen, wurde von saudischen Vertretern auch immer wieder als Begründung dafür genannt, warum man überhaupt derart lange einen Krieg zur Unterstützung einer Regierung führt, die trotzdem nur einen Bruchteil des Landes unter ihre Kontrolle bringen konnte.

Doch seit dem Sommer wird auch deutlich, dass die saudische Regierung auch andere Ziele verfolgt: In der ersten Jahreshälfte trafen saudische Truppen in der Provinz al-Mahra ein, die bislang zwar vom Krieg weitgehend verschont wurde, aber von örtlichen Stämmen kontrolliert wird und komplett verarmt ist. Medienberichten zufolge wurde dort mit dem Bau einer Pipeline nach Saudi-Arabien begonnen; Mitarbeiter von Hilfsorganisationen bestätigen die Präsenz von saudischen Truppen in der Provinz.

Mit einer Pipeline könnte Saudi-Arabien die Straße von Hormuz umgehen; seitdem US-Präsident Donald Trump die Wiedereinführung von Sanktionen gegen den Iran veranlasst hat, drohen die Revolutionsgarden damit, die Meerenge, die zum Teil durch iranisches Hoheitsgewässer führt, zu sperren, falls Trump versuchen sollte, den Iran an Ölexporten zu hindern (vgl. Wäre eine Blockade der Straße von Hormus durch Iran legal?).

Die Vereinigten Arabischen verfolgen ihre eigenen Ziele

Aber auch die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), die offiziell Seite an Seite mit dem saudischen Militär im Jemen kämpfen, verfolgen ihre eigenen Ziele: Schon vor Jahren hat man Bodentruppen in den Jemen entsandt; zumindest zeitweise kamen dabei vor allem Söldner aus Kolumbien zum Einsatz, die man beim VAE-Militär wegen ihrer Erfahrung schätzt, die die Ex-Militärs im Kampf gegen die kolumbianische FARC gesammelt haben.

In den VAE hüllt man sich in Bezug auf das militärische Engagement im Jemen in nahezu allumfassendes Schweigen; Sprecher von Regierung und Militär verweigern jede Auskunft zu den eigenen Zielen. Nicht einmal zu Präsident Hadi mag man sich mehr bekennen; aus gutem Grund: Die VAE unterstützen mittlerweile eine weitere, weitgehend unbekannte Konfliktpartei, die unter dem Namen "Südlicher Übergangsrat" fungiert, dessen Anhänger in den deutschen Medien überwiegend schlicht als "Separatisten" bezeichnet werden.

Im Mai 2017 gegründet, tritt das 26köpfige Gremium für die erneute Loslösung des einstigen Süd-Jemen ein. Geführt wird der Rat von Aidarus al-Zubaidi, der bis Ende April 2017 Gouverneur von Aden war. Anfang 2018 besetzten dann Kämpfer des Übergangsrats dem Regierungssitz in Aden, es kam zu Kämpfen mit Regierungstruppen.

Gegenwärtig soll der Übergangsrat Medienberichten zufolge über 50 000 Kämpfer verfügen und große Teile des Süd-Jemen kontrollieren. Aber auch hier gilt: Verifizieren lässt sich das nicht. Sicher ist aber, dass der Südliche Übergangsrat mittlerweile zu einer dritten, zumindest nicht zu unterschätzenden Konfliktpartei geworden ist und dabei erhebliche Unterstützung aus den VAE erhält.

Sicher ist auch: Selbst wenn die USA ihre Unterstützung für die saudische Kriegsführung einschränken oder gar ganz aufgeben und selbst wenn die Rüstungslieferungen aus Europa eingestellt würden: Die Aufgabe der Verhandler bleibt kompliziert.

Die einheimischen Interessengruppen, von den Houthi-Milizen, die international anerkannte Regierung, den Südlichen Übergangsrat bis hin zu Gruppen, die der al-Qaida oder dem Islamischen Staat loyal verbunden sind, und Dörfern, in denen die Menschen mangels Staatsgewalt nach ihren eigenen Gesetzen leben, müssen irgendwie unter einen Hut gebracht werden - und gleichzeitig sind da die meist nicht klaren Ziele und Absichten der saudischen, der emiratischen und der iranischen Führung, die einige oder mehrere dieser Interessengruppen unterstützen, um ihre Ziele durchzusetzen, und dabei sämtliche Fortschritte am Verhandlungstisch zerstören können.