Jemen: Internationaler Kampfplatz
Eine ganz große Kriegskoalition beim "Sturm der Entschlossenheit"
Einen Militärschlag mitsamt Androhung noch massiverer Einsätze und in so breiter Beteiligung von "willigen" Staaten hat es in der arabischen Welt bisher nicht gegeben: Saudi-Arabien bombardiert den Jemen, Kriegsschiffe stehen bereit und 150.000 Mann Bodentruppen, die USA leisten "logistische Hilfe", 10 arabische Staaten haben ihre militärische Unterstützung angesagt, die britische Regierung gibt dem Rückhalt, das deutsche Auswärtige Amt erklärt die kriegerische Operation für legitim.
Auf der Gegenseite: Die so genannten "Huthi-Rebellen", einige Zehntausende, keineswegs modern ausgerüstet. Eine Weltgefahr? Saudi-Arabien, wie Thomas de Maizière es dem deutschen Publikum in Sachen Waffenlieferung dargelegt hat, "ein Anker der Stabilität" im Nahen Osten?
Deutungen des blutigen, den Jemen zerstörenden Konflikts sind gefragt, diesmal kommt der Mann im Kreml ja nicht in Betracht.
Kam es zur Konfrontation mit den "Huthis", weil diese die Keimzelle des islamistischen Terrorismus darstellen, eines "Gotteskriegertums", das den gesamten Nahen Osten und Nordafrika noch dazu erobern will? Diese Erklärung wäre absurd. Terroristische Strukturen, die sich auf den Propheten Mohammed berufen, hatten sich längst vor der Entwicklung im Jemen ausgebreitet und manche ihrer Akteure sind jetzt auf der Seite des "Sturms der Entschlossenheit" zu finden. Saudi-Arabien ist selbst ein "Gottesstaat".
Also handelt es sich um einen innermuslimischen Krieg, Sunniten gegen Schiiten? Überzeugend ist auch diese Deutung nicht; im Jemen sind es nicht nur schiitische Milizen, denen die saudi-arabische Feinderklärung gilt. Auf die unterschiedlichen und gegensätzlichen religiösen Richtungen im Islam wird gern verwiesen, wenn andere Konfliktursachen verdeckt werden sollen; zudem haben westliche Staaten kein Problem damit, sunnitische politische Kräfte zu nutzen, wenn es ihnen machttaktisch nützlich erscheint.
Plausibel ist, dass die ganz große Kriegskoalition den Kampfplatz Jemen als Gelegenheit ansieht, dem Iran einen geopolitischen Schlag zu versetzen, ihn als staatlichen Konkurrenten in der Region zu verdrängen, unter propagandistischer Herausstellung seiner Nähe zu den jemenitischen "Rebellen". Zu einem heiklen Zeitpunkt: Ein Kompromiss zwischen dem Iran und westlichen Vormächten bei dem Streit um die Atompolitik wird gerade verhandelt. Ob die Politik im Fall Jemen dem Präsidenten der USA gefällt, darüber kann man rätseln; aber er ist nicht Alleinentscheider über US-amerikanische Globalstrategien.
Sicher ist, dass der Jemen-Krieg das Elend der Bevölkerung im Nahen Osten steigern und Rüstungswettlauf weiter zuspitzen wird (schon hat Saudi-Arabien angekündigt, nun brauche es auch atomare Bewaffung). Der Terrorismus in seinen vielen Ausformungen wird durch das kriegerische Handeln der "entschlossenen Stürmer" Auftrieb erhalten. Die internationale Militärindustrie auch. Und Flüchtlingsströme werden noch mehr den Weg nach Europa suchen. Ein Musterfall für die Wirkungen der propagierten "weltpolitischen Verantwortung" - brutale und massenhafte "Flurschäden" nimmt diese bei ihrer Realisation in Kauf.
Das hat, was westliche Mächte angeht, seine Tradition: In der kolonialen und neokolonialen Politik, wie diese sie in der Geschichte des Nahen Ostens betrieben haben, mit destruktiven Folgen bis in die Gegenwart hinein. Eine der Ursachen der katastrophalen Verhältnisse heute in der arabischen Welt ist exterritorial zu finden, bei den angeblich "Modernisierungshilfe" leistenden Staaten außerhalb des Nahen Ostens. Die lassen sich durch die desaströsen Ergebnisse ihrer Gewaltaktionen, von Afghanistan über den Irak bis Libyen, nicht irritieren. Beim "ethischen Imperialismus" zeigt das Adjektiv nur die rechtfertigende Funktion an; diese Art von "Ethik" hat das Vermeiden von Menschenopfern nicht in ihrem Tugendkatalog.