Jemen: Schiiten besetzen Hafen
Waffenlieferungen aus dem Iran möglich
Im September eroberten schiitische Huthi-Milizen die jemenitische Hauptstadt Sanaa und zwangen den sunnitischen Übergangsministerpräsidenten Mohammed Salem Basindwa zum Abdanken. Nun haben sie den Hafen al-Hudaida besetzt, der auch die Hauptstadt des gleichnamigen Gouvernements ist. Das ist insofern von Bedeutung, als die Schiitenmilizen, die immer wieder ihre Feindschaft zu den USA und Israel betonen, nun Lieferungen von Schiffen aus dem Iran entgegennehmen könnten, ohne dass diese von sunnitisch dominierten Behörden kontrolliert werden.
Auch aus dem südlich von Sanaa gelegenen Gouvernement Dhamar sollen nun statt der regulären Soldaten die Fahrzeuge der Huthis in den Straßen patrouillieren. Medienberichten zufolge leistete die Armee des Jemen in beiden Gouvernements wenig bis keinen Widerstand gegen die Übernahme mehrerer Militärstützpunkte und eines Flughafens.
Diese Armee ist - wie der Jemen selbst - weitgehend in ein schiitisches und in ein sunnitisches Lager zerfallen: Während an den Küsten und im Osten des Jemen fast ausschließlich Sunniten leben, herrschen im nördlichen Hochland zaiditische Schiiten vor, die landesweit 42 Prozent der Bevölkerung stellen. Ihre Lehre verbreitete sich durch den 896 aus dem Irak gekommenen al-Hadi Yahya, der im Südwesten der arabischen Halbinsel politische Macht erlangte und eine Dynastie begründete. Zaiditen verehren als fünften Imam nicht Muhammad al-Baqir, sondern Zaid ibn Ali, der 740 im Kampf gegen die Omajaden unterlag.
Der Jemen ist deshalb ein gescheiterter Staat, von dem man häufig sagt, dass es nur eins gibt, was seine Bürger verbindet: Die Droge Kath, die ein Großteil der Männer dort täglich kaut. Sie ist auch maßgeblich mit dafür verantwortlich, dass die Wasservorräte des Landes in absehbarer Zeit zur Neige gehen werden, weil seit den 1970er Jahren immer tiefere Brunnen gebohrt wurden, um die Kath-Sträucher zu bewässern. Die Zukunftsaussichten des Jemen gelten deshalb allgemein als düster: Außer der Landwirtschaft gibt es kaum Infrastruktur, die eine explodierende Bevölkerung ernähren könnte, und die wenigen Ölvorkommen dürften noch schneller leer gepumpt sein als das Grundwasser.
Radikale Sunniten reagieren auf die militärischen Erfolge der bis zu hunderttausend Mann starken Schiitenmilizen mit Selbstmordanschlägen, bei denen in den letzten Wochen zahlreiche Menschen um Leben kamen. Im Süden und Osten des Landes wollen sunnitische Fanatiker einen eigenen salafistischen Gottesstaat gründeten. Vor gut drei Jahren konnten sie große Teile der sunnitischen Küstenprovinz Abyan erobern und dort ein Emirat ausrufen, das allerdings nur sehr kurz Bestand hatte. Nach mehreren militärischen Niederlagen 2011 und 2012 und verhältnismäßiger Ruhe im letzten Jahr scheinen sich die Dschihadisten 2014 dort wieder neu formiert zu haben. Dass die Schiitenmilizen den Norden des Landes weitgehend übernommen haben, gibt ihnen zusätzlichen Rückhalt bei den Stammesführern und weniger religiösen Separatisten, auf den sie vorher nicht in diesem Ausmaß zählen konnten.
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