Jenseits von Gesundheitsnotstand und Verschwörungswahnsinn

Seite 2: Exkurs: Hartz IV-Proteste und der Umgang mit Rechten 2004

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Nun hat sich besonders am letzten Samstag gezeigt, dass nicht nur der Anteil der Teilnehmenden am Rosa-Luxemburg-Platz gestiegen ist, sondern auch der Anteil bekannter Rechter aus verschiedenen Spektren. Einige Teilnehmer, die klar eine Distanzierung von den Rechten gefordert hätten, sprachen von einer rechtsoffenen Stimmung.

Es ist klar und verständlich, dass sich linke und libertäre Gruppen nicht danebenstellen. Es wäre nur möglich gewesen, diese Linken zu gewinnen, wenn die Positionierung gegen rechts vom ersten Protesttag an hätte in die Praxis umgesetzt werden können. Dass wäre nur mit einer Einbeziehung linker und antifaschistischer Gruppen möglich gewesen.

Dafür gibt es Beispiele. So wurden die Montagsdemonstrationen gegen Hartz IV im Sommer 2014 nicht von organisierten linken Zusammenhängen organisiert - die planten erst Aktionen im Herbst 2014. Der Magdeburger Organisator soll auch mal kurz Kontakt zu rechten Gruppen gehabt haben, und in manchen Orten waren Rechte von Anfang dabei.

Doch dort sorgten linke und libertäre Gruppen und auch linke Gewerkschafter dafür, dass die Rechten dort sowohl inhaltlich als auch praktisch ausgegrenzt werden konnten - oft gegen den Willen der örtlichen Polizei, die mit Verweis auf das Demonstrationsrecht in manchen Städten dafür sorgten, dass die Rechten doch mitlaufen konnten, weil in den Aufrufen keine klare Abgrenzung nach rechts zu finden war.

An einigen Orten wurden die Demonstrationen von den Anmeldern abgesagt, weil sie eben nicht mit Rechten durch die Straßen laufen wollten. Sie organisierten später Demonstrationen mit klaren Positionen auch gegen Rechte, so dass es möglich war, sie auch auszuschließen.

"Sag alles ab" - Keine Rechten am Rosa-Luxemburg-Platz

Doch das ist leider am Rosa-Luxemburg-Platz nicht geschehen. Erst mit Verspätung erklärten die Organisatoren der Proteste:

Wir Einladenden wurden im Vorfeld von Menschen aus dem Polizeiapparat (?) bedrängt und durften den Platz, unter Androhung von Strafe, nicht betreten. So konnten wir nicht verhindern, dass sich einzelne Nazis unter die Demokratinnen und Demokraten mischten. Um es klar zu sagen: Mit Antisemiten und Holocaustleugnern, wie dem sogenannten "Volkslehrer" Nikolai Nerfling, haben unsere Spaziergänge nichts zu tun. Wir verteidigen die Freiheitlich-Demokratische Grundordnung gegen Schlechteres. Dazu zählt das defacto diktatorische Hygiene-Regime der Bundesregierung aber auch der völkische Ständestaat, den sich dieser Ex-Grüne offenbar herbeifantasiert. Nein danke, hier bitte nicht!

Aus dem Newsletter der Kommunikationsstelle Demokratischer Widerstand

Zudem wird dort angekündigt, dass die Proteste am Rosa-Luxemburg-Platz wohl nach dem kommenden Samstag beendet werden. Viele Antifaschisten kritisieren, dass es nicht bereits da heißt: "Sag alles ab", wie das Motto der Absageagentur hieß.

Dann so könnte verhindern werden, dass sich noch einmal Rechte auf einem Platz tummeln können, der traditionell ein Ort der Linken war. Bereits in der Weimarer Republik fanden dort vor der KPD-Zentrale Demonstrationen gegen die Nazis statt. Der Rosa-Luxemburg-Platz grenzt zudem an das Scheunenviertel, wo Völkische bereits in Zeiten der Inflation 1923 ein Pogrom gegen jüdische Menschen verübten.

Es wäre ein wichtiger Grund, die weiteren Aktionen abzusagen, wenn man erkennt, dass es nicht möglich ist, die Rechten rauszuhalten und eben zu verhindern, dass es auf der Kundgebung eine rechtsoffene Stimmung gibt, von der mehrere Teilnehmer der Kundgebung vom letzten Samstag berichteten.