Jetzt nicht mehr so geheim: Operation RADAR
Unter Führung der Niederlande, Deutschlands und Großbritanniens soll dem Handel von Drogen ein empfindlicher Schlag versetzt werden. Doch die lange geplante Aktion lässt sich nicht verbergen
Seit über zwei Jahren arbeiten mehrere EU-Mitgliedstaaten an einer großangelegten gemeinsamen Operation von Zoll- und Polizeibehörden. Ihr Ziel ist die Eindämmung des Schmuggels von Cannabis und Kokain. Die Operation fokussiert auf den Containerverkehr, da angenommen wird die Drogen würden größtenteils aus Afrika verschifft. RADAR wird von Deutschland und Großbritannien angeführt und soll Anfang März beginnen. Einer der Vorläufer von RADAR waren ALCHEMIST oder ULYSSE, die 2010 unter französischer Leitung sowie deutscher und slowenischer Co-Führung dem Handel mit natürlichen und synthetischen Drogen nachspürte.
Gemeinsame Zolloperationen ("Joint customs operations" JCO) kommen wie Gemeinsame Polizeioperationen als Maßnahme zur verbesserten Zusammenarbeit von Strafverfolgungsbehörden der EU-Mitgliedstaaten in Mode. Weil an RADAR sowohl die Polizei als auch der Zoll teilnehmen, gilt sie als "Joint customs olice operation (JCPO). Neben dem Eindämmen von Schmuggel sollen die Operationen auch eine Risikoanalyse von Verkehrswegen für inkriminierte Waren liefern. Dieser "vorausschauende Ansatz" findet sich auch bei anderen EU-Agenturen aus dem Bereich Justiz und Inneres (Das Ende des "patrouillengestützten Ansatzes").
Der finanzielle und personelle Aufwand für RADAR ist durchaus beachtlich. Zwar ist unbekannt, wie viele Kräfte abgestellt werden. An vergleichbaren Operationen von Polizeibehörden der Mitgliedstaaten nehmen jedoch meist deutlich mehr als 10.000 Personen teil. Für Maßnahmen zum Aufspüren von Migranten an Bahnhöfen, Autobahnen oder Flughäfen setzt allein Deutschland beispielsweise bis zu 1.800 Polizisten ein (Ende der Freizügigkeit im Schengen-Raum).
Die Operationen von Zoll und Polizei unterstehen entweder den EU-Ratsarbeitsgruppen Zollzusammenarbeit (CCWP) oder Strafverfolgung (LEWP) bzw. beiden im Falle einer gemeinsamen Maßnahme. Zum Jahresende muss der jeweilige Vorsitz der Ratsarbeitsgruppen Bericht an den neuen Ständigen Ausschuss des Rates für die innere Sicherheit (COSI) erstatten. Regelmäßig arbeiten auch die EU-Agenturen Europol (Kriminalpolizei) und OLAF (Betrugsbekämpfung) mit. Ergebnisse landen in einschlägigen Datenbanken von Europol. Im Falle einer früheren Zolloperation namens DEMETER war die Weltzollorganisation federführend.
Immer wieder müssen die Gemeinsamen Zolloperationen verschoben werden, da ihre Finanzierung nicht gesichert ist. Weil es sich dabei nicht um gewöhnliche, wiederkehrende Maßnahmen handelt, werden sie durch die Kommission co-finanziert. Auch RADAR wurde deshalb seit 2010 immer wieder zurückgestellt, was zu einem erbosten Brief des niederländischen EU-Botschafters geführt hatte. RADAR wird jetzt zu 80 Prozent im Rahmen des EU-Finanzprogramms ISEC finanziert.
Die JCO sollen gemeinsame Identität von Zollbehörden der Mitgliedstaaten befördern: Unter schwedischer EU-Präsidentschaft wurde hierfür eigens ein Wettbewerb zur Erstellung eines Logos ausgeschrieben, das fortan für alle Dokumente Verwendung finden sollte. Besonders überzeugend scheint der Entwurf nicht zu sein: In der offiziellen Kommunikation wird das Logo nicht genutzt.
Operationen auch zum "Schutz" von geistigem Eigentum
Die Kommission bewirbt die Maßnahmen als Schutz der "finanziellen Interessen der EU" und von "legitimen Geschäften". Vor allem an den östlichen Landgrenzen sollen zukünftig mehr JCO ausgeführt werden.
Mit BARREL fand kürzlich eine ähnliche Operation unter polnischer Leitung statt. BARREL widmete sich dem nicht dokumentierten Handel mit Zigaretten, die teilweise über den Paketversand vertrieben werden. Weitere JCOs waren etwa EARLY BIRD zur Kontrolle von Dual-Use-Gütern und der Verhinderung von "Massenvernichtungswaffen", COLOSSEUM unter italienischer Leitung gegen den illegalen Handel mit Kulturgütern oder FIREBLADE, um den Handel mit gefälschten Waren und geistigem Eigentum zu unterbinden. FIREBLADE wies als "Erfolgsbilanz" 19 Beschlagnahmungen vor. Die JCO ULYSSE sorgte für die Beschlagnahme von Cannabis und Kokain hauptsächlich in Spanien, Großbritannien, Deutschland und Frankreich. Gefunden wurden die Transporte in Frachtverkehr über die Dienstleister EMS, TNT, FEDEX oder DHL. Bald sollen die Erfahrungen aus den früheren Gemeinsamen Zolloperationen in einem gemeinsamen Handbuch gebündelt werden.
Immer wieder werden die Operationen auch zur Verhinderung von Drogenschmuggel über den Atlantischen Ozean und das Mittelmeer ausgeführt. Hierfür arbeiten die EU-Mitgliedstaaten mit "Kooperationsplattformen" in anderen Ländern zusammen, darunter in Westafrika. Doch der Erfolg ist mau: Die Menge der beschlagnahmten Drogen sei zurückgegangen, meldete die Kommission vor gut einem Jahr. Der Grund würde hauptsächlich "in der Geschwindigkeit liegen, mit der die Drogenringe in der Lage sind, ihre Transportrouten und -methoden zu ändern".
Data Mining-Verfahren: Lieber Geheimhaltung durch Bundesregierung
Nicht zuletzt deshalb dürfte die Bundesregierung ein großes Gewese um die anstehende Operation RADAR machen. Die ist in Deutschland sogar so geheim, dass die Antwort auf eine parlamentarische Anfrage hierzu nicht einmal wie ansonsten gern üblich in die Geheimschutzstelle des Bundestages verschoben wurde. Das Innenministerium wollte mit keiner Silbe angeben, mit welchen Kapazitäten Behörden des Zolls oder der Polizei in das EU-Projekt eingebunden sind. Selbst zum Inhalt, also der Kontrolle von Containern zur Verhinderung von Kokainschmuggel, sollten Abgeordnete nichts erfahren.
Immerhin wurde mitgeteilt, dass an RADAR alle EU- Mitgliedstaaten und Norwegen teilnehmen. Neben den EU-Agenturen Europol und OLAF sind diesmal auch Interpol, die Weltzollorganisation und das UN-Institut UNODC mit von der Partie.
Auf Granit bissen die fragenden Parlamentarier allerdings hinsichtlich der Frage, ob zur Vorbereitung der Aktion Methoden der Rasterfahndung oder des Profiling zur Anwendung kommen. Ein derartiges "Data Mining" ist inzwischen beispielsweise von der Polizeiagentur Europol bekanntgeworden (Werkzeuge für den digitalen Tsunami). Für eine Gemeinsame Polizeioperation auch unter der Beteiligung Deutschlands hatte Europol eine Million Daten aus der Telefonüberwachung computergestützt analysiert.
Anstatt auf die Frage nach Techniken und digitalen Verfahren zur Analyse von in RADAR erlangten Daten zu beantworten, wurden die Abgeordneten mit der Antwort abgespeist, dass während der Operation "gesicherte Kommunikationswege" bestünden. Immerhin wird der Argwohn hinsichtlich des Profiling bestätigt: Demnach wurden für RADAR "Risikoprofile mittels Data Mining-Verfahren und open Source Intelligence erarbeitet". Ob dies jedoch durch Europol oder etwa das Bundeskriminalamt besorgt wurde, soll weiter geheim bleiben.