Journalismus im Krieg: Sagen, was fehlt
Seite 2: Ukraine-Krieg: Lücken in der Berichterstattung füllen
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Telepolis also berichtete Anfang der Woche nicht über betrunkene russische Militärs, sondern über Medwedew, der, wie es der ihm vom Kreml zugedachten Rolle zu entsprechen scheint, wieder einmal mit einem Atomkrieg drohte – und ordnete diese Meldung ein.
In einer derart polarisierten Mediensituation, wie wir sie in Deutschland seit dem 24. Februar 2022 erleben, bleibt das nicht ohne Widerspruch. Diese Kritik erreichen uns nicht nur per Mail, sondern auch über das, wie wir es nennen, "passiv moderierte" Forum. Heute Morgen zum Beispiel kritisierte ein Leser die "gefühlte prorussische Stimmungsmache". Immerhin räumte er den subjektiven Eindruck ein.
Deshalb an dieser Stelle mal eine Einordnung: Wenn Telepolis in einer Kriegssituation, in der wir uns in einem weitaus stärkeren Maße befinden, als manchen Akteuren und Mediennutzern klar zu sein scheint, die Leerstellen der Berichterstattung zu füllen versucht, dann läuft dieses Medium immer auch Gefahr, in die Falle der Gegeninformation zu tappen.
Grob, sehr grob gesagt: Alle berichten pro Nato, Telepolis hält dagegen und lässt Analysten aus dem In- und Ausland über die eskalierende Rolle des Nordatlantikpaktes und seiner Führungsmacht USA schreiben.
Das aber geschieht nicht aus politischer Überzeugung, sondern weil diese Analysen anderswo fehlen. Weil Telepolis also dazu beizutragen willens ist, das Gesamtbild aufzuzeigen.
Wir glauben nicht, dass unsere Berichterstattung der Weisheit letzter Schluss ist. Aber in diesem medialen Umfeld und zu diesem Zeitpunkt tragen wir nach bestem Wissen und Gewissen dazu bei, eine umfassende und damit demokratische Meinungsbildung zu ermöglichen.
Dazu gehört nicht nur eine kritische Haltung gegenüber den Leitmedien, sondern auch eine professionelle Distanz gegenüber alternativen Medienangeboten, die Informationen mitunter einer vorgefassten Meinung anpassen, entsprechend auswählen und präsentieren.
Telepolis steht zwischen diesen Polen und wird sich weiterhin zwischen ihnen bewegen. Nicht aus Unbestimmtheit oder Unentschlossenheit. Sondern aus Überzeugung.
Die Zugriffe geben uns recht: im Einzelfall und im Gesamtbild
Das Spannende ist: Auch wenn eine lautstarke Minderheit im Forum, in E-Mails und manchmal im Netz gegen diese eigenständige Linie wettert, um Telepolis auf Linie zu bringen, geben uns die Zahlen recht.
Während ich an diesem Dienstagnachmittag dieses Editorial schreibe, haben weitere Zehntausende Leserinnen und Leser den eingangs erwähnten Russland-Text aufgerufen, monatlich verzeichnen wir auf einem kriselnden Medienmarkt mehrere Millionen Zugriffe, Tendenz steigend.
Die journalistische Herausforderung im aktuellen Ukraine-Krieg, der nach wie vor und vielleicht sogar zunehmend die Gefahr birgt, zu einem europäischen oder gar globalen Konflikt zu eskalieren, besteht auch darin, die aktuelle Rolle der verschiedenen Medienakteure vor dem historischen Hintergrund zu sehen.
Die Frage ist daher, ob eine Oriana Fallaci heute noch mit Putin sprechen könnte, wie sie es einst mit Muammar al-Gaddafi getan hat, ohne als "Putin-Versteherin" abgestempelt und isoliert zu werden, weil man mit so jemandem eben nicht spricht – unabhängig davon, wie sie ihn beurteilt.
Wir von Telepolis werden mit unseren bescheidenen Mitteln weiterhin unseren eigenen Weg gehen und die Berichterstattung über den Ukraine-Krieg und die kommenden globalen Kriege, Krisen, Pandemien und den Klimawandel in einer Weise verteidigen und ausbauen, wie wir sie für journalistisch und demokratisch gerechtfertigt halten. Seriöse Kritik an dieser Linie nehmen wir immer ernst, Schmähungen mitunter als Auszeichnung zur Kenntnis.
Neben Inhalten und Analysen setzen wir beim Thema Ukraine und Russland verstärkt auf Stimmen vor Ort. Dazu finden Sie an diesem Wochenende auf Telepolis den Essay unseres ukrainischen Kollegen Andrii Vlasov ebenso wie den Beitrag unseres russischen Kollegen Nikita Vasilenko, der für den inzwischen geschlossenen Radiosender Echo Moskau gearbeitet hat und sein Land verlassen musste.
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