Jugenddelinquenz als gesellschaftliche Herausforderung

Seite 2: Prävention und Engagement der Gesellschaft?

Wie Manfred Bluhm, der insgesamt 23 Jahre Jugendsachbearbeiter auf Polizeiposten, sowohl in Problembereichen einer südbadischen Großstadt als auch in einer ländlichen Region war, gegenüber Telepolis herausstellte, äußert sich Jugendkriminalität häufig in Sachbeschädigungen, Körperverletzungen und Betäubungsmittelverstößen.

Um die dauerhaft auffälligen zehn Prozent sollte man sich nach Bluhms Ansicht mehr kümmern. Aus der Bahn geraten diese oft aufgrund ihres sozialen oder gesundheitlichen Hintergrunds, teilweise auch aufgrund eines Migrationshintergrunds. Bei letzterem würde vielfach übersehen, dass bei den Einwanderern die dritte Generation besonders gefährdet ist, obwohl ihnen nach offizieller Definition kein Migrationshintergrund mehr zugeordnet wird.

Auch wenn immer wieder strengere Strafen für jugendliche Delinquenten gefordert werden, scheint die Hauptaufgabe im Bereich der Prävention und dem verstärkten gesellschaftlichen Engagement zu liegen. Zu diesem Themenkomplex hat der Autor Gerd Günther, einen Rektor mehrerer Schulstandorte, südlich von Freiburg um eine Einschätzung gebeten.

Welche Herausforderungen ergeben sich mit dem Auftritt von Jugendlichen im öffentlichen Raum?

Gerd Günther: Jugendliche benötigen Treffpunkte zum gemeinsamen Austausch. Von Bedeutung ist auch das gegenseitige Messen im Sport. Diesbezüglich sollten Sportanlagen (Basketballkorb, Soccerplatz, Halfpipe, ...) an diversen Standorten angeboten werden, damit Kinder sich sinnvoll beschäftigen.

Wie gehen Schulen mit dem Thema Jugenddelinquenz um?

Gerd Günther: Kinder probieren und testen ihre Grenzen aus. Abhängig ist diese auch von der jeweiligen Peergroup und dem sozialen Umfeld. Ladendiebstähle, Konsum von Tabak und Alkohol sowie auch Sachbeschädigungen nach gemeinsamen Treffen sind Teil der Gruppe, in der man sich stark fühlt. Im Unterricht wird dieses Verhalten immer wieder thematisiert.

Ebenso problematisch ist auch der tägliche Konsum sozialer Medien, denn wir haben eine Vielzahl an Beleidigungen durch Gruppenchats. Eine gute Aufklärung, auch bei Elternabenden, ist von Bedeutung.

Welche präventiven Möglichkeiten bieten sich der Schule, um die Gefahr eines Abgleitens pubertierender Jugendlicher in ein kriminelles Umfeld zu reduzieren?

Gerd Günther: Prävention ist der Schlüssel zum Erfolg, indem in verschiedenen Klassenstufen auf verschiedene Problematiken (z.B. Konsum von Drogen bei Fastnachtsveranstaltungen; Auswirkungen von Gewalt/ Diebstahl im Alter; ...) hingewiesen wird.

Oft kooperiert man mit Krankenkassen oder Vereinen. Leider sind viele Präventionsangebote kostenintensiv (z.B. Thema Aufklärung), so dass Schulen teilweise darauf verzichten (müssen). Prävention sollte aus meiner Sicht für Schulen kostenlos angeboten werden.

Könnte die Schule dabei mehr und konsequentere Hilfe aus der Bürgerschaft gebrauchen?

Gerd Günther: Jugendliche treffen sich häufig in der Nähe von Schulgebäuden, weil diese sich abseits von Wohngebäuden befinden und gegebenenfalls eine Sportanlage, Überdachung und Beleuchtung liefern. An diesen Ort findet bei größeren Ansammlungen oft eine Vermüllung und Sachbeschädigung statt. An die Hausfassade unseres Schulneubaus wurden mehrere Glasflaschen geworfen, den Fußballplatz finden wir regelmäßig vermüllt am nächsten Morgen vor und die Beleuchtung wurde schon mehrfach abgeschlagen.

Es wäre eine Hilfe, wenn sich Bürger gegebenenfalls am Wochenende an die Plätze begeben und die Jugendlichen freundlich darauf aufmerksam machen, dass die Plätze auch wieder sauber und ordentlich hinterlassen werden. Die Polizeistreife kann diese Aufgabe nicht kontinuierlich leisten, zumal die Jugendlichen dann diese Plätze komplett meiden. Sie sollen sich ja treffen können und auch fern von Leistungsdruck austauschen.