Jugenddelinquenz als gesellschaftliche Herausforderung

Bild: Max Fleischmann/Unsplash

Der schwierige Umgang mit Jugendkriminalität. Ursprünglich eher als Problem in Ballungsräumen wahrgenommen, ist das Thema längst auf dem Land angekommen. Was ein Schulrektor dazu sagt.

Jugenddelinquenz oder Jugendkriminalität bekommt in der öffentlichen Wahrnehmung dann kurzfristig größere Aufmerksamkeit, wenn über Taten berichtet wird, die für die Allgemeinheit verunsichernd wirken, wie die Vorfälle an Silvester in Berlin oder die Tötung einer Zwölfjährigen im westfälischen Freudenberg (vgl. auch Gewalt, die aus der Kälte kommt).

Als Reflex tauchte im letzteren Fall angesichts der etwa gleichaltrigen Tatverdächtigen die Idee auf, die Strafmündigkeit, die in Deutschland aktuell beim Alter von 14 Jahren beginnt, generell abzusenken oder dies im Einzelfall vorzunehmen.

Absenkung der Strafmündigkeit und verstärkte Repression als Lösung?

Verfechter von "Law and order" wie die Deutsche Polizeigewerkschaft sprechen sich für eine Herabsetzung der Strafmündigkeit auf 12 Jahre aus. Andere verweisen auf die Schweiz, Großbritannien und Australien als Vorbild, wo die Strafmündigkeit ab 10 Jahren gilt.

Die heutigen Altersgrenzen der Strafmündigkeit lassen sich wohl nur aus der geschichtlichen Entwicklung der einzelnen Staaten ableiten. So ist man in Luxemburg erst mit 18 Jahren strafmündig. In einzelnen US-Bundesstaaten liegt die Strafmündigkeit sogar bei unter zehn Jahren.

Das US-Justizsystem lässt für Jugendliche sogar lebenslange Haftstrafen ohne Aussicht auf Bewährung zu. Staatlich verfügte Rache, die sich auf Jahrtausende alte biblische Texte beruft, scheint gerade im evangelikalen Umfeld viel Zustimmung zu finden. Ob sich mit dem Prinzip von Schuld und lebenslanger Sühne das Problem der Jugenddelinquenz wirklich lösen lässt, kann jedoch bezweifelt werden.

Es gibt andere Möglichkeiten, Jugendliche wieder auf die richtige Bahn zu bringen. Ein Beispiel geben Länder wie Thailand, wo sich Betäubungsmittelverstöße (BTM) von Jugendlichen seit Jahren zu einem beträchtlichen gesellschaftlichen Problem entwickelt haben. Zunehmender Leistungsdruck in den Schulen, ungenügende Zukunftsperspektiven und ein traditionell schwach ausgebildetes Verständnis von Kausalzusammenhängen erschweren für Jugendliche die Möglichkeiten, die Folgen ihres Handelns abzuschätzen.

Einerseits geht die Polizei in Thailand bei BTM-Fällen mit hoher Strenge auch gegen Jugendliche vor und selbst 17-Jährige können sich mit einer fünfjährigen Haftstrafe konfrontiert sehen, andererseits erhalten diese Jugendlichen die Möglichkeit, ihren Schulabschluss zu machen und können schon nach einem Jahr aus der Haft entlassen werden. Sie können, entfernt von ihrem früheren Wohnsitz, ohne Anschluss an die alten Freundeskreise, die Möglichkeit bekommen, eigenes Geld zu verdienen und die Aussicht auf eine geregelte Zukunft zu finden.

Ein verdrängtes Thema

Zwanzig Prozent der Jugendlichen in Deutschland kommen zumeist während der Pubertät beim Austesten ihrer Grenzen mit dem Gesetz in Konflikt. Die Hälfte davon findet aus eigener Erkenntnis oder mittels Hilfestellung von außen wieder zurück auf einen Weg innerhalb der Gesellschaft.

Zum Problem wird die andere Hälfte, die in eine kriminelle Karriere abdriftet. Deren Eltern sind oftmals von der Situation überfordert und finden keinen Ausweg, der ihrem Nachwuchs den Weg zurück in die Gesellschaft ebnet. Daher könnte es durchaus hilfreich sein, wenn sich die Gesellschaft stärker um ihre "verlorenen" Kinder bemühen würde.

In diesem Zusammenhang bewirkt polizeiliche Prävention zwar keine Wunder, aber sie wirkt meist deutlich besser als mahnende Worte der eigenen Eltern. Wer sich entwicklungsbedingt gegen die eigenen Eltern auflehnt, hat an elterlichen Argumenten wenig Interesse.

Da latente Jugenddelinquenz von der Öffentlichkeit meist nicht rechtzeitig wahrgenommen wird und die Grenze zwischen Jugendstreiche und kriminellen Auswüchsen fließend ist, wird das Problem Jugendkriminalität in der öffentlichen Meinung gerne verdrängt ("Wofür hat man schließlich die Polizei?").