Jupitermond Europa soll belauscht werden

Akustische Sensoren sollen Eisfrakturen analysieren

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Auf der Suche nach Leben im All sind Forscher um Ideen nicht verlegen. Jetzt schlagen US-Wissenschaftler vor, mit einem Netz von akustischen Sensoren auf der eisigen Oberfläche Europas Geräusche zu analysieren, die durch das Brechen der Eiskruste entstehen. Ähnliche Verfahren werden auf der Erde schon seit Jahren erfolgreich angewendet. Damit ließe sich nicht nur die Existenz von Eisschollen beweisen, die auf einem riesigen Ozean treiben. Auf diese Weise erhielten die Forscher auch einen tiefen Einblick ins Mondinnere. Aber der Vorschlag wird wahrscheinlich über die Kostenfrage stolpern.

Es ist schon erstaunlich, aber offensichtlich eine literaturhistorisch bezeugte Tatsache. Zwischen der griechischen Antike und dem Jahr 1917, dem Jahr der Oktober-Revolution und dem Jahr des Eintritts der Vereinigten Staaten in den Ersten Weltkrieg, wurden nach Schätzung des US-Historikers Michael J. Crowe zu dem Sujet "Leben im All" 170 Bücher geschrieben. Zu einer Zeit, als Raketen und Raumschiffe noch als Hirngespinste abgetan wurden und die wissenschaftliche Disziplin "Bioastronomie" nur ein Buch mit sieben Siegeln war, haben sich einige auserlesene Wissenschaftler und Philosophen bereits konkret mit astrobiologischen Fragen auseinandergesetzt.

Mikroben könnten Triumphzug bedingen

Heute hingegen füllen Publikationen dieses Genres ganze Bibliotheken. Und da ein Ende des Siegeszugs der Astrobiologie, Bioastronomie oder Exobiologie vorerst nicht abzusehen ist, werden wohl auch weitere Bücher zu diesem Thema weitere Regale füllen. Gleichwohl könnte dieser Siegeszug aber in einem wahren Triumphzug enden, sofern es Exobiologen endlich gelänge, eine Mikrobe oder DNA-ähnliche Struktur auf einem nichtirdischen Himmelskörper nachzuweisen.

Ein ganz heißer Kandidat in dieser Hinsicht ist Europa, der viertgrößte von den bislang bekannten 16 Jupiter-Trabanten. Auf ihm könnten sich in einem riesigen Ozean Kleinstlebewesen en masse tummeln. Seitdem die Raumsonde Voyager imposante Fotos von bizarr verkrusteten und rissartigen Strukturen seiner Oberfläche zur Erde funkte, glauben viele Wissenschaftler, dass unter dem vermeintlichen Eispanzer Wasser in gefrorener Form liegen könnte. Da Bioastronomen davon ausgehen, dass das "Element" Wasser für die Entwicklung von Leben, so wie wir es kennen, unabdingbar ist, fokussierte sich schnell alles auf die Frage: Liegt unter der zerklüfteten Eiskruste Europas ein riesiger Ozean, und könnte sich in demselben Leben gebildet haben? Und wie lässt diese unzugängliche Region erforschen?

Alle 30 Sekunden eine Eisfraktur

Auf der Suche nach Leben auf Europa muss zunächst einmal der Frage nachgegangen werden, ob der Mond überhaupt die biochemischen Voraussetzungen für die Entfaltung von Leben mitbringt. Einen wertvollen Beitrag in diese Richtung könnte nach Ansicht von US-Meeresforschern die gezielte Erforschung eines ganz bestimmten Phänomens leisten. Dabei sollen just jene Geräusche auf dem Jupitertrabant Europa untersucht werden, die beim Zusammenbrechen der massiven Eisdecke entstehen. Eine Analyse der akustischen Wellen könnte nach Ansicht der Forscher einen ungeahnten Einblick in das Innere des Jupitermondes ermöglichen. Massive Eisfrakturen ereignen sich auf Europa zwar periodisch etwa alle 30 Sekunden. Dennoch lassen sich die Informationen, die derlei Vibrationen bergen, nur dann aufschlüsseln und analysieren, wenn ein Netz von vibrationsempfindlichen akustischen Sensoren auf der Oberfläche Europas installiert wird. Das technische Equipment müsste dabei so platziert sein, dass es die Echos vom Boden der Eisschicht und vom Boden des Ozeans auffangen kann. Da frühere Studien gezeigt haben, dass bei irdischem Eis akustische Wellen, die bei Eisfrakturen entstehen, auch durch dicke Eisschichten dringen und sich über Hunderte von Kilometern im Ozean ausbreiten, könne man auf diese Weise genaue Daten über die Existenz des Ozeans und über seine Tiefe sowie über die Dicke der Eisschichten gewinnen, betonen die Wissenschaftler.

Es ist faszinierend, dass Forschung über die Ausbreitung von Wellen im Ozean vielleicht auch bei der Suche nach außerirdischen Leben helfen könnte,

freut sich Dr. Jeff Simmen vom Office of Naval Research, der zugleich auch Manager des Ocean Acoustic Programms ist, das in der Analyse akustischer ozeanographischer Phänomene seit 50 Jahren führend ist.

Kaum Chancen auf Erfolg

Ebenso begeistert zeigt sich Professor Nicholas C. Makris vom Massachusetts Institute of Technology (MIT):

Die Möglichkeit, ein solches Netz von Sensoren auf die Oberfläche von Europa zu bringen, ist zur Zeit noch Zukunftsmusik und dürfte frühestens in einem Jahrzehnt realisierbar sein. Aber die Planungen haben schon begonnen.

Auf Europa soll dabei dieselbe Methode und Technik zum Tragen kommen, die die Schiffe der Navy seit Jahren nutzen, um Wassertiefen oder seismologische Vorgänge im Innern der Erde zu messen. Doch der sicherlich gut gemeinte Vorschlag krankt daran, dass er sich technisch nur schwer umsetzen lässt. Für eine Mission auf diesem Niveau wäre ein enormer technischer Aufwand erforderlich, ganz zu schweigen von den hohen Kosten. Hinzu kommt der unberechenbare Faktor Zeit. Der Zeitplan ist grundsätzlich eng; die Zeit knapp. Und zahlreiche interplanetarische Raumsonden haben in den Startlöchern, in denen sie seit geraumer Zeit auf das Startsignal warten, längst Staub angesetzt. Betroffen davon ist auch die Europa Orbiter Mission (EOM), die den Jupitermond Europa erkunden soll. Ursprünglich für das Jahr 2003 für den Start eingeplant, soll das Raumschiff aller Voraussicht nach erst in sieben Jahren seine einsame Reise zum größten Planeten des Sonnensystems antreten.

Für das Jahr 2008 ist der Raketenstart mit einer Delta IV, Atlas V oder Shuttle/IUS-Trägerrakete vorgesehen. Wenn das nuklear betriebene Vehikel im All ist, wird es nach zweijähriger Reisezeit bei Ankunft direkt in eine Umlaufbahn um Jupiter einschwenken und zwei Jahre später im Orbit des Jupitermondes Europa Position beziehen, um dort die kilometerdicke Eisschicht des Himmelskörpers, vor allem den vermuteten Ozean mit flüssigem Wasser näher zu untersuchen.