K-Frage der Grünen geklärt: Annalena Baerbocks unfreiwillige Wahlkämpfer
Bei den Unionsparteien geht das Gezerre um die Kanzlerkandidatur weiter. Ihre Hauptkonkurrenten geben sich derweil souverän
Annalena Baerbock ist nun offiziell Kanzlerkandidatin der Grünen. Die Parteichefin konnte an diesem Montag stolz verkünden, dass sie und ihr Ko-Vorsitzender Robert Habeck dies bereits vor Ostern in vertraulichen Gesprächen gemeinsam entschieden hätten. Dabei habe natürlich auch die Frage der Emanzipation eine Rolle gespielt, sagte Baerbock auf einer Pressekonferenz ihrer Partei. Den Wahlkampf würden Habeck und sie aber "gemeinsam anführen" - als Team, wie die 40jährige betonte.
Sie selbst habe zwar großen Respekt vor der Aufgabe, womöglich das Kanzlerinnenamt zu übernehmen, sei jedoch überzeugt, "dass wir einen Neuanfang brauchen". Dafür bringe sie "Entschlossenheit, Durchsetzungskraft, einen klaren Kompass und Lernfähigkeit mit".
Mit wenig Führungserfahrung und als jüngste Person, die jemals für dieses Amt kandidiert hat, könnte Baerbock durchaus davon profitieren, dass die beiden möglichen Kanzlerkandidaten der Unionsparteien dort gerade für "Chaostage" sorgen und keinen sonderlich reifen Eindruck machen. Auf einem satirischen Cover zeigt der aktuelle Spiegel die Parteichefs Armin Laschet (60, CDU) und Markus Söder (54, CSU) bereits mit Blessuren im Gesicht, die auf eine handfeste Schlägerei anspielen. In der Nacht zum Montag verlief erneut eine Aussprache zwischen den Rivalen ergebnislos.
Eigentlich wollten die C-Parteien ihre "K-Frage" schon vor der Bekanntgabe der Grünen, wer für sie ins Rennen geht, geklärt haben. Stattdessen konnte Baerbock sich nun hinstellen und darüber Sorge ausdrücken, dass angesichts der aktuellen Herausforderungen eine Regierungspartei "eben in dieses Schwanken kommt". Sie wünsche "Herrn Laschet und Herrn Söder, dass sie da zu einer gemeinsamen Entscheidung kommen".
Auch ein Wahlprogramm haben CDU und CSU für die Bundestagswahl am 26. September noch nicht vorgelegt. So konnte Baerbock der Frage, wie sie zu einer "schwarz-grünen" oder "grün-schwarzen" Koalition auf Bundesebene steht, elegant ausweichen. "Wir würden gerne diese Regierung anführen", sagte sie. Nach der Wahl müsse ihre Partei eben schauen, mit wem sie verhandeln könne und "die Wahlprogramme nebeneinander legen". Dass die Unionsparteien "bisher blank" seien und noch nichts vorgelegt hätten, dafür könnten die Grünen ja nichts, so Baerbock.
Laschet in Schlichterpose
Laschet gab kurz darauf ein Pressestatement vor der CDU-Zentrale im Berliner Konrad-Adenauer-Haus ab und gratulierte Baerbock zur Kandidatinnenkür. "Ich kann ihr zusagen, dass die CDU sich auf einen fairen Wahlkampf freut. Wir müssen menschlich miteinander fair umgehen, das muss man ohnehin in Wahlkämpfen, aber man muss es ganz besonders in diesen Zeiten der Pandemie", so der nordrhein-westfälische Ministerpräsident. Schließlich hätten die Menschen jetzt existenzielle Ängste und würden von Politikern eine faire Auseinandersetzung um "den besten Weg" erwarten.
Letzteres kann auch als demonstratives Bemühen gesehen werden, den Streit mit Söder nicht ausarten zu lassen. Für den frühen Abend berief Laschet nach eigenen Angaben eine Sondersitzung des CDU-Bundesvorstands ein. Er wolle dort einen Vorschlag zur Beilegung des Kandidatenstreits vorlegen, damit die Unionsparteien "sehr schnell in dieser Woche zu den erforderlichen Entscheidungen kommen". Markus Söder war am Vortag mit dem Privatjet zu einer Aussprache mit Laschet nach Berlin geflogen und am Morgen bereits wieder nach Bayern zurückgekehrt, hatte aber ebenso wie Laschet seine Bewerbung als Kanzlerkandidat aufrecht erhalten.
Von beiden möglichen Kanzlerkandidaten der Union hat Laschet die schlechteren Umfragewerte - und seine Partei ist zwar die "große" Schwester unter den Unionsparteien, steht aber keineswegs so geschlossen hinter ihm, wie Bundesvorstand und Präsidium der CDU sich dies vor einer Woche vorgestellt hatten. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder kann sich dagegen sowohl über die geschlossene Unterstützung der CSU als auch über den mehrheitlichen Zuspruch der Jungen Union bundesweit freuen. Auch in den Landesverbänden der CDU und deren Bundestagsfraktion findet Söder etliche Unterstützer. Letztere sammeln bereits Unterschriften, um in der Unionsfraktion eine Abstimmung über die Kandidatur zu erzwingen.
"Die CDU wirkt geradezu hilflos", sagte der Historiker Andreas Rödder, der selbst CDU-Mitglied ist, am Montag der ARD-tagesschau. Es mache "natürlich einen denkbar schlechten Eindruck, wenn ihre Führungsgremien sich am vergangenen Montag einmütig hinter Armin Laschet stellen und dann über Tage hinweg diese Unterstützung immer weiter abbröckelt".
Dieses klägliche Bild könnte den Grünen, die in Baden-Württemberg und Hessen bereits mit der CDU koalieren, bei der Bundestagswahl durchaus Stimmen von bisherigen CDU-Wählern einbringen. Links von der Mitte könnten die Erfahrungen aus Regierungsbündnissen dieser Art eher Minuspunkte für die Grünen bringen.
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