KI: Schlechte Aussichten für gut bezahlte Jobs mit Hochschulabschlüssen
Nach einer Studie sind Männer stärker bedroht als Frauen, Geringverdiener und Jobs im Gesundheits-, Pflege- und Sozialbereiche oder in der Gastronomie sollen "immun" sein
Es ist umstritten, ob die breite Einführung von Künstlicher Intelligenz zum Verlust vieler Arbeitsplätze führen wird, ob sie durch neue Jobs ersetzt werden und ob die Schere zwischen unteren und oberen Einkommen noch weiter aufgehen wird. Klar ist, dass manche der Jobs, die jetzt schon schlecht bezahlt sind, wohl nicht so schnell automatisiert werden können, während andere auch im Hochlohnbereich ziemlich sicher nicht mehr von Menschen gemacht werden. Aber die meisten werden davon ausgehen, dass vor allem Jobs betroffen sein werden, die keine zu großen Kompetenzen verlangen, Fahrer beispielsweise.
Mark Muro, Jacob Whiton, and Robert Maxim von der Brookings Institution kommen zu einem anderen Schluss: Es seien gerade die gut bezahlten Jobs, die eine gute Ausbildung verlangen, von KI bedroht. Bislang, so die Autoren in ihrem Bericht, habe man nicht alleine KI betrachtet, sondern KI gemischt mit Automatisierung jeder Art, Software und Robotik. Zudem gibt es die Schwierigkeit, dass es keine einheitliche Definition von KI gebe. Der Bericht konzentriert sich auf den Bereich Maschinelles Lernen.
Software und Robotik können Routineaufgaben und regelbasierte Vorgänge ersetzen, KI sei aber smarter. Während die Automatisierung bislang eher Jobs im unteren Einkommensbereich bedroht hat, gehe KI gut bezahlten Spezialisten wie Radiologen, Rechtsexperten oder Augenoptiker an den Kragen. Patente auf Halbleiter oder Software gehen seit einigen Jahren massiv zurück, dagegen nehmen die Patente auf Maschinelles Lernen seit 2012 stark zu.
Neuer Ansatz zur Vorhersage
Um genauer zu sehen, welche Arbeit KI ersetzen könnte, haben die Autoren die Texte von Patentanträgen für KI-Techniken mit Jobbeschreibungen abgeglichen. Diese von Michael Webb entwickelte Methode habe den Vorteil, dass sich aus den Patenten ablesen lässt, was kommerziell als interessant gilt, zudem muss dafür bezahlt werden, was den ökonomischen Wert verstärkt.
Analysiert wurden aus den über 16.000 Patenttexten, die nach Suchbegriffen wie neuronales Netzwerk gefunden wurden, mit einem Algorithmus die beschriebenen Leistungen herausgesucht, indem nach einer Kombination von Verb und Substantiv wie "Diagnostizieren Krankheit" oder "erkennen Flugzeug". Das häufigste Verb ist "recognize", kombiniert mit "pattern, image, speech, face, voice, automobile, emotion, gesture, disease". Mit diesen Paaren wurden die Jobbeschreibungen in der Datenbank des Arbeitsministeriums nach Überschneidungen abgesucht. Je mehr Überschneidungen gefunden wurden, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Jobs in naher Zukunft der KI "ausgesetzt" sind, sie also ganz oder teilweise durch KI verdrängt werden können.
Von 769 Jobbeschreibungen sind nach der Analyse eine oder mehrere Aufgaben von 740 von KI betroffen. Aber nur 18 Prozent der Arbeitsplätze (25 Millionen) in den USA seien stark betroffen, 34 Prozent seien mittel betroffen. Fast die Hälfte - 48 Prozent - seien hingegen nicht oder kaum betroffen oder gefährdet. Das könnte beruhigen, vor allem diejenigen, die keine höhere Ausbildung haben. Jobs, die keinen oder nur einen Highschool-Abschluss verlangen, sind danach praktisch nicht gefährdet. Am stärksten sind Jobs gefährdet, für die ein Bachelor notwendig ist, aber nicht sehr viel sicherer wären solche, die einen Master oder einen höheren Hochschulabschluss voraussetzen.
Es trifft die Gutverdiener
Je weniger bei einem Job verdient wird, desto weniger wird sich KI hier auswirken, zumindest so lange, müsste man hinzufügen, wie die menschliche Arbeit billiger ist als der Einsatz von KI-Technik. Gefährlich wird es vor allem beim obersten Drittel der Einkommen. Hohe Manager oder CEOs sind dagegen noch geschützt.
Gleichwohl wird sich nach der Analyse KI auf die Landwirtschaft, den Bau, die Produktion oder den Bergbau einwirken, aber eben auch auf Jobs wie Marktanalysten, Verkaufsmanager, Finanzberater oder Computerprogrammierer, die bislang allesamt gut verdienen. Dagegen sind Jobs im Bildungs-, Gesundheits- und Sozialbereich, im Kunst- und Unterhaltungsbereich, im Einzelhandel oder in der Gastronomie erst einmal "immun" vor KI-Anwendungen. Bedroht sind vor allem die Männer - erahnen das die männlich dominierten Rechtspopulisten?
Frauen, die oft im schlechter bezahlten Sozial- und Gesundheitsbereich tätig sind, sind deutlich weniger gefährdet. Und bedroht sind natürlich die Jüngeren stärker, die noch länger arbeiten müssen. Stärker gefährdet sind Asiaten und Weiße, Latinos und Schwarze, meist in schlecht bezahlten Jobs, hingegen kaum. Auch regional wird KI sehr unterschiedlich Folgen haben. Am stärksten wird sie sich auf den Korridor Boston-Washington und die Bundesstaaten Washington und Kalifornien sowie in Großstädten auswirken, also auf Hightech-Standorte mit gut bezahlten Jobs. San Jose, das Herz des Silicon Valley, könnte am stärksten betroffen sein.
Klar sei, dass hochbezahlte Jobs wegbrechen werden, vor allem jene, bei denen Vorhersagen wichtig sind. Es würden aber auch neue Jobs entstehen, vor allem im Bereich Maschinelles Lernen und KI-Spezialisten. Noch mehr könnte die Gruppe der Angestellten wachsen, die KI mit Daten füttern und trainieren. Es könnten aber auch weitere Jobs im Gefolge entstehen, wie das in der Autoindustrie gewesen sei, wo neben den Fabriken auch Tankstellen, Restaurants an den Straßen und das "neue suburbane Amerika" entstanden seien.
KI werde ähnliche Auswirkungen haben, aber, so räumen die Autoren ein, welche das sein werden, ist bei der KI ungewisser als bei anderen Automatisierungsprozessen. Gut möglich wäre, wenn KI tatsächlich die Mittelklasse und die einkommensstarken Schichten betrifft, es zum Widerstand der neuen KI-Maschinenstürmer kommen könnte, die nicht mehr der Unterschicht angehören.
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