KI, der digitale Staat und die Renaissance der Technokratie
Warum die Ideologie bis heute überlebt. Vom Pandemie-Management bis zum Klimawandel. Von China bis nach Deutschland (4. Teil und Schluss).
Heutzutage (...) werden gesellschaftliche Probleme weniger als Folge absichtlicher Bösartigkeit denn als unbeabsichtigte Nebenprodukte von Komplexität und Unwissenheit angesehen; Lösungen werden nicht in emotionalen Vereinfachungen gesucht, sondern in der Nutzung des vom Menschen angesammelten sozialen und wissenschaftlichen Wissens. (...)
Es besteht bereits ein breiter Konsens darüber, dass eine funktionale Planung wünschenswert ist und dass sie die einzige Möglichkeit darstellt, den verschiedenen ökologischen Bedrohungen zu begegnen.
Angesichts der kontinuierlichen Fortschritte in der Computer- und Kommunikationstechnologie gibt es auch Grund zu der Annahme, dass die moderne Technologie eine solche Planung zunehmend möglich macht.
Zbigniew Brzeziński: Between Two Ages: America’s Role in the Technetronic Era
Im zweiten Teil dieser Serie haben wir den US-amerikanischen Autor und Blogger Patrick Wood als Experten für die technokratische Weltanschauung zitiert.
Erwähnt haben wir auch, dass sich Wood in "Technocracy Rising" (2015) nicht nur eingehend mit der historischen Bewegung Technocracy Inc. auseinandersetzt, sondern auch deren ideologische Erben innerhalb der modernen politischen Theorie benennt.
Einer dieser Erben ist für Wood der große US-Geostratege Zbigniew Brzeziński.
Technotronischer Multilateralismus
In der Öffentlichkeit hat Brzeziński die US-amerikanische Politik nicht nur als Nationaler Sicherheitsberater während der Präsidentschaft Jimmy Carters (1977-1983) geprägt. Brzeziński war bereits zuvor hochrangiger außenpolitischer Berater der US-Präsidenten Lyndon B. Johnson (1966-1968) und Ronald Reagan (1985-1988) sowie des CIA-Chefs und späteren Präsidenten George H.W. Bush (1988).
Mit seinem Fokus auf einen diplomatischen Multilateralismus im Angesicht globaler Herausforderungen prägte Brzeziński auch die Außenpolitik des späteren Präsidenten Barack Obama wesentlich.
Über die Zeit des Kalten Krieges hinaus war Brzeziński der prominenteste Fürsprecher einer "Pax Americana", der, um jenen diplomatischen Multilateralismus zu garantieren, auf die Vormachtstellung der USA als der "einzigen Weltmacht" angewiesen war.
In seinem Buch "The Grand Chessboard: American Primacy and Its Geostrategic Imperatives" (1997) bezeichnete Brzeziński die eurasische Landmasse in Anlehnung an die Heartland-Theorie des britischen Imperialisten und Fabianer-Sympathisanten Halford Mackinder als ein geopolitisches Schachbrett, an dem sich Frage nach jener künftigen Vorherrschaft über den Globus entscheiden wird.
Nicht nur seine Forderung, die Ukraine zu diesem Zweck in den westlichen Einflussbereich einzugliedern, um Europa zu stärken und Russland zu schwächen – letztlich in Teilstaaten aufzuspalten – ist heute von herausragender Aktualität.
Auch die Einbindung der baltischen Staaten in die Nato, die sein Sohn Ian Brzeziński von 2001 bis 2005 als "Deputy Assistant Secretary of Defense for Europe and Nato Policy" unter George W. Bush sowie im Vorfeld der russischen Ukraine-Invasion 2022 vorantreiben wird, könnte aktueller nicht sein.
Telepolis ist in einem früheren Artikel bereits auf das elitär anmutende Selbstverständnis der Multilateralisten um Brzeziński, die Trilaterale Kommission oder die damit eng verknüpften Bilderberg-Treffen eingegangen, die vom Standard-Oil-Erben David Rockefeller ins Leben gerufen wurden.
Für den Autor und Blogger Patrick Wood sind die betont anti-nationalistischen Multilateralisten, anderswo mitunter verächtlich als "Globalisten" bezeichnet, die natürlichen Erben der Technokraten um Veblen und Scott.
Die international vernetzte Berufselite
Um Woods Argument zu verdeutlichen, dokumentieren wir im folgenden einige Zitate aus Brzezińskis 1970 erschienener Schrift "Between Two Ages: America’s Role in the Technetronic Era".
In diesem Werk wird deutlich, dass der Polit-Stratege zumindest die Ansicht der historischen Technokraten teilt, wonach die (nationalstaatliche) Demokratie angesichts der technologischen Möglichkeiten eine verhältnismäßig ineffiziente Regierungsform darstellt.
Mit einer auch in unserer Zeit gebräuchlichen Methode – man denke etwa an den israelischen Historiker Yuval Noah Harari – formuliert der Geopolitiker diese These als scheinbar alternativlosen Blick in die Zukunft:
Die Regierung als Ausdruck des nationalen Willens wird zunehmend als unfähig angesehen, den nationalen Wandel wirksam zu lenken und zu koordinieren. (…) Die dritte amerikanische Revolution (der "Technotronik", P.F.) verdeutlicht den scharfen Kontrast zwischen unserem technischen Erfolg und unserem sozialen Scheitern und wirft grundlegende Fragen zur Kontrolle und Steuerung der technologischen Innovation auf. (…)
Die dringendste Aufgabe dieser Gesellschaft ist es, einen konzeptionellen Rahmen zu definieren, in dem der technologische Wandel sinnvoll und human gestaltet werden kann.
Brzeziński: Between Two Ages
Von bedeutender Aktualität – immerhin erscheint Between Two Ages 1970 (!) – ist auch die Vorhersage über ein "globales Informationsnetz" ("global information grid"), über welches Telepolis im oben genannten Artikel ebenfalls bereits berichtet hat:
Die Schaffung des globalen Informationsnetzes, das eine nahezu kontinuierliche intellektuelle Interaktion und die Bündelung von Wissen ermöglicht, wird den gegenwärtigen Trend zu internationalen Berufseliten und zur Entstehung einer gemeinsamen Wissenschaftssprache (faktisch das funktionale Äquivalent des Lateinischen) weiter verstärken.
Brzeziński: Between Two Ages
Mehr oder weniger hellsichtig kündigt Brzeziński im gleichen Atemzug an, dass diese neue internationale Steuerungs-Elite bei einem wohl nicht unbeträchtlichen Teil der Bevölkerung auf große Ablehnung stoßen könnte.
Dies könnte jedoch eine gefährliche Kluft zwischen ihnen und den politisch aktivierten Massen schaffen, deren "Nativismus" – ausgenutzt von eher nationalistischen politischen Führern – gegen die "kosmopolitischen" Eliten wirken könnte.
Brzeziński: Between Two Ages
Von der Technokratie zur Algokratie
Wood zieht in "Technocracy Rising" nicht nur die augenfälligen Parallelen zum Internet, sondern auch zu jenem "smart grid", welches im Zuge der "intelligenten" Energieversorgung bzw. -verbrauchsdokumentation auch in Deutschland diskutiert wird (vgl. auch "smart metering").
Ist es von da noch ein großer Schritt zu einer beschränkten Zuteilung von Energieressourcen, wie sie die Technokraten mit den "energy certificates" gefordert haben? Wäre ein CO2-Konto, wie es (deutsche) Klimawissenschaftler bereits in Aussicht gestellt haben, etwas wesentlich anderes?
Weitere moderne Formen der funktional-technologischen Gesellschaftsplanung Brzezińskis ließen sich im Bereich der "Smart Cities" finden. Zu den nennenswerten Phänomenen zählen etwa Vorstöße zu "Post-Voting-Societies", in denen die Bedürfnisse der Bevölkerung durch technologie-gestützte Dokumentation/Überwachung sozusagen von den Lippen abgelesen werden.
Die Ausstattung eines jeden Weltbürgers mit einer digitalen Identität, die ihn mit seinem heimischen wie auch mit dem globalen Informationsnetzwerk verbindet, markiert dafür eine unerlässliche Voraussetzung.
WeChat sei eine exzellente App und X als digitaler Personalausweis eine gute Idee, sagte Pentagon-Vertragspartner Elon Musk 2022. Massenüberwachung sei eine Schlüsselanwendung für Deep Learning, sagte das Pentagon 2019.
Absichten zu einer solchen Ausstattung des kosmopolitischen Bürgers, wahlweise mit einem "unique lifelong identifier", sind weltweit in Planung oder haben dieses Stadium bereits überschritten. Bemerkenswerterweise ist die Dynamik speziell auf dem geopolitischen Schachbrett, dem "heartland" Eurasien, besonders entfesselt.
Telepolis hat bereits darüber berichtet, dass die Ukraine mit der App "Diia" ("der Staat und du") den Schritt zu mehr "government-technology" ("gov-tech") vollzogen hat, wie er auch in Berlin unter Beteiligung des Weltwirtschaftsforums angestrebt wird.
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Das Transformationsgeschäft mit der Ukraine
Dasselbe WEF, welches Elon Musk 2016 die Ehre erwiesen haben soll, am Young Global Leader Programm teilzunehmen.
Ein anderes denkwürdiges Szenario haben die zukunftsgewandten und beim Wiederaufbau auf die Mithilfe berüchtigter Groß- und Schattenbanken angewiesenen Ukrainer mit der Perspektive einer "KI"-basierten Rechtsprechung gezeichnet. Schon jetzt werden weltweit Algorithmen eingesetzt, um das Internet nach strafbaren Inhalten – und auch solchen unterhalb der Strafbarkeitsgrenze – zu durchforsten oder mit Gesichtserkennungssoftware kombiniert, um Kriminelle aufzuspüren.
Die sogenannte KI bahnt sich also ihren Weg in die Legislative, Judikative und Exekutive. Eine "Algokratie", eine Herrschaft der Algorithmen, die die demokratische Gewaltenteilung ersetzt, wäre zeitgenössisches Update und späte Erfüllung des technokratischen Traums zugleich.
Patrick Wood behauptet stattdessen, der technokratische Traum sei bereits in Erfüllung gegangen. Und zwar dort, von wo Technocracy Inc. sein Wahrzeichen entlehnt hat (siehe Teil 3) – in China.
Die real-existierende Technokratie
Nicht nur Elon Musk und das Pentagon scheinen China für seine effiziente Umsetzung von "gov-tech" zu beneiden. In "Technocracy Rising" baut Patrick Wood das Argument auf, dass die westliche Unterstützung des vorindustriellen China zu nicht unwesentlichen Teilen auf der Absicht gründete, einen "playground" für technokratische Gesellschaftsexperimente zu schaffen.
Eine Absicht, die Wood der anderen historischen Gruppierung zuschreibt, für die er als Experte gilt – der von Zbigniew Brzeziński mitbegründeten Trilateralen Kommission.
China (...) war in der Tat ein kommunistisches Land, bis die Mitglieder der Trilateralen Kommission es in ihre Hände bekamen. Erinnern wir uns, dass es Henry Kissinger unter Richard Nixon und Zbigniew Brzeziński unter Jimmy Carter waren, die die Beziehungen mit dem kommunistischen China normalisierten und die Türen für westliche multinationale Unternehmen öffneten, um massive wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten zu verfolgen.
Und das taten sie auch. Ob die Chinesen es damals wussten oder nicht, sie wurden vollständig von der trilateralen Vision einer "Neuen Internationalen Wirtschaftsordnung" oder Technokratie absorbiert. Von den Unternehmen, die sich in den ersten Tagen niederließen, hatten fast alle mindestens ein Mitglied der Trilateralen Kommission in ihrem Vorstand, einige sogar mehrere.
Patrick Wood: Technocracy Rising
Sein Argument untermauert Wood unter anderem mit einem Artikel des Time Magazine von 2001, der das moderne China als säkularisiertes, de-ideologisiertes Land beschreibt, dessen Regierungsverantwortliche zu großen Teilen einen Hintergrund im Ingenieurwesen haben.
China ist Wood zufolge nicht das erste Land, bei dem dieser Aufbau einer neuen Gesellschaftsordnung erprobt wurde. Sondern Nazi-Deutschland. Damit übernimmt Wood ein Argument seines späteren Ko-Autors ("Trilaterals over Washington", 1978), dem Urheber von "Wall Street and The Rise of Hitler" (1976), Anthony Sutton.
Suttons Thesen hat Telepolis im Zusammenhang mit einer vermeintlichen Befreiung durch die Brics-Staaten bereits grob angerissen.
Ein weiteres Beispiel, das Telepolis an anderer Stelle aufgegriffen hat, ist das moderne Indien, wo mit dem Aadhaar-System nicht nur bereits eine faktisch verpflichtende biometrisch-digitale Identitätsdatenbank angelegt ist, sondern diese zugleich das Instrument darstellt, um gesellschaftspolitische Ziele durchzusetzen.
Auch hier zählen westliche bzw. US-amerikanische Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen zu den stärksten Unterstützern.
Mit dem KI-Advent, den die Einführung des Microsoft-gestützten generative pre-trained Transformers (GPT) von OpenAI einzuläuten scheint – einem Unternehmen, das trotz aller späteren Differenzen immerhin von Elon Musk mitbegründet wurde – rückt die definitive Umsetzung einer Algokratie immer mehr ins Blickfeld. Was in der breiten (politischen) Öffentlichkeit noch nicht in aller Deutlichkeit besprochen wird, ist längst Thema der akademischen Auseinandersetzung.
Die technokratische Verlockung
Der aus Thorstein Veblens Mutterland stammende Professor Henrik Skaug Sætra arbeitet an der für unsere Belange entscheidenden Schnittstelle zwischen Nachhaltigkeitsforschung und Technologie-Ethik. In mindestens zwei Schriften (hier und hier) hat sich Sætra mit der Frage auseinandergesetzt, inwiefern die sogenannte Künstliche Intelligenz einerseits das Versprechen in Aussicht stellt, den Klimaschutz auf planvoll-funktionale Weise in der Gesellschaft zu implementieren und andererseits das Versprechen der historischen Technokratie wiederbelebt.
Dass die technokratische Idee durch die Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz (KI) eine Renaissance erlebt, steht für Sætra außer Frage. Das gilt besonders in Bezug auf den Umgang mit dem Klimawandel.
Weil sich menschliche Entscheidungsprozesse in Bezug auf den Klimawandel allein bislang als "unzureichend" oder "festgefahren" erwiesen haben, sei man nun wieder bereit, die alte Diskussion darüber zu führen, inwieweit Technologie Prozesse der Meinungsbildung, Konsensfindung und Entscheidungsfindung optimieren und das herkömmliche demokratische System so für "obsolet" erklären kann.
Die Verlockung einer technokratischen Lösung liege zum einen darin, dass der sogenannten künstlichen Intelligenz die Fähigkeit zugeschrieben werde, "akkuratere Vorhersagen" zu treffen, indem sie Muster in großen Datenmengen aufspüre und so fundiertere Entscheidungen treffen könne als ihr biologisches Pendant.
Zum anderen könne sie auch dazu genutzt werden, menschliches Verhalten in eine Klima-freundliche Richtung zu "nudgen" bzw. zu lenken. Der technokratische Behaviorismus von B.F. Skinner lässt grüßen.
Als weiteres potenzielles Anwendungsgebiet der Algorithmen-Politik nennt Sætra die Reaktion auf Pandemien, wobei KI Ausbrüche identifizieren, vorhersagen und so "dynamisch" die optimale Strategie berechnen könnte – auf Grundlage der gesellschaftlichen Risikotoleranz und unter Abwägung anderer Faktoren, wie etwa der wirtschaftlichen Kosten.
Die Schwächen eines solchen Systems liegen allerdings auf der Hand. "Garbage in, garbage out", lautet der inoffizielle Leitsatz der Wissenschaftstheorie. Bei komplexen Zusammenhängen wie Pandemie-Management und der Entwicklung des Weltklimas kann nie ausgeschlossen werden, dass manche "Faktoren", die in der Ausgangshypothese wenig Beachtung finden, sich später als entscheidend erweisen werden.
Bedenken gegen die "totalitäre Dystopie"
Sætra verpasst allerdings auch nicht, auf die erheblichen Bedenken gegenüber der "KI"-Technokratie einzugehen. Er nennt fünf zentrale Einwände, die von Kritikern vorgebracht würden:
1. Menschen streben grundsätzlich gemäß den Prinzipien von Aufklärung und Mündigkeit nach "vollständiger politischer Teilnahme" und haben den Anspruch, "selbst zu denken" ("KI denkt nicht").
2. Eine Regierung, die (weitgehend) ohne menschliche Einflussnahme agiert, wird von ihnen grundsätzlich als nicht legitim angesehen.
3. Menschen sind grundsätzlich nicht damit einverstanden, Computern die "Entscheidungen über ihr Leben und ihr Wohlergehen" zu überlassen.
4. Die Mechanismen der sogenannten Künstlichen Intelligenz sind nicht transparent und daher nicht vollständig unter menschlicher Kontrolle.
5. Stellt sich bei einer algorithmenbasierten Politik die Frage nach der Verantwortlichkeit "in Bezug auf Konsequenzen politischer Entscheidungen".
Als weiteres Argument gegen eine technokratische Gesellschaftsordnung führt Sætra den technologischen Determinismus an, den wir in dieser Serie ebenfalls bereits besprochen haben. Diese Annahme des "Techno-Solutionismus", dass alle Probleme, einschließlich der politischen, technischer Natur sind und durch Technologie gelöst werden können, hält er für schlichtweg "unmöglich" bzw. undenkbar. Selbst, wenn das autonome Fahren derlei suggeriert.
Zudem weist Sætra darauf hin, dass die KI nicht nur die ihr eingeschriebenen Ziel erfüllen, sondern auch "nicht indendierte Nebenwirkungen" mit sich bringen könnte. Deshalb bestehe die Gefahr, dass die vom Algorithmus ausgewählten Mittel, gewisse Ziele zu erreichen – selbst, wo diese ursprünglich von Menschen ausgehandelt wurden – zu einer "totalitären Dystopie" führen könnten.
Unter diesen Aspekt fällt auch die Frage, ob grundlegende liberal-demokratische Prinzipien wie Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichheit auch dann noch garantiert werden können, wenn die "KI" entscheiden würde, dass Menschen diese Prinzipien nicht befolgen wollen. Auch dann bestehe das Risiko einer zunehmend "autoritären und, möglicherweise, totalitären" politischen Ordnung.
Schließlich beleuchtet Sætra am Beispiel des Klimawandels auch den Zusammenhang zwischen Staatlichkeit und der Notwendigkeit globaler Kooperation. "KI" könne theoretisch zu einer "planetaren Implementierung eines Weltstaates" führen.
Dem, was die Technokraten als "technate" vorausgedacht haben. Dem, was die orthodoxen Multilateralisten heute herbeisehnen. Ein "Wunsch nach der Abschaffung souveräner Staaten" und "die Praktikabilität eines wirksamen politischen Systems auf globaler Ebene" würde allerdings erheblich Zweifel wecken, meint Sætra.
Kontrolle zurückgewinnen?
Als einer der unentbehrlichen Voraussetzungen für eine funktionale KI-Technokratie bezeichnet Sætra die Möglichkeit von Backup- und menschengesteuerten Kontrollmechanismen für den Fall, dass die eingerichteten Systeme versagen oder in ihrer relativen Autonomie wieder eingeschränkt werden müssten. Es stellt sich nur die Frage: Wer richtet diese Kontrollmechanismen ein?
Ausgehend von der gegenwärtigen Situation gibt Sætra zu bedenken, dass eine Übertragung von Macht an "die KI" eine Übertragung an die Unternehmen und Entwickler bzw. Software-Ingenieure dieser Systeme einschließen würde.
Sætra verwirft dabei die techno-deterministische Vorstellung, dass Entwickler lediglich abstrakte, wertfreie Systeme entwickelten. Stattdessen schrieben sie der Technik zwangsläufig ihre eigene Ideen und Werte ein. In kapitalistischen Systemen folgten sie dem höchsten Wert der Profitmaximierung.
Eine Alternative besteht für Sætra darin, das aktuelle System der repräsentativen Demokratie weitgehend beizubehalten, allerdings den Handlungsspielraum der Politik dort zu begrenzen, wo er das Fachgebiet der Technokraten betrifft.
Als "radikalere" Möglichkeit beschreibt Sætra neue Formen der Bürgerbeteiligung, durch "demokratisierende Algorithmen", wie sie etwa bei dem Steuerhaushalts-Projekt "AI Economist" oder dem Unternehmen WeBuildAI aufgezeigt würden, das einerseits die virtuelle Gemeinschaft ("commons") nutze, um bessere Algorithmen zu entwickeln, andererseits aber auch den Beteiligten die Möglichkeit biete, sich selbst das Wissen des Software-Ingenieurs anzueignen.
Können wir also doch noch alle Technokraten und Philosophen-Könige werden?
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