KI und die Renaissance der Techno-Kapitalisten
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Silicon-Valley-Investor Marc Andreessen stellt sich mit einem Manifest für Techno-Optimisten gegen Degrowth und institutionellen Klimaschutz. Warum der neue Technik-Fetisch problematisch ist.
Es sind wilde und rosige Zeiten für Technik-Enthusiasten. Größten Anteil daran hat die viel besungene Künstliche Intelligenz (KI). Sie scheint den Traum der technologischen Singularität in greifbare Nähe zu rücken, der seit Anbeginn des Informationszeitalters geträumt wird. Wenn auch eben nur scheinbar, aufgrund ihrer (derzeitigen) stochastischen Limitationen.
Interessanterweise wird mit jenen alten Diskursen, die besonders intensiv um die Jahrtausendwende geführt wurden, eine ebenso alte Ideologie wiederbelebt.
In der Person des US-Milliardärs Marc Andreessen, Mitbegründer des IT-Dienstleister-Pioniers Netscape und der Silicon-Valley-Wagniskapitalgesellschaft Andreessen Horowitz, laufen jene beiden Stränge von frühem Internet- und aktuellem KI-Hype zusammen.
Ideologie der Techno-Kapitalisten à la Elon Musk
Vergangene Woche veröffentlichte Andreessen sein viel beachtetes Manifest für Techno-Optimisten. Darin fordert er eine radikale Entfesselung des technologischen Potenzials, dessen Befreiung von sozialen, ökologischen und staatlichen Beschränkungen.
Es ist das ideologische Fundament der Techno-Kapitalisten à la Elon Musk (mit dem deutlichen Unterschied, dass dessen Ahnen aus der klassischen Technokratie-Bewegung eine zentralistische Planwirtschaft anstrebten, und nicht dem homo oeconomicus beziehungsweise der rational choice theory das Wort redeten).
Bemerkenswert ist, wie Andreessens Ideengebäude demonstrativ den Gegenpart zum allgegenwärtigen Diskurs um Degrowth, Überbevölkerung und nachhaltiges Wirtschaften einnimmt. Der Ansatz des Silicon-Valley-Investors ist allerdings nicht weniger radikal.
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In den Worten des Tech-Investors spiegelt sich das wider, was die britischen Autoren Richard Barbrook und Andy Cameron die "kalifornische Ideologie" genannt haben. Kern dieser Ideologie ist die Vermischung von emanzipatorischen Heilsversprechen und einer "unvermeidlichen" technologischen Entwicklung einerseits sowie einem radikalen Wirtschaftsliberalismus und einem materialistischen Menschenbild andererseits. Barbrook und Cameron gebrauchten damals auch den Begriff "dotcom neoliberalism".
Die Ursprünge der kalifornischen Ideologie lassen sich mindestens bis zu den libertären Ideen der US-russischen Philosophin Ayn Rand zurückverfolgen, die dann später von Cyber-Aposteln wie Kevin Kelly (Mitbegründer des Computer-Magazins Wired) oder Peter Diamandis (Mitgründer der Singularity University) aufgegriffen werden. Dass Andreessen mit letzteren in engem Austausch steht, kann angesichts seines Manifests kaum überraschen.
Die Kernthesen des Manifests, welches Andreessen an einer Stelle ausdrücklich an die Futuristen anlehnt, lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:
1. Techno-Optimismus ist eine materialistische Philosophie.
2. "Die Techno-Kapital-Maschine [ist] der Motor der ewigen materiellen Schöpfung, des Wachstums und des Überflusses."
3. Wachstum ist alternativlos ("Gesellschaften, die nicht wachsen, sterben")
4. Es gibt "keinen inhärenten Konflikt zwischen der technisch-kapitalistischen Maschine und der natürlichen Umwelt"
5. Zweck der Technik ist es, "die Natur zu überwinden"
6. Der Markt ist eine "evolutionäre Kraft", eine "Form von Intelligenz", der die Bedürfnisse der Menschen mit Hilfe der Anwendung von Technologie nicht nur befriedigen, sondern für eine "Überfluss"-Gesellschaft sorgen kann.
7. "Feind" der Techno-Optimisten sind
- "Stagnation"
- der autoritäre Staat
- "der Kollektivismus, die zentrale Planung, der Sozialismus"
- "die Sprach- und Gedankenkontrolle - die zunehmende Anwendung von George Orwells
1984 als Gebrauchsanweisung."
- Das Vorsorgeprinzip ("precautionary principle", gemeint ist eine (zu) defensive
Technikfolgenabschätzung)
Zum letztgenannten Punkt lässt sich noch die Passage anführen, die sich offen gegen die institutionelle Klimabewegung und die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen stellt:
Unsere heutige Gesellschaft ist seit sechs Jahrzehnten einer massenhaften Demoralisierungskampagne ausgesetzt - gegen die Technologie und gegen das Leben - unter verschiedenen Namen wie "existenzielles Risiko", "Nachhaltigkeit", "ESG", "Sustainable Development Goals", "soziale Verantwortung", "Stakeholder-Kapitalismus", "Vorsorgeprinzip", "Vertrauen und Sicherheit", "Tech-Ethik", "Risikomanagement", "De-Growth", "die Grenzen des Wachstums".
Techno-Optimist Manifesto
Der Topos der Technologie, die – vor äußeren Einflüssen geschützt – eine Gesellschaft des Überflusses zu schaffen, imstande ist, ist ein Klassiker unter Techno-Kapitalisten.
Jenes Versprechen hatten sich schon Andreessens Kompagnons Kevin Kelly (in "What Technology Wants", 2011) und Peter Diamandis auf die Fahnen geschrieben, letzterer benannte sogar eines seiner Bücher danach ("Abundance – The Future is Better than You Think", 2011).
Und auch die Granden der Branche bedienen sich bis heute dieses Topos. So sprach Bill Gates, dessen einstiges Unternehmen Microsoft zurzeit massiv von KI-Hype profitiert, in einem Interview mit dem Handelsblatt vom Freitag ebenfalls davon, dass man sich mit dem Ausbau der KI in Richtung einer "Welt des Überflusses" bewege.
Doch die Annahmen der Techno-Kapitalisten unterliegen einer ganzen Reihe von Trugschlüssen.