Kabummski, Vater aller Bomben
Russlands Militär demonstriert technologische Innovationsfähigkeit
"Ich halte das für einen Teil der andauernden Kampagne, die die Leute daran erinnern soll, dass Russland eine militärische Großmacht ist", kommentierte Robert Hewson, Chefredakteur von "Jane's Air-Launched Weapons", einer Fachzeitschrift für Militärtechnologie, den erfolgreichen Test des "Vaters aller Bomben" durch die russische Konkurrenz am 11. September. "Das ist keine militärisch bedeutsame Waffe; es ist eine frei fallende Bombe, abgeworfen von einem Flugzeug, und so etwas wird in fortschrittlichen Konflikten nicht mehr benutzt. Aber es ist eindeutig zerstörerisch und Aufmerksamkeit heischend, und das ist der Sinn der Sache."
Aufmerksamkeit heischten bisher die Amerikaner: Am 11. März 2003, eine gute Woche vor Beginn der Irak-Invasion, zündeten sie in den Sümpfen Floridas erstmals ihre Massive Ordnance Air Blast Bomb (MOAB), auch "Mother Of All Bombs" genannt - die bis vor wenigen Tagen stärkste nicht-nukleare Bombe der Welt (Blitzkrieg mit "Shock and Awe"). Der Knall sollte "Shock & Awe" erzeugen; der Knallkörper kam während des Irak-Kriegs jedoch nicht zum Einsatz. Stattdessen bemüht sich das US-Militär um immer kleinere und präziser steuerbare Bomben: Die Wirkung der Waffen soll so weit wie möglich auf militärische Ziele begrenzbar werden, die drumherum lebende Zivilbevölkerung möglichst nicht zu Schaden kommen. Der gute Invasor weiß ja Herz und Seele der Invasierten für sich einzunehmen.
Doch in Russland tanzt der Bär: Der von seinen Erfindern so genannte "Father Of All Bombs" soll eine Explosionskraft äquivalent zu der von 44 Tonnen TNT gehabt haben, im Vergleich zu den 11 Tonnen TNT-Äquivalent der amerikanischen "Mother". Mit 300 Metern war der Wirkkreis von Kabummskis Druckwelle so groß wie der einer kleinen Atombombe; MOAB schaffte nur die Hälfte. Dazu passt, die Temperatur im Epizentrum der Explosion angeblich doppelt so hoch war wie bei der Konkurrenz - je heißer die Reaktion, desto stärker der Druck.
Das Auffälligste aber: Mit 7,8 Tonnen war der "Vater" um 300 Kilo leichter als die "Mutter". Mit anderen Worten: Die Russen machen nicht nur mehr platt als die Amis, sie verwenden dazu auch noch einen wesentlich effizienteren Sprengstoff.
Das dürfte an der unterschiedlichen Funktionsweise der Bomben liegen. Die MOAB gleicht technisch den schon im Vietnam-Krieg als "Daisy Cutters" bekannt gewordenen Sprengkörpern, die so heißen, weil man mit ihnen Hubschrauberlandeplätze mit den Umrissen einer Gänseblümchen-Blüte in einen Dschungel pusten kann. Sie sind gefüllt mit einem Gemisch aus einem Wirk- und einem Oxidationsmittel - der Sprengstoff bringt den explosionsnotwendigen Sauerstoff selbst mit.
Russlands Väterchen hingegen ist von modererem Typ: eine Aerosolbombe, auch "thermobarische" oder "Fuel-Air"-Waffe genannt. Bei diesem Bauprinzip wird der aerosole Wirkstoff - gängig sind Flüssigkeiten wie Dekan und Feststoffe wie Aluminiumstaub - zunächst durch eine kleine Explosion fein in der Umgebungsluft verteilt und zur anschließenden Zündung der so entstandenen Aerosolwolke einfach der Luftsauerstoff benutzt.
Das Ergebnis ist eine im Vergleich zu konventionellen Detonationen besonders lang anhaltende Druckwelle, die vor allem gegen unbefestigte Ziel wie Feldlager, Hafenanlagen, Flugplätze und Rangieranlagen enorm wirkungsvoll ist. Die Tatsache, dass jedes Lebewesen im Wirkkreis, das die enorme Druck- und Hitzewelle überleben sollte, anschließend aufgrund des Sauerstoffmangels erstickt, hat diesem Waffentyp den nicht ganz korrekten, in Russland aber populären Namen "Vakuumbombe" eingetragen.
Weil das Oxidationsmittel nicht mittransportiert werden muss, lassen sich kleinere Bomben bauen. Über das verwendete Aerosol machte die russische Promotion natürlich keine Angaben, erwähnte jedoch, dass es mit Hilfe von Nanotechnologie hergestellt werde. Das deutet darauf hin, dass die Effizienz des Sprengstoffes dadurch gesteigert wurde, dass man ein besonders feinkörniges Aerosol herstellen kann: Je kleiner die Partikel, desto schneller und gleichmäßiger verteilen sie sich vor der Zündung in der Umgebung, und desto größer ist die Wirkung im Verhältnis zum Gewicht der Waffe.
Die Russen gelten schon lange als führend in dieser Waffentechnologie: Das amerikanische Militärmagazin "Marine Corps Gazette" berichtete im Jahr 2000 über die erschreckende Wirkung thermobarischer Waffen im Tschetschenien-Konflikt; die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch forderte damals dringlich von der russischen Regierung, die Anwendung zu beenden.
Die in Kabummskis Fall gewählte Darreichungsform ist vielleicht eher angeberisch als praxisgerecht, demonstriert jedoch, dass den russischen Technikern nach wie vor etwas einfällt, wenn es gilt, sich innovative Tötungsmethoden auszudenken.